FINANZMARKTKALENDER - NÄCHSTE WOCHE

Das Dilemma der Euro-Hüter

Starkes Wachstum versus zu schwache Inflation - EZB-Rat steuert auf "Lower for longer"-Strategie zu

Das Dilemma der Euro-Hüter

Von Mark Schrörs, FrankfurtDie Euro-Währungshüter stehen am Donnerstag vor zentralen Weichenstellungen. Sie müssen vor Jahresende entscheiden, wie es 2018 mit der ultralockeren Geldpolitik und speziell den umstrittenen Anleihekäufen (Quantitative Easing, QE) weitergeht, die nach aktuellem Stand Ende 2017 auslaufen. EZB-Präsident Mario Draghi hat nun für Donnerstag den “Großteil der Entscheidungen” avisiert – wohl auch, weil danach die nächste geldpolitische Sitzung erst am 14. Dezember steigt. Entsprechend groß ist nun die Spannung an den Finanzmärkten, aber auch bei Staaten, Banken, Unternehmen und Haushalten, die alle auf die eine oder andere Weise betroffen sind.Was die ganze Sache für die EZB nicht unbedingt leichter macht, ist das Dilemma, in dem die Euro-Hüter stecken: Einerseits steuert die Wirtschaft 2017 auf das stärkste Wachstum seit 2007 zu. In ihren September-Projektionen sagen die EZB-Volkswirte ein Plus von 2,2 % voraus. Auch für 2018 und 2019 erwarten sie mit 1,8 % und 1,7 % Raten oberhalb des aktuellen Potenzialwachstums. Andererseits kommt die Inflation nicht wie erhofft in Gang und verharrt unterhalb des mittelfristigen EZB-Zielwerts von unter, aber nahe 2 %. Die EZB-Volkswirte erwarten für 2017 bis 2019 Jahresinflationsraten von 1,5 %, 1,2 % und 1,5 %. Vor allem das schwache Lohnwachstum gilt als großes Rätsel.Wie die EZB mit diesem Dilemma umgehen soll, ist unter den Notenbankern umstritten – und so ist für Donnerstag eine mindestens lebhafte Debatte zu erwarten. Die “Falken” im Rat, die tendenziell zu einer strafferen Geldpolitik tendieren, heben eher die positive Wirtschaftsentwicklung hervor, die auf Dauer die Inflation in Richtung 2 % bringen werde. Sie betonen zudem stärker die Risiken von Anleihekäufen und Null- sowie Negativzinsen – nicht zuletzt mit Blick auf die Finanzstabilität. Schließlich betonen sie, dass selbst nach einem Ende der Nettokäufe die Geldpolitik im Euroraum weiter außergewöhnlich expansiv sein werde.Vor allem Bundesbankpräsident Jens Weidmann und EZB-Direktoriumsmitglied Sabine Lautenschläger haben wiederholt einen klaren und raschen Ausstieg aus den Käufen gefordert. Weidmann hatte bereits vor der September-Sitzung im Interview der Börsen-Zeitung für einen “zügigen” Exit im Jahr 2018 plädiert (vgl. BZ vom 24. August). Unterstützung gibt es für Weidmann und Lautenschläger durch den niederländischen Zentralbankchef Klaas Knot und dem Vernehmen nach auch vom estnischen Notenbankchef Ardo Hansson.Die “Tauben” im EZB-Rat dagegen warnen vor einer zu frühen Kehrtwende und verweisen unter anderem darauf, dass die Inflation seit 2013 unterhalb der 2 % liege und wiederholt schwächer ausgefallen sei, als von der EZB zuvor erwartet. Sie wollen klare Belege für ein Anziehen des Lohnwachstums und der Kernrate ohne Energie und Lebensmittel sehen. Die lag im September nur bei 1,1 %. Als explizitester Vertreter dieses Lagers gilt EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio, aber bislang scheint eine breite Mehrheit im Rat in diese Richtung zu tendieren.Die Mehrheit scheint nun eine Strategie des “Lower for longer” zu favorisieren (vgl. BZ vom 14. Oktober). Das monatliche Kaufvolumen würde stärker reduziert als lange Zeit von den Märkten erwartet. In Notenbankkreisen wird eine Halbierung auf 30 Mrd. Euro oder gar noch etwas weniger erwogen. Dafür würde QE länger fortgeführt als zunächst gedacht. Im Gespräch sind aktuell neun Monate oder sogar noch mehr. Wie die Börsen-Zeitung früh berichtet hatte, bietet dies aus Sicht wichtiger Notenbanker vor allem auch den Vorteil, dass damit mögliche Zinserhöhungen weiter in die Zukunft verschoben würden, weil die EZB diese erst “weit” nach dem Ende von QE erwägen will (vgl. BZ vom 5. und 6. September).Heftig umstritten ist die Frage, ob ein fester Zeitpunkt für das Ende von QE signalisiert werden soll. Weidmann hatte bereits in dem Interview der Börsen-Zeitung für einen klaren Exit-Plan geworben. Auch Lautenschläger dringt auf ein Signal, dass die Käufe 2018 komplett beendet werden. Viele Euro-Notenbanker scheinen das aber angesichts des unsicheren Inflationsausblicks noch zu scheuen. Wenn die EZB offenlässt, wann die Käufe enden, so das Kalkül, besäße sie ausreichend Flexibilität, um sie wenn nötig erneut zu verlängern.Allzu viel Spielraum hat die EZB allerdings ohnehin nicht mehr: Sie stößt bei QE zunehmend an selbst gesetzte Grenzen wie die Kaufobergrenze von 33 % je Anleihe und Emittent. In Notenbankkreisen gibt es verschiedenste Schätzungen, wie viel die EZB noch kaufen kann. Einige gehen von nur noch rund 200 Mrd. Euro aus. Andere sprechen eher von 250 Mrd. Euro oder etwas mehr. An den Grenzen will eine Mehrheit aber offenbar nicht rütteln – zumindest bislang nicht.