LeitartikelNachhaltigkeit im Assetmanagement

Europas ESG-Verfechter müssen in den USA geschickter auftreten

Amerikas Assetmanager verspielen mit ihrem Einknicken unter staatlichen Anti-ESG-Kampagnen jede Glaubwürdigkeit. Doch ihre Vorteile gegenüber europäischen Konkurrenten weiten sich noch aus.

Europas ESG-Verfechter müssen in den USA geschickter auftreten

Nachhaltigkeit

Grün vor Neid

Von Alex Wehnert

Amerikas Assetmanager verspielen mit ihrem Einknicken unter staatlichen Anti-ESG-Kampagnen jede Glaubwürdigkeit. Doch ihre Vorteile gegenüber europäischen Konkurrenten weiten sich noch aus.

Dass Amerikas Banken und Assetmanager reihenweise unter der Anti-Nachhaltigkeitskampagne reaktionärer Kräfte eingeknickt sind, sollte ihren europäischen Rivalen schwer zu denken geben. Denn die führenden Finanzadressen der Vereinigten Staaten haben sich aus Klima-Bündissen wie der Net-Zero Banking Alliance oder der Net Zero Asset Managers Initiative zurückgezogen, Letztere hat ihre Aktivitäten eingestellt. Die größten Geldhäuser des Landes um J.P. Morgan und Goldman Sachs fahren darüber hinaus ihr Engagement für Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion bedeutend zurück, indem sie entsprechende Abteilungen einstampfen und bisher unterstützte Wohltätigkeitsorganisationen hängen lassen.

Plötzliche Abkehr von ESG

Blackrock und Vanguard unterstützen auf Hauptversammlungen unterdessen nur noch einen äußerst geringen Anteil der ESG-Aktionärsinitiativen, nachdem sie in ihrem Eifer für Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit vor wenigen Jahren noch kaum zu bremsen waren. Der Grund für die Abkehr von Nachhaltigkeit ist politischer Druck von republikanisch dominierten Bundesstaaten – die in ihrer „koordinierten Anti-ESG-Kampagne“, wie S&P Global das Vorgehen bezeichnet, seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump volle Rückendeckung aus Washington besitzen.

Blackrock hat für ihr Zurückrudern schon die ersten große Belohnung erhalten: Texas hat den Vermögensverwalter jüngst von der schwarzen Liste genommen, auf die der Südstaat den weltgrößten Assetmanager 2022 wegen seiner ESG-Fürsprache gesetzt hatte. Damit dürfen texanische Pensions- und Investmentfonds nicht nur finanzielle und Risikomanagement-Beratung von der New Yorker Gesellschaft einholen, sondern auch wieder in ihre Anlagevehikel investieren. Zogen sie in den Vorjahren Milliardenmittel von Blackrock ab, stehen dem Vermögensverwalter nun Zuflüsse von Gesellschaften ins Haus, die gemeinsam rund 300 Mrd. Dollar auf die Waage bringen.

Glaubwürdigkeit verspielt

Dass die amerikanischen Assetmanager mit ihrem Opportunismus jegliche Glaubwürdigkeit verspielen, ist die eine Seite der Medaille. Über Jahre traten sie in Sache Nachhaltigkeit als Überzeugungstäter auf und verkauften in großem Stil entsprechende Produkte auch an Privatanleger. Nun hängen sie ihre Fähnchen in den politischen Wind. Anlegern, die auch bei aktuellen Mega-Trends darauf vertrauen, dass ihre US-Assetmanager strategisch handeln und dafür kurzfristig adverse Trends auszuhalten bereit sind, stehen damit noch herzzerbrechende Erkenntnisse zum Weihnachtsmann und Osterhasen bevor.

Die andere Seite der Medaille besteht in den Wachstumsaussichten, die sich in den Vereinigten Staaten heimische Vermögensverwalter nun zusätzlich erschließen, indem sie vor den Anti-ESG-Kräften in Washington und Austin brav Sitz und Platz machen. Aufgrund ihrer schieren Größe, einer historisch laxeren Regulierung und einer stärker gewachsenen Anlegerkultur in ihrem Heimatmarkt sind die US-Häuser ohnehin schon mit kompetitiven Vorteilen ausgestattet, die ihre europäischen Rivalen vor Neid grün werden lassen. Nun lohnt sich der Blick auf die Namen, die noch auf der schwarzen Liste von Texas verbleiben: Zu den prominentesten zählen BNP Paribas, die UBS und HSBC, denen im Fondsgeschäft damit weiter der Zugang zu den gewaltigen investierbaren Mitteln von Pensionskassen und öffentlichen Einrichtungen aus dem Südstaat verwehrt bleibt.

Naive Töne aus Frankfurt

Die europäischen Häuser müssen nun geschicktere Wege finden, um in Sachen ESG nicht die Glaubwürdigkeit und zugleich nicht völlig den Anschluss an die amerikanische Konkurrenz zu verlieren. Stolz herauszuposaunen, ExxonMobil wegen unzureichender Klimastrategien aus dem Portfolio geworfen zu haben, kann sich vielleicht ein Haus wie Union Investment leisten, das in den USA vorrangig über Immobilien aktiv und als Aktienfonds-Anbieter weitgehend unbekannt ist.

Dabei mutet es nebenbei gesagt ulkig an, dass der Investmentarm der DZ Bank sich zwar gegen Ausschlussstrategien ausspricht, aber beteuert, im Fall des US-Ölriesen keine andere Wahl mehr gehabt zu haben. Denn diese Wahl bestand in Bezug auf Exxon noch nie – zu glauben, einen US-Konzern, dessen ganzes Wertschöpfungsangebot an Aktionäre sich aus enorm umweltbelastenden Methoden zur Gewinnung und Verarbeitung fossiler Rohstoffe speist, in Richtung nachhaltigerer Unternehmensführung bewegen zu können, wäre geradezu erstaunlich naiv.

Diplomatisches Auftreten gefragt

Europäische Fondshäuser, die tatsächlich mit den US-Riesen konkurrieren wollen, müssen sich diplomatischer verhalten. Dies bedeutet nicht, dass sie ihre Positionen zum Klimaschutz und sozialen Fragen auf ähnlich rückgratlose Weise wie Blackrock aufgeben sollten. Aber sie müssen ihre Nachhaltigkeitsstrategien und ihr Auftreten stärker an die Realitäten in unterschiedlichen Märkten anpassen, statt sich in den Vereinigten Staaten als eurozentristische ESG-Erklärbären zu gebärden. Vor allem gilt es Konfrontationen mit großen US-Arbeitgebern wie ExxonMobil zu vermeiden, die Vermögensverwalter schnell zur Zielscheibe neuer Sanktionen von Bundesstaaten oder der Regierung in Washington machen können.

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