Digitalisierung

„Status quo vadis“: Smarte Automatisierung in Human Resources

Bei der Automatisierung von HR-Prozessen gilt es, diese rechtssicher zu gestalten, um dauerhaft vom technischen Fortschritt profitieren zu können.

„Status quo vadis“: Smarte Automatisierung in Human Resources

„Die Fantasie kennt keine Grenzen.“ Dieser Satz gilt insbesondere bei der Digitalisierung von Prozessschritten in Personalabteilungen. Unternehmen wie Workday, Service Now, SAP und Oracle werben mit einem „digitalen Workflow“. Sie bieten unter anderem konzernweit harmonisierte, digitale Bewerbungsplattformen. Die Systeme scannen voll automatisiert Bewerberportale, kontaktieren potenzielle Bewerber bei Erfüllung vordefinierter Kriterien, erstellen individualisierte Jobangebote und kommunizieren mit identifizierten Kandidaten und vereinbaren Termine.

Robotic Process Automation

Ergänzende „Offer to contract“-Software hilft, automatisiert Verträge zu erstellen und zu versenden, einen Vertragsschluss zu bestätigen, den Betriebsrat hiervon zu informieren und die On-Boarding-Unterlagen zuzusenden. Letzteres fällt unter den Begriff Robotic Process Automation. Sich wiederholende Prozesse in Human Resources (HR), unter anderem Lohn- und Gehaltsabrechnungen, Reise- und Spesenmanagement, Betriebsratsinformationen, können so automatisiert werden. Die Kunst ist es, regelbasierte Prozesse zu identifizieren, die die Software virtuell für einen Mitarbeiter erledigt. Dies gelingt, wenn immer die gleichen Prozessschritte anfallen (Dateien öffnen, kopieren, in Excel oder ein anderes Programm eingeben). Ein weiterer Anwendungsbereich ist People Analytics. Durch die Verknüpfung individueller Personaldaten schlägt beispielsweise der Watson Career Coach selbständig passende Weiterbildungs- und Entwicklungsschritte vor. Ferner können allgemeine Personaldaten verlinkt werden, um bei der Personalplanung die Anzahl der Renteneintritte, die durchschnittliche natürliche Fluktuation sowie weitere Kennziffern automatisiert zu berücksichtigen.

Der Einsatz künstlicher Intelligenz ist hierbei am spannendsten. Bekannt sind vor allem Chatbots, die bei der Auswahl neuer Mitarbeiter sowie für die Aufnahme in Talent-Management-Programmen unterstützen können. Sie werten beispielsweise im Rahmen von kurzen Telefonaten, die die Kandidaten „mit dem Roboter“ führen, Tonlage, Sprechgeschwindigkeit, Wortschatz aus und analysieren Sprachfertigkeit und „auf Wunsch“ die Persönlichkeit. So identifiziert etwa die Fraport AG mit Hilfe dieser Technik Talente.

Fantasie anregend sind diese Entwicklungen, zumal weitere Versprechen der IT-Industrie Unternehmenslenker locken: Einfachere und schnellere Verfügbarkeit von Daten, Beschleunigung von Prozessen, Verringerung der Fehleranfälligkeit, Einsparung von Personalkosten, Steigerung der Attraktivität des Unternehmens auf dem Arbeitsmarkt. Also, wo ist der Haken?

Die Einführung digitaler Systeme ist komplex, das bestreitet niemand. Sie ist aber machbar, wenn genügend Sorgfalt in die Vorbereitung und Aufbereitung der erforderlichen Daten gelegt wird. Rechtlich sind die Hürden schon höher. Zwar lässt sich der datenschutzrechtliche Grundsatz, wonach automatisierte Datenverarbeitungen nicht allein Basis für Personalentscheidungen sein dürfen, noch gut erfüllen. Viele Landesbeauftragte für den Datenschutz halten zahlreiche IT-Tools zur automatisierten Bewerberauswahl aber schon deshalb für unwirksam, weil sie „nicht erforderlich“ und verhältnismäßig seien.

Interessenabwägung nötig

Nach Auffassung des Verfassers gehen derart pauschale Aussagen zu weit. Unternehmen sind aufgrund dieser Stellungnahmen gut beraten, den Einsatz von Algorithmen & Co. rechtlich sorgfältig vorzubereiten. Erforderlich sind eine transparente und vorherige Beschreibung sowie Dokumentation der einzelnen Prozessschritte. Festzulegen ist, welche Daten zu welchem Zweck wie erhoben, verarbeitet und gespeichert werden.

Die Daten müssen geeignet sein, um die zuvor festgelegten Zwecke der Datenerhebung zu erreichen und sollten bestmöglich einen Bezug zur vom Mitarbeiter (potenziell) ausgeübten Tätigkeit haben. Dies dient der Rechtfertigung der Datenerhebung. Zu empfehlen ist ferner, dass ein Unternehmen eine Interessenabwägung durchführt und diese zusammen mit den übrigen rechtlich erforderlichen Schritten vor der Software-Einführung in Textform dokumentiert, um bei Bedarf unverzüglich die Rechtmäßigkeit nachweisen zu können.

Schließlich muss die Datenbasis diskriminierungsfrei sein; ansonsten setzen sich Rechtsverletzungen aus der Vergangenheit in der Zukunft fort. Dies ist vor allem riskant, wenn auf große Datenmengen zurückgegriffen wird.

Einwilligungen von Bewerbern und Arbeitnehmern zur Nutzung von bestimmten digitalen Systemen können helfen, da die Datenschutzgrundverordnung sie ausdrücklich zulässt. Sie sollten umfassend und transparent informieren und – wenn möglich – in Schriftform erfolgen. Textform ist nur ausnahmsweise zulässig. Ferner muss die betroffene Person auf ihr Widerrufsrecht für die Zukunft hingewiesen werden.

„Intelligente Arbeitsverträge“

Bei der Einführung „intelligenter Arbeitsverträge“ geht es nicht mehr um einen Arbeitsvertrag in Papierform, den ein HR-Mitarbeiter individuell anpasst, ausdruckt, unterschreiben lässt und versendet. Vielmehr handelt es sich um die virtuelle Abbildung eines Vertrags in einem Programm, die automatisiert an den Empfänger versendet wird. Dies ist vor allem bei Konzernunternehmen interessant, wenn es gelingt, mit der Einführung „intelligenter Arbeitsverträge“ Bewerbungsprozesse und Arbeitsvertragsmuster zu harmonisieren, überflüssige Klauseln zu entfernen und mit Konditionalklauseln flexibel auf individuelle Anpassungen reagieren zu können – soweit jeweils sinnvoll möglich.

Kaum technische Grenzen

Hierbei darf nicht vergessen werden, dass das Gesetz für bestimmte Fälle die Schriftform vorsieht, beispielsweise bei befristeten Verträgen und nachvertraglichen Wettbewerbsverboten. Eine im System hinterlegte digitale Unterschrift reicht dann nicht aus.

Technische Grenzen gibt es für die Fantasie bei der Automatisierung von HR-Prozessen kaum noch. Es gilt allerdings, die eingangs erwähnte Fantasie einzufangen, um die Prozesse rechtssicher zu gestalten und dauerhaft vom technischen Fortschritt profitieren zu können. Anderenfalls droht unliebsame Post von einer Aufsichtsbehörde.