LeitartikelKlima-Allianzen

Der Club ist tot – es lebe die Aufsicht

Das große ESG-Beben: Die NZBA ist Geschichte. Doch das ist keine Niederlage, sondern die Zäsur – vom Club zur Kontrolle. Wer jetzt nicht messen, steuern, berichten kann, verliert.

Der Club ist tot – es lebe die Aufsicht

Klima-Allianzen

Der Club ist tot – es lebe die Aufsicht

Das Ende der Net Zero Banking Alliance ist kein Scheitern, sondern eine Zäsur. Beim Klimaschutz in der Finanzbranche ersetzt die Aufsicht zunehmend die Absicht.

Von Wolf Brandes

Erneut ein Schlag für die Szene der Klimaschützer und ESG-Freunde: Das Bündnis der Banken, die sich einst gemeinsam für Klimaziele einsetzten, löst sich praktisch auf. Die Net Zero Banking Alliance, kurz NZBA, ist faktisch Geschichte. Von dem einst prominenten Bündnis globaler Finanzhäuser bleibt nur noch ein loser Rahmen. Eine Framing-Initiative, die Leitplanken formuliert, aber keine verbindlichen Selbstverpflichtungen mehr. Es ist das Ende einer kurzen Ära der globalen Bekenntnisse zum guten Willen.

Was von der NZBA blieb, war nicht genug. Schon in den vergangenen Monaten hatten sich US-Großbanken reihenweise verabschiedet – aus Furcht vor juristischen Risiken, politischem Druck und der konservativen Anti-ESG-Bewegung in den Vereinigten Staaten, die durch den republikanischen Wahlsieg bei den Präsidentschaftswahlen Oberwasser bekommen hat. Die Klima-Allianz schrumpft zur Hülle. Und der Abgang der NZBA kam nicht allein: Auch die Net Zero Asset Managers-Initiative, das Pendant der Vermögensverwalter, legte im Frühjahr ihre Arbeit faktisch auf Eis, nachdem US-Schwergewichte den Rückzug antraten.

Framework und Forum

Bei den Versicherern das gleiche Bild. Ihre Net Zero Insurance Alliance wandelte sich bereits 2024 um – in das „Forum for Insurance Transition to Net Zero“, kurz FIT. Der neue Name klingt nach Bewegung, doch der Schritt war eher ein Versuch, dem Zerfall zu entkommen. Man kann das bedauern. Man kann es aber auch als Schlusspunkt einer Illusion begreifen. Denn während die Clubs der Freiwilligen in sich zusammenfallen, haben sich die Gewichte längst verschoben – weg vom moralischen Symbol, hin zur formellen Steuerung. Die Regulierer füllen die entstandene Lücke.

Mehr als Imagebroschüren

So verpflichtet die EU-Richtlinie CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) Unternehmen erstmals für das Geschäftsjahr 2024, umfassende Nachhaltigkeitsberichte zu veröffentlichen. Nicht mehr als Imagebroschüre, sondern in Form nachprüfbarer Kennzahlen. Die europäische Bankenaufsichtsbehörde EBA verlangt per Leitlinie Transitionspläne und die Integration von ESG in die Governance und die Kreditprozesse. Die EZB-Aufsicht erwartet ebenfalls die Umsetzung der Klimarisiko-Anforderungen.

Das ist die Institutionalisierung der Klima-Agenda: weniger Logo, mehr Lenkung. Motor ist nicht mehr die Selbstverpflichtung, sondern der Aufsichtsakt. Jetzt zählt nicht mehr, wer das schönste Versprechen abgibt, sondern wer seine Daten im Griff hat. Es geht darum, Emissionen zu messen, Risiken zu bilanzieren und Kreditportfolios an Klimaziele zu koppeln. Die Werkzeuge sind da: ISSB-Standards als globale Mindestbasis, EU-Taxonomie, Transition-Benchmarks, ESG-KPIs. ESG hat eine neue Phase erreicht. Die Epoche der Clubs war die Einübung. Jetzt kommt die Prüfung.

ESG wurde professionalisiert

In den USA geraten die Institute dabei indes zwischen den Fronten: Republikanische Bundesstaaten verhängen Anti-ESG-Gesetze, drohen mit Kartellklagen, weil Klimakooperationen angeblich die Kapitallenkung verzerren. In dieser Atmosphäre sind Klima-Allianzen toxisch, weshalb viele Banken ihre ESG-Strategien daher lieber intern weiterschreiben. Europa hingegen hat ESG und Klimaziele für die Finanzbranche mehr und mehr „professionalisiert“. Und die Institute bekennen sich in der Regel sehr klar zu den Nachhaltigkeitszielen.

Die Net Zero Banking Alliance hat bei aller Kritik Wirkung entfaltet. Denn sie hat Standards angestoßen, Datenströme strukturiert, Aufmerksamkeit erzeugt. Ohne diesen Club gäbe es heute wohl kaum ESG-Abteilungen in fast jeder Großbank. Doch irgendwann müssen Symbole weichen, damit Systeme entstehen können. Das Ende der Allianzen ist daher kein Scheitern, sondern eine Zäsur. Aus Freiwilligkeit wird Steuerung. Aus Narrativen werden Kennzahlen, aus Absichtserklärungen Aufsichtserwartungen. Man kann es auch so formulieren: Aus Überzeugung wird Pflicht. Und das ist, bei allen Nebengeräuschen, ein Fortschritt.