Im GesprächImmobilien werden klimaneutral

CO₂-neutral ohne hohe Investitionen

Paul Tech bietet durch KI-gesteuerte Systeme eine kosteneffiziente Lösung zur CO₂-neutralen Beheizung von Mehrfamilienhäusern. Dabei werden teure Sanierungen vermieden.

CO₂-neutral ohne hohe Investitionen

Im Gespräch: Sascha Müller

Start-up macht Wohnungen ohne hohe Investitionen CO₂-neutral

Der CEO von Paul Tech setzt auf künstliche Intelligenz – Mittelgroße kapitalmarktorientierte Unternehmen als Zielkunden

Von Thomas List, Frankfurt
Von Thomas List, Frankfurt

Ein großer Teil des deutschen Wohnimmobilienbestands droht in den kommenden Jahren zu Stranded Assets zu werden. Einen sowohl ökologisch als auch ökonomisch interessanten Weg, dies zu verhindern, bietet Paul Tech, ein 2017 gegründeter Wärmelieferant und Spezialist für Gebäudeautomation.

Keine höheren Mieten

„Wir optimieren die Gebäude so, dass ohne Investitionen in Isolation oder Fußbodenheizung Mehrfamilienhäuser CO2-neutral beheizt werden können. Das erspart den Bewohnern die enormen Mietsteigerungen, die bei aufwendigen und teuren Sanierungen auf sie zukommen würden“, sagt Sascha Müller, Gründer und CEO von Paul Tech, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Dadurch ist unser Wärmelieferpreis kostenneutral zur bisherigen Öl- oder Gas-Zentralheizung und günstiger als die örtliche Fernwärme.“

Nach Müllers Angaben können mit den Anlagen von Paul Tech durch KI-Steuerung aus einer Kilowattstunde Strom drei Kilowattstunden Wärme erzeugt werden. Das entspreche einem Wärmekoeffizienten (COP) von 3,0. Es wäre ein deutlich höherer Wirkungsgrad als bei der Wärmeerzeugung mit Öl oder Gas. „Unsere Kunden erreichen so für ihre Gebäude die Effizienzklasse A.“

Vorsprung durch künstliche Intelligenz

Möglich sei dies, weil Paul Techs Komponenten KI-basiert und nicht statisch sind. „Wir haben sieben Jahre Daten von 160.000 Wohneinheiten gesammelt. Dadurch können wir Gebäude in sogenannte Cluster oder Muster (Patterns) einteilen. Wir kennen so die genauen Energieverbräuche für viele Städte, Lagen und Gebäudearten.“

Statt einer aufwendigen Verringerung des Energieverbrauchs sei eine CO2-neutrale Wärmeproduktion der kostengünstigere Weg. „Denn für Dämmung und Fußbodenheizung muss man pro Quadratmeter zwischen 600 und 1.200 Euro investieren.“ Die Kaufpreise für größere Immobilienbestände lägen heute zwischen 1.000 und 1.400 Euro pro Quadratmeter. „Das heißt, die Mieten müssten sich bei der Umsetzung der üblichen Energiesparmaßnahmen in etwa verdoppeln. Das ist in den westlichen Bundesländern im Bestand mit einer durchschnittlichen Quadratmetermiete von 7,40 Euro und im Osten mit durchschnittlich 6 Euro nicht möglich.“

Staat müsste stark fördern

Um trotzdem CO2-Neutralität bei der Wärmeerzeugung zu erreichen, müsste der Staat hohe Förderungen geben. „Das Ergebnis wäre zwar auch CO2-Neutralität. Aber für einen wesentlich höheren Preis. Unserer Kosten liegen zwischen 90 und 95 Euro pro qm.“

Bei von Paul Tech betreuten Wohnanlagen erhöhen sich keine Mieten durch die eingebaute Technik. „Wir nehmen den Betrag, den der Mieter für Fernwärme oder Gas über die Nebenkosten zahlen würde. Mit diesem Cashflow refinanzieren wir unsere Investitionen.“ Paul Tech schließt mit dem Vermieter Mehrjahresverträge (Contracting-Verträge). „In dieser Zeit betreuen wir die Heizungen und deren Optimierung und liefern grüne Wärme.“

Paul Techs Zielkunden sind vor allem mittelgroße kapitalmarktorientierte Unternehmen der Wohnungswirtschaft. „Wir adressieren 11 Millionen Wohneinheiten ab 6 Parteien in deutschen B-, C- und D-Städten bzw. -Lagen. Dort ist Platz für eine Wärmepumpe.“

20.000 Wohneinheiten als Ziel

„Ende 2025 wollen wir bereits 20.000 Wohneinheiten bei der Wärmeerzeugung so ertüchtigt haben, dass der CO2-Verbrauch Net Zero ist.“ Geht man nach dem Auftragseingang, ist aber deutlich mehr drin. „Wir haben für die kommenden 24 Monate avisierte Aufträge für 100.000 Wohneinheiten. Das sind über 1,5 Mrd. Euro Auftragsvolumen über die nächsten 10 Jahre, die wir mit Vorverträgen (Letter of intent) bereits abgeschlossen haben oder bei denen wir kurz vor Abschluss stehen.“

Langfristige Finanzierung ist auf dem Weg

„Wir finanzieren die Bauphase aktuell mithilfe eines Family Office und einer mittelgroßen deutschen Versicherung. Für die Projektlaufzeit nach dem Einbau strukturieren wir im Moment eine Langfristfinanzierung mit einem großen deutschen Assetmanager im niedrigen dreistelligen Millionenbereich.“ Bei dem Versicherer handelt es sich um die HUK-Coburg, ist aus dem Markt zu hören. Müller hält nach eigenen Angaben noch 72% der Anteile an der Paul Tech AG. Ende 2023 hat sich Hannover Finanz mit 40 Mill. Euro beteiligt.

Gegen das bisherige Modell

Der Paul-Tech-Gründer spricht sich gegen das bisherige Modell für staatliche Förderungen zur Steigerung der Energieeffizienz aus. „Förderung verschiebt nur Wettbewerbsfähigkeit. Wir sollten die Förderung einstellen und mit Darlehen die Expansion der grünen Energie vorantreiben.“ Müller schweben KfW-Darlehen vor, die in 8 oder 9 Jahren zurückgezahlt werden können. „Die müssen nicht zinsvergünstigt sein.“

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