Neue ESG-Kriterien für grüne Zertifikate
Neue ESG-Kriterien für grüne Zertifikate
Verband legt ESG-Mindeststandards vor – klare Grenzen für riskante Produktstrukturen
wbr Frankfurt
Der Bundesverband für strukturierte Wertpapiere (BSW) hat seinen Nachhaltigkeits-Kodex überarbeitet und will damit einen Branchenstandard schaffen. Der neue Kodex tritt zum 1. Juli in Kraft und legt strengere Maßstäbe für die ESG-Klassifizierung strukturierter Produkte an. Ziel ist es, Lücken zu schließen und Standards zu setzen, bevor sie gesetzlich verpflichtend werden.
„Konkrete gesetzliche Vorgaben zur Ausgestaltung strukturierter Wertpapiere mit Nachhaltigkeitsmerkmalen gibt es bisher nicht“, sagt BSW-Geschäftsführer Christian Vollmuth. „Daher hat der BSW einen eigenen Kodex basierend auf den MiFID-Vorgaben sowie dem ESG-Zielmarktkonzept erstellt und kürzlich überarbeitet.“
Schärfere Zulassungskriterien
Herzstück der Neufassung sind schärfere Zulassungskriterien für Produkte, die als ESG-konform vermarktet werden. Emittenten müssen künftig neben bereits bekannten Standards wie dem UN Global Compact und den Prinzipien für verantwortungsvolles Investieren (PRI) weitere ESG-Selbstverpflichtungen offenlegen. Zusätzlich ist mindestens ein positives Nachhaltigkeitsrating durch eine anerkannte Agentur erforderlich. Für sogenannte PAI-Produkte – also solche mit „Principal Adverse Impact“-Kennzeichnung – schreibt der Kodex künftig sechs Offenlegungsindikatoren vor, davon je mindestens einer aus den Bereichen Treibhausgase, Umwelt und Soziales.
Ausgeschlossen von dem überarbeiteten ESG-Label bleiben Hebelprodukte sowie Konstruktionen, die ausschließlich auf fallende Kurse setzen. „Das Hebel- und Short-Verbot gilt ausnahmslos“, stellt Vollmuth klar. Eine Ausnahmeregelung sieht der Kodex nicht vor.
Damit entsteht eine klare Abgrenzung zu hochspekulativen Produkten, die im Gesamtmarkt ohnehin nur einen kleinen Anteil einnehmen: Von den 101,4 Mrd. Euro Volumen strukturierter Wertpapiere zum Jahresende 2024 entfielen laut BSW nur 3,6% auf Hebelprodukte.
ESG-Zielmarkt im Blick
Parallel zur Produktauswahl präzisiert der Kodex auch den ESG-Zielmarkt. Neu ist ein Ausschlussfeld „Nicht geeignet für Kunden mit Nachhaltigkeitspräferenzen“, das auf eine EU-Q&A zu MiFID Bezug nimmt. Es ermöglicht Beratern, Produkte mit fehlenden ESG-Merkmalen systematisch auszuschließen.
Überwacht wird die Einhaltung der Kodex-Vorgaben durch einen externen Nachhaltigkeitsbeirat. Stichproben und anlassbezogene Kontrollen sind ebenfalls vorgesehen. Ein explizites Label wird nicht vergeben, wohl aber die Möglichkeit zur Selbstauskunft über die Kodex-Konformität.
Auch im Kontext künftiger EU-Vorgaben sieht sich der Lobbyverband gut aufgestellt. Der EU-Listing-Act verpflichtet Emittenten strukturierten Produkte künftig zur ESG-Offenlegung in Anhang 21 ihrer Prospekte. Laut BSW deckt der neue Kodex große Teile dieser künftigen Anforderungen bereits ab.
Die Vorgaben sind nicht optional: „Mitglieder des BSW, die strukturierte Wertpapiere mit Nachhaltigkeitsmerkmalen an Privatanleger vertreiben, wenden den Kodex verbindlich an“, so Vollmuth. Ein Opt-out ist nicht vorgesehen.
Kritik an SFDR
Mit Blick auf den anstehenden SFDR-Review fordert der Verband Augenmaß. Die aktuellen SFDR-Vorgaben seien primär auf Produkte wie Fonds ausgelegt, nicht auf strukturierte Wertpapiere. Vollmuth mahnt: „Solange die MiFID-Regeln zur Nachhaltigkeitspräferenzabfrage auf die SFDR verweisen, sollten strukturierte Wertpapiere mit Nachhaltigkeitsmerkmalen ausdrücklich als nachhaltige Finanzprodukte einbezogen werden.“
Gleichzeitig plädiert der Verband für eine einheitliche Kategorisierung nachhaltiger Finanzprodukte und standardisierte ESG-Kurzinfos – beides fehle bislang in der regulatorischen Landschaft.