US-Notenbank steht am Scheideweg
US-Notenbank steht am Scheideweg
9./10. Dezember
US-Notenbank am Scheideweg
Der Offenmarktausschusses der Fed wird das laufende Jahr wohl mit einer Zinssenkung abschließen. Ebenso wichtig wie der Zinsschritt werden angesichts der Abschwächung am Arbeitsmarkt aber auch die aktualisierten Konjunkturprognosen sowie der Ausblick auf den weiteren Kurs der Geldpolitik sein.
Von Peter De Thier, Washington
Selten war die US-Notenbank vor einem Zinsbeschluss so gespalten. Zwar gilt es als wahrscheinlich, dass der Fed-Offenmarktausschuss (FOMC) kommenden Mittwoch den Leitzins senken wird. Es wäre die dritte Lockerung im laufenden Jahr. Der Tagesgeldsatz würde sich damit auf dem niedrigsten Stand seit mehr als drei Jahren befinden. Eingetütet ist die Entscheidung aber noch nicht. Denn mehrere FOMC-Mitglieder stemmen sich gegen Zinssenkungen, weil sie die für voreilig halten. Unterdessen wird auch die Guidance für den geldpolitischen Kurs im neuen Jahr wichtig sein. Denn die Währungshüter stehen an einem Scheideweg. Unklar ist nämlich, ob 2026 der schwache Jobmarkt Lockerungen rechtfertigen oder die hartnäckige Inflation diese verhindern wird.
Nach einer neunmonatigen Zinspause hat das FOMC den Zielkorridor für die Federal Funds Rate zweimal heruntergesetzt. Im September und dann wieder Ende Oktober senkte der Ausschuss den Leitzins um jeweils 25 Basispunkte. Das hartnäckige Verharren der Teuerungsrate um 3% ließ zunächst Zweifel an einer weiteren Lockerung in diesem Jahr aufkommen. Mittlerweile scheint die Mehrheit des Ausschusses aber anderer Auffassung zu sein. Besonders deutlich hat Vorstandsmitglied Christopher Waller seine Präferenz artikuliert. „Ich mache mir keine Sorgen um eine Beschleunigung des Preisanstiegs“, sagte Waller. „Mein Fokus richtet sich auf den Jobmarkt, der sich deutlich abgekühlt hat.“ Die 32.000 Stellenverluste im Privatsektor, die ADP für November berichtete, bestätigen diese Einschätzung.
Hoffnung auf Notenbankvorsitz
Bei Waller ist zu bedenken, dass er auf der „short list“ der Kandidaten steht, die für die Nachfolge des Notenbankvorsitzenden Jerome Powell in Frage kommen. Vor diesem Hintergrund ist es Waller ein Anliegen, bei US-Präsident Donald Trump positiv aufzufallen. Trump plädiert für aggressive Zinssenkungen und könnte noch vor Jahresende entscheiden, wer für die Powell-Nachfolge den Zuschlag bekommet.
Im Sinne des Präsidenten hat sich auch Wallers Vorstandskollege Stephen Miran geäußert. Miran plädierte im September und Oktober für Zinssenkungen um jeweils 50 Basispunkte. Gleichwohl hat er versprochen, auch für einen kleineren Schritt zu stimmen, sollte der Mehrheitsentscheid von seinem Votum abhängen. Waller und Miran verweisen auf das geringe Stellenwachstum in diesem Jahr. Auch erinnern sie daran, dass die Arbeitslosenquote im September mit 4,4% den höchsten Stand seit Oktober 2021 erreichte.
Widerstand gegen die Tauben
Gleichwohl gibt es im FOMC auch andere Stimmen. So meint Fed-Vizechef Philip Jefferson, dass bei weiteren Zinssenkungen ein „langsames Vorgehen angemessen ist“. Susan Collins, Präsidentin der Federal Reserve Bank von Boston, sagte, dass für weitere Lockerungen "die Latte hoch liegt". Unterdessen halten sich Notenbankchef Jerome Powell und John Williams, Präsident des Fed-Ablegers in New York, alle Möglichkeiten offen. Williams meint, dass „die zugrundeliegende Inflation abwärts tendiert“. Unklar sei aber, ob Trumps Einfuhrzölle womöglich einen zweiten Preisschock auslösen werden. Aus Sicht des obersten Währungshüters wiegen die Gefahren für den Jobmarkt mittlerweile etwas schwerer.
Beide stellen fest, dass die Teuerungsrate noch relativ deutlich über dem zweiprozentigen Inflationsziel liegt. Im September legte der Verbraucherindex nämlich auf Jahressicht um 3,0% zu. Folglich warnt Enrique Diaz-Alvarez, Chefökonom beim Finanzdienstleister Ebury, vor einer möglichen Überraschung. „Das Wirtschaftswachstum ist stabil, und trotz der Abschwächung gibt es keine Zeichen eines Aderlasses am Arbeitsmarkt“, sagt der Volkswirt. Obwohl die Märkte eine Zinssenkung bereits eingepreist haben, „sehen wir hier noch Raum für eine mögliche Enttäuschung“. Optimistischer ist das FedWatch Tool der CME Group, das die Wahrscheinlichkeit einer Lockerung am kommenden Mittwoch auf über 85% schätzt.
Neue Zins- und Konjunkturprognosen
Ebenso wichtig wie der Zinsbeschluss selbst werden Hinweise sein, die das FOMC auf den geldpolitischen Kurs wird. Die Währungshüter gingen nach ihrer Sitzung im September für die kommenden zwei Jahren von kleinen Schritten aus. Sowohl 2026 als auch 2027 rechneten sie mit jeweils einer Leitzinssenkung um 25 Basispunkte. Auch stehen neue Konjunkturprognosen an. Vorstellbar ist, dass die Fed ihre Prognose für die Arbeitslosenquote von 4,4% im kommenden Jahr nach oben revidieren wird. Die Unterstellung einer Kerninflation von 2,4% dürfte sich hingegen kaum verändern.
