Warum Sustainable Finance am Storytelling arbeiten muss
Warum Sustainable Finance am Storytelling arbeiten muss
Als der Podcast „Nachhaltiges Investieren“ im Oktober 2021 startete, war die Corona-Pandemie noch ein prägendes Thema. „Ich glaube, da kam Deutschland gerade kollektiv aus der Joggingrose raus“, erinnert sich Henrik Pontzen, Chief Sustainability Officer bei Union Investment, im Gespräch zur 100. Podcast-Episode. Ist er nun zufrieden mit der Entwicklung von Sustainable Finance seither? Wenn man bedenke, wie dramatisch sich die Weltenlage seither insgesamt seitdem verändert habe, könne man durchaus zufrieden sein, findet Pontzen.
Allerdings müssen ESG-Themen seiner Wahrnehmung nach am Image feilen: „Wir hängen in der nachhaltigen Kapitalanlage viel zu häufig noch zu sehr in diesem Ausschlussdiskurs.“ Die Fokussierung auf Ausschlüsse und Einschränkungen schreckt nach seiner Wahrnehmung viele Kapitalmarktteilnehmer ab. Dass es beim Storytelling hapert, erklärt Pontzen sich mit dem starken Fokus des Kapitalmarkts auf kurzfristige Entwicklungen. „Gerade deswegen ist es so wichtig, diese Professionalität zu haben, immer wieder auch die lange Frist mit in den Entscheidungshorizont zu nehmen.“
ESG-Integration macht Fortschritte
Er wünscht sich, Sustainable-Finance-Aspekte stärker mit positiven Errungenschaften in Verbindung zu bringen. Risikomanagement sei beispielsweise ein wesentlicher Nutzen des nachhaltigen Investierens. „Aber dieser Nutzen muss in einem anderen Narrativ rausgestellt werden. Sonst wird er nicht von hinreichend vielen erkannt werden können.“ Im eigenen Haus sieht Pontzen Nachhaltigkeit mittlerweile „in allem, was wir tun“ berücksichtigt. Auch der Branche insgesamt stellt er ein gutes Zeugnis aus. ESG-Integration sei „bei den großen institutionellen Investoren mittlerweile eine Selbstverständlichkeit“, sagt Pontzen.
Es sei jedoch ein Irrglaube gewesen, man könne mit Finanzmarktregulierung die komplette Wirtschaft im Handumdrehen nachhaltig machen. Die Enttäuschung darüber sei spürbar. Dennoch sei der Ansatz, durch Regulierung zu mehr Transparenz zu kommen, richtig.
Weniger geglückt ist aus Pontzens Sicht die Steuerung von Kapitalflüssen. Die Abfrage zu Nachhaltigkeitspräferenzen, die mehr finanzielle Mittel in nachhaltige Geldanlagen lenken sollte, geht aus Pontzens Perspektive in der aktuellen Form am Ziel vorbei. „Die Realität ist: Wir haben das nachhaltige Investieren umständlicher gemacht.“ Die Regulierung sei an dieser Stelle gut gemeint, aber nicht gut gemacht.
Backlash kommt notwendigerweise nach Overload.
Henrik Pontzen, Union Investment
Dass mit der Omnibus-Initiative verschiedene Aspekte der ESG-Regulierung noch einmal überarbeitet werden, findet Pontzen sinnvoll. Die aktuelle ESG-Müdigkeit führt er ein Stückweit auch auf eine Überfrachtung mit Nachhaltigkeitsanforderungen zurück: „Backlash kommt notwendigerweise nach Overload. Das ist eine Korrekturbewegung, die ganz wichtig ist, um auch wieder Spreu vom Weizen zu trennen.“ Es gelte nun, durch Anpassungen in der Regulierung und ein neues Narrativ einen guten Mittelweg zu finden. Dann könne Europa durchaus langfristig Wettbewerbsvorteile durch seine ambitionierte Herangehensweise erzielen, meint Pontzen. Am Ziel werde man beim Thema Nachhaltigkeit auch in fünf Jahren nicht sein. „Aber ein gutes Stück weiter.“
