Geldpolitik

EZB vor wegweisender Sitzung

Die Europäische Zentralbank steht vor einer der wichtigsten Zinssitzungen der vergangenen Jahre. Das Tempo der künftigen Zinserhöhungen und das Ausmaß der geldpolitischen Normalisierung ist umstritten.

EZB vor wegweisender Sitzung

Von Mark Schrörs, Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) steht am Donnerstag vor einer der wichtigsten Zinssitzungen der vergangenen Jahre. Als fast sicher gilt, dass die Euro-Hüter bei ihrer auswärtigen Sitzung in Amsterdam beschließen werden, die billionenschweren Nettoanleihekäufe Anfang Juli zu beenden, und dass sie avisieren werden, im Juli die Zinswende zu vollziehen – also erstmals seit Juli 2011 die Leitzinsen wieder zu erhöhen. Das Tempo der Zinserhöhungen und das Ausmaß der geldpolitischen Normalisierung ist aber heftig umstritten.

Mit dem Ende der Anleihekäufe und der Zinswende reagiert die EZB auf die hartnäckig hohe Inflation. Im Mai sprang sie von 7,4% auf 8,1% – ein absoluter Rekordwert. Die Teuerung liegt damit mehr als viermal höher als die von der EZB mittelfristig angestrebten 2%. Und ein rascher Rückgang scheint unwahrscheinlich, weil der Preisdruck auf den vorgelagerten Stufen anhaltend stark ist. Zudem breitet sich die Inflation immer mehr aus und steigende Inflationserwartungen schüren die Gefahr einer Lohn-Preis-Spirale.

Zwar verliert zugleich die Euro-Wirtschaft insbesondere wegen des Ukraine-Kriegs zunehmend an Schwung und das Risiko einer Rezession ist zuletzt eher gestiegen. Diese Konjunkturängste waren es auch, die die Euro-Hüter lange Zeit sehr viel zaghafter auf die Rekordinflation haben reagieren lassen als andere Notenbanken weltweit. Und diese Ängste sind ein wichtiger Grund, wa­rum auch jetzt mancher Notenbanker noch etwas zögert. Inzwischen scheint aber im EZB-Rat zumindest Konsens zu sein, dass die Zeit für Nettoanleihekäufe und Negativzinsen vorbei ist. Der EZB-Einlagensatz liegt bei −0,5%, der Leitzins bei 0%.

Wie schnell und auch wie weit es nun mit der geldpolitischen Normalisierung gehen soll, ist aber umstritten. Ganz konkret geht es dabei zunächst um die Frage, ob es bei der für Juli erwarteten Zinserhöhung um 25 Basispunkte oder gleich um 50 Punkte gehen sollte. EZB-Präsidentin Christine La­garde hatte vor knapp zwei Wochen in einem in Form und Inhalt sehr ungewöhnlichen Blog-Beitrag auf der EZB-Internetseite eher kleine Zinsschritte um je 25 Basispunkte im Juli und September in Aussicht ge­stellt. Das sorgte für einigen Unmut bei den Hardlinern („Falken“) im Rat und es gab gleich am nächsten Tag öffentlichen Widerspruch von Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann. Er plädiert für 50 Basispunkte. Holzmann hat das auch schon mit der Frage der Glaubwürdigkeit der EZB im Kampf gegen die hohe Inflation verknüpft.

Mindestens genauso heftig gerungen wird um die Frage, wie es nach den ersten Zinsschritten weitergehen soll. Eine zentrale Rolle nimmt da der sogenannte neutrale Zins ein, der die Wirtschaft weder stimuliert noch bremst. Die „Falken“ wollen offenbar rasch zumindest in Richtung dieses Ni­­veaus. Der slowakische Notenbankchef Peter Kazimir sagte diese Woche, dass er den neutralen Zins nahe 2% sehe. Als erster Euro-Hüter sagte er zudem, dass das neutrale Niveau nicht ausreichen könnte, um die Inflation zu dämpfen. Spaniens Notenbankchef Pablo Hernandez de Cos sagte dagegen, dass er den neu­tralen Satz auf rund 1% schätze, und EZB-Direktoriumsmitglied Fabio Panetta warnte gar davor, zu stark auf den neutralen Satz zu starren.

Von zentraler Bedeutung für die Debatte werden auch die neuen Projektionen sein, die die EZB-Volkswirte am Donnerstag vorlegen. Im März hatten sie für 2023 und 2024 Inflationsraten von 2,1% und 1,9% vorausgesagt. Da dürfte es erneut starke Aufwärtskorrekturen geben.

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