Ehemaliger KfW-Vorstandssprecher

Hans W. Reich wird 80

Rückblickend erscheinen Finanzkrisen und Betrugsfälle offenkundig – doch konkret erkennbar sei ein Kollaps vorab keineswegs, sagt der ehemalige KfW-Vorstandssprecher Hans W. Reich. Der langjährige Bankmanager, der die Förderbank 2006 mit...

Hans W. Reich wird 80

Von Jan Schrader, Frankfurt

Rückblickend erscheinen Finanzkrisen und Betrugsfälle offenkundig – doch konkret erkennbar sei ein Kollaps vorab keineswegs, sagt der ehemalige KfW-Vorstandssprecher Hans W. Reich. Der langjährige Bankmanager, der die Förderbank 2006 mit Eintritt in den Ruhestand verlassen hat, war selbst viele Jahre im Aufsichtsrat von IKB und WestLB, neben anderen Mandaten. Er habe vor der Finanzkrise viele kritische Fragen gestellt und alles, was erkennbar war, thematisiert, betont er. Auch der Milliardenbetrug bei Wirecard war aus seiner Sicht trotz alarmierender Berichte der „Financial Times“ nicht in vollem Umfang erkennbar. „Gegen Betrug gibt es nichts“, sagt er der Börsen-Zeitung. Pessimistisch blickt er nach vorn: Das viele Geld der Notenbanken verschärfe die Gefahr eines Kollapses, der bisherige Krisen in den Schatten stelle.

Reichs Leidenschaft für Wirtschaftsfragen aller Art ist spürbar – und seine klare Haltung. Geprägt von der deutschen Bankkultur, die er lange mitgestaltet hat, blickt er ebenso skeptisch auf die staatlich gelenkten Staatsbanken Chinas wie auf das angelsächsisch geprägte Investment Banking, das er im Kern nicht als Bankgeschäft auffasst. Tiefe Einblicke gewährten ihm im Ruhestand die Tätigkeit als Vorsitzender des Aufsichtsrats der Citigroup Global Markets Deutschland und als Mitglied des Advisory Council der China Development Bank.

Das Bankgeschäft lernte der Sohn einer deutschen Flüchtlingsfamilie bei der Rhein-Ruhr-Bank, die später in der Dresdner Bank aufging. Bei der KfW stieg er bereits 1966 in die Exportkreditabteilung ein. Von 1990 an war er Mitglied des Vorstands, von 1999 bis 2006 Sprecher des Gremiums. Die Stunde der KfW, der als Kreditanstalt für Wiederaufbau be­kannt ge­­wordenen urdeutschen Ins­tituti­on, schlägt Reich zufolge in Krisenzeiten. Ihre Kernaufgabe sei es, die Kreditversorgung des Mittelstands si­cher­zu­stellen und so die Wirtschaftszyklen zu glätten.

Gute Kontakte pflegt Reich bis heute mit den KfW-Spitzen. Über Bankchef Günther Bräunig, den Reich 1989 zur Förderbank geholt hatte und der inzwischen selbst vor dem Ruhestand steht, äußert er sich durchweg lobend. Die deutsche Wirtschaft hat er in zahlreichen Aufsichtsratsmandaten beobachtet, etwa bei Deutscher Post und Telekom, Thyssenkrupp, Salzgitter oder der Aareal Bank. Mehr als einmal habe er sich für das Ausscheiden von Vorständen ausgesprochen, sagt er, ohne Unternehmen und Namen zu nennen. Leicht gefallen sei ihm das nicht, da ein solcher Schritt Führungskräfte aus ihrem Werdegang herausreiße.

Reich lebt in Kronberg am Fuße des Taunus nahe Frankfurt. Sein Mountainbike komme noch zum Einsatz, auch wenn er die anspruchsvolle Strecke auf den Feldberg heute nach eigenem Bekunden nicht mehr schafft. Zwei Enkelsöhne, die er in der Coronazeit leider kaum sehe, fehlen in seiner Aufzählung nicht. Großvater wurde er bereits kurz vor seinem 70. Ge­burtstag. Am morgigen Donnerstag läutet Reich sein neuntes Lebensjahrzehnt ein.