FINANZMARKTKALENDER - NÄCHSTE WOCHE

Neustart für Siemens

Münchner Blue Chip startet in geänderter Formation und operativ auch mit neuem Vorstandsvorsitzenden

Neustart für Siemens

Von Michael Flämig, MünchenBilanzpressekonferenzen gehören zur Jahresroutine von großen Unternehmen. Für die Siemens AG allerdings ist die Zahlenvorlage in diesem Jahr ein besonderes Ereignis. Denn am kommenden Donnerstag gibt der Konzern das öffentliche Startsignal für eine Richtungsänderung. Obgleich schon 173 Jahre alt, hat sich das Unternehmen neu erfunden und wirbt nun in veränderter Gestalt um Kunden und Investoren.Mehr noch: Den Aufbruch organisiert ein neuer Chef. Auf der Bilanzpressekonferenz zum Geschäftsjahr 2019/2020 am 12. November wird der designierte Vorstandsvorsitzende Roland Busch seine Vorstellungen skizzieren. Der langjährige Siemens-Vorstand und heutige stellvertretende Chef hat am 1. Oktober die volle operative Verantwortung übernommen und wird zur Hauptversammlung am 3. Februar auch formal den heutigen Amtsinhaber Joe Kaeser ablösen. Nach einer Aufspaltung konzentriert sich das Kerngeschäft der Siemens AG auf drei Geschäftsfelder: Vernetzung von Industrieproduktion (Sparte Digital Industries), intelligente Infrastruktur rund um die Gebäudetechnik (Sparte Smart Infrastructure) und Bahntechnik (Sparte Mobility).Die Aufgabe von Busch wird sein, eine Klammer für diese Geschäfte zu bieten. Der Kapitalmarkt hat zwar vorerst akzeptiert, dass die Bahntechnik doch mangels Fusionskandidaten im Konzern verbleibt, aber ein Grummeln über diese Portfolioentscheidung ist weiterhin vernehmbar. Mit dem Rückgriff auf Megatrends wie Urbanisierung oder Digitalisierung kann Busch begründen, dass sich die Siemens AG mittels der drei Sparten in Feldern mit hohen Wachstumschancen positioniert. Letztlich allerdings müssen diese Chancen in Geschäft umgewandelt werden. Keine leichte Aufgabe, schließlich sind die großen strategischen Schachzüge getan und Mega-Akquisitionen mangels finanzieller Feuerkraft nach dem Kauf des US-Krebsspezialisten Varian – den Ableger Siemens Healthi-neers erwerben will – nicht möglich.In seiner neuen Funktion steht Busch mehr als zuvor vor der Aufgabe, die Organisation von seinen Ansätzen zu überzeugen. Insofern gilt es auch, die Siemens-Struktur anzupassen. Schließlich hätte der Konzern in seinem neuen Zuschnitt im Geschäftsjahr 2018/2019 nur 58 Mrd. Euro erlöst. Tatsächlich waren es in der umfassenderen Aufstellung 87 Mrd. Euro. Der Vorstand wird also nach der kommenden Hauptversammlung schrumpfen, das ist bereits beschlossene Sache. Zugleich wird Busch seiner Mannschaft weltweit mehr operative Freiheit geben, ihre Ziele umzusetzen. Der Sparkurs allerdings wird durchgehalten.Die konjunkturelle Unsicherheit erschwert den Neustart, wenngleich Erfolge in China den Umsatz stabilisieren. Der Konzern muss sich auf unterschiedlichste Szenarien vorbereiten. Hier kann Busch sich auf seinen Finanzvorstand Ralf Thomas verlassen, der das veränderte Zielsystem für die neue Siemens formuliert.