Nvidia steht vor neuem China-Problem
27. August
Nvidias neues China-Problem
Von Alex Wehnert, New York
Durch einen ungewöhnlichen Deal mit Washington hat Nvidia den Weg für fortgesetzte Halbleiter-Exporte in den wichtigen Absatzmarkt China freigeschaufelt. Doch drohen aufgrund von Reibungen mit Peking bereits neue Komplikationen für die Wachstumsstory des kalifornischen Chipdesigners im Reich der Mitte.
Für Nvidia sollte die Welt eigentlich in bester Ordnung sein: Durch einen Deal mit der US-Regierung darf der Chipdesigner seine H20-Halbleiter wieder in den wichtigen Absatzmarkt China ausführen. Im Gegenzug soll er wie Rivale Advanced Micro Devices künftig 15% seiner Einnahmen aus dem Reich der Mitte an Washington abführen – durch den ungewöhnlichen Deal kauft sich CEO Jen-Hsun „Jensen“ Huang von einer großen Sorge frei.
Denn zuletzt konnte sein Unternehmen Prozessoren im Milliardenwert aufgrund von Exportkontrollen nicht nach China exportieren und musste deshalb hohe Abschreibungen in Kauf nehmen. Bei der vergangenen Zahlenvorlage bezifferte Huang die Umsatzbelastung im Ende Juli abgeschlossenen zweiten Geschäftsquartal 2025/26 auf 8 Mrd. Dollar. Entsprechend gespannt harren die Anleger auf die Veröffentlichung für den Zeitraum, die am kommenden Mittwoch ansteht.
Optimistische Analysten
Der Chip-Deal mit Washington ist eine wichtige Stütze für die Stimmung der Investoren, die in den vergangenen Handelstagen durch eine kritische Studie des Massachusetts Institute of Technology zur Effizienz von KI-Pilotprojekten und Einlassungen von Sam Altman, Chef der Tech-Schmiede OpenAI, zu einer Überhitzung im Segment einen Dämpfer erhalten hat. Goldman Sachs geht davon aus, dass die weitere Kursentwicklung davon abhängt, wie weit Nvidia mit ihrer Guidance für den Rest des Geschäftsjahres die Erwartungen übertrifft und wie sich das China-Geschäft auf die Margen auswirkt. Das Geldhaus hat die Kaufempfehlung für Nvidia bekräftigt und das Kursziel von 185 auf 200 Dollar erhöht.
Gegenüber den jüngst erreichten Niveaus von rund 176 Dollar sehen die Analysten damit deutlich größeres Aufwärtspotenzial – und sind damit noch immer nicht allein. Laut dem Datendienst Refinitiv empfehlen 58 Investmenthäuser, die den Titel regelmäßig beobachten, Nvidia zum Kauf. Dem gegenüber stehen sechs Empfehlungen zum Halten sowie seit April auch ein „Verkaufen“-Votum – zuvor riet seit August 2023 kein Analyst Investoren dazu, die Aktie aus dem Portfolio zu schmeißen. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von Nvidia auf Basis der Schätzungen für die kommenden zwölf Monate liegt allerdings bei über 40 und damit deutlich über dem Median im Halbleitersektor.
Neue Chips geplant
Nvidia will ihre hohe Bewertung nun offenbar auch durch die Entwicklung neuer Chips für den chinesischen Markt rechtfertigen. Der Prozessor soll auf der Blackwell-Chipplattform der Kalifornier basieren und laut Insidern voraussichtlich etwa die Hälfte der Rechenleistung des im Westen verkauften Spitzenmodells B300 erreichen. Damit wäre er deutlich leistungsfähiger als der bisher in China verfügbare H20-Halbleiter.
Doch steht Nvidia vor einem neuen Komplex im Reich der Mitte. So hat Peking Unternehmen um Alibaba und Bytedance nach Informationen der „Financial Times“ aufgerufen, ihre Bestellungen von H20-Chips anstelle heimischer Alternativen zu rechtfertigen. Angeblich prüft die chinesische Regierung sogar Möglichkeiten, amerikanische Halbleiterlieferungen zu beschränken. Stein des Anstoßes waren Äußerungen von US-Handelsminister Howard Lutnick, der öffentlich betont hatte, China „nicht unser bestes, nicht unser zweitbestes und noch nicht einmal unser drittbestes Zeug“ zu verkaufen. Offizielle in Peking hätten dies als „beleidigend“ empfunden. Dass die chinesische Regierung mit zunehmendem Missfallen auf den Einsatz ausländischer Technologie blickt, droht die neue Wachstumsstory von Nvidia in der Volksrepublik laut Analysten erheblich zu verkomplizieren.