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Für juristische Feinschmecker

Die Deutsche Bank bittet zur außerordentlichen Hauptversammlung - Abschlussprüfer muss rechtswirksam bestellt werden

Für juristische Feinschmecker

Von Bernd Wittkowski, FrankfurtBis zur Wiedervereinigung der nach dem Zweiten Weltkrieg von den Besatzungsmächten zerschlagenen Deutschen Bank im Jahr 1957 haben die Historiker des Instituts in den Archiven zurückgeblättert. Ergebnis der Nachforschungen: Zumindest in diesen 56 Jahren hat es bei dem Institut noch keine außerordentliche Hauptversammlung (HV) gegeben. Man kann also von einer Premiere sprechen, wenn Verwaltung und Aktionäre am nächsten Donnerstag in der Frankfurter Jahrhunderthalle nachsitzen müssen, um drei Bestätigungsbeschlüsse zu fassen. Wie das bei Premieren mitunter so ist, wissen Protagonisten und Publikum indes nicht genau, was auf sie zukommt. In diesem speziellen Fall ist nicht mal abzusehen, ob das Haus ausverkauft sein wird und wie lange die Aufführung dauern mag. Zu den nicht selten zehn- bis zwölfstündigen regulären Hauptversammlungen der Bank in der viel größeren Frankfurter Festhalle kommen gewöhnlich um die 5 000 Teilnehmer. Im Kuppelsaal der Jahrhunderthalle gibt es bei “großer Seitenbestuhlung” nur 2 449 Plätze. Feststehen dürfte immerhin, dass diesmal vor der Bühne wie auch hinter den Kulissen Rechtsgelehrte stark “übergewichtet” vertreten sein werden. Beschlüsse angefochtenDenn diese Hauptversammlung, die erstmals vom neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Paul Achleitner geleitet wird, ist etwas für juristische Feinschmecker. Warum dieses zusätzliche Aktionärstreffen, das einen hohen einstelligen Millionenbetrag kosten dürfte, überhaupt stattfindet, ist seit Ende Februar bekannt: Beschlüsse der HV des vergangenen Jahres sind von den Erben des verstorbenen Medienunternehmers Leo Kirch bzw. aus deren Umfeld vorerst mit Erfolg angefochten worden. So hat das Landgericht Frankfurt als erste Instanz im Dezember festgestellt, dass bei der HV 2012 ein Aktionär sein Rederecht nicht habe wahrnehmen können, und hat deshalb den Anfechtungsklagen stattgegeben. Die Deutsche Bank hat dagegen zwar Berufung eingelegt, doch gelang es den Klägern diesmal, durch zusätzliche Verfahrensanträge beim Registergericht die Eintragung der Beschlüsse fürs Erste zu blockieren.Die wohl zentrale Konsequenz: Die Aktionäre haben für das Geschäftsjahr 2012 keinen Wirtschaftsprüfer rechtswirksam bestellt. Ohne Abschlussprüfer kein Testat, ohne Testat kein gültiger Gewinnverwendungsvorschlag und damit keine Dividende. Bestätigt die außerordentliche HV am Donnerstag nun – wovon mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auszugehen ist – die von der Verwaltung vorgeschlagene Bestellung von KPMG, werden die Prüfer vermutlich nichts Eiligeres zu tun haben, als sofort nach dem Beschluss ihr Testat unter den Abschluss 2012 zu setzen – damit die Tinte trocken ist, bevor jemand auf die Idee kommt, sogleich auch den Bestätigungsbeschluss wieder anzufechten. Das testierte Zahlenwerk kann der Vorstand dann auf der ordentlichen HV am 23. Mai den Anteilseignern vorlegen.Neben der Wahl des Abschlussprüfers hatten die Kläger auch den Beschluss zur Verwendung des Gewinns aus 2011 sowie die Wahl von drei Vertretern der Kapitalseite, darunter Achleitner, in den Aufsichtsrat mit Erfolg angefochten. Dass das frühere Vorstandsmitglied der Allianz die HV gleichwohl leiten wird, mag auf den ersten Blick kurios erscheinen, schließlich wurde der Österreicher bisher nicht rechtskräftig in das Kontrollorgan gewählt. Andererseits – und das ist nach wohl gefestigter Rechtsprechung entscheidend – gibt es aufgrund der laufenden Berufung eben auch kein rechtskräftiges Urteil, wonach seine Wahl ungültig war. Mithin kann Achleitner sein Amt als Aufsichtsratsvorsitzender bis auf Weiteres unverdrossen ausüben – auch als Versammlungsleiter bei dieser “außerordentlichen Premiere”. Mit Abwahlanträgen ist dennoch zu rechnen. Sie gehören auf den Aktionärstreffen der Deutschen Bank längst ebenso zur Routine wie ihre Ablehnung.