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20 Jahre Euwax: Bei Derivaten liegt Stuttgart vor Frankfurt

Von Werner Rüppel, Frankfurt Börsen-Zeitung, 26.9.2019 Für den 1. Oktober hat die Börse Stuttgart zum Börsenempfang 2019 eingeladen. Dabei möchte die Börse den 20-jährigen Geburtstag der European Warrant Exchange, kurz Euwax, ihres Handelssegments...

20 Jahre Euwax: Bei Derivaten liegt Stuttgart vor Frankfurt

Von Werner Rüppel, FrankfurtFür den 1. Oktober hat die Börse Stuttgart zum Börsenempfang 2019 eingeladen. Dabei möchte die Börse den 20-jährigen Geburtstag der European Warrant Exchange, kurz Euwax, ihres Handelssegments für verbriefte Wertpapiere, feiern. Bei der Würdigung dieser Innovation sollen auch Geschichten aus dem Leben der Euwax erzählt werden.Auf dieses Börsensegment stolz zu sein und darauf anzustoßen, hat die Börse Stuttgart guten Grund. Denn zum einen ist es ein großer Erfolg für sie, dass die zum 1. Juli 1999 gegründete Euwax binnen weniger Jahre zum größten Börsenplatz Europas für verbriefte Derivate aufgestiegen ist. Zum anderen, und das ist vielleicht sogar die noch größere Leistung, ist es der Euwax gelungen, trotz harter Konkurrenz aus Frankfurt, ihre Position als Nummer 1 zu behaupten. Denn die Umsatzstatistik des Deutschen Derivate Verbands (DDV) stellt klar: Der Großteil der Börsenumsätze mit Anlagezertifikaten und Hebelprodukten findet in Stuttgart statt. So betrug der Anteil der Euwax an den von Januar bis August getätigten Börsenumsätzen in Derivaten in Höhe von 24,8 Mrd. Euro 65,5 %, während Frankfurt auf 34,5 % kommt. Die Zahl der in Stuttgart gehandelten strukturierten Produkte beträgt inzwischen rund 1,9 Millionen, wofür hohe Rechnerkapazitäten notwendig sind. Im Gesamtjahr 2018 wurden übrigens mehr als drei Millionen Kundenorders an der Euwax in verbrieften Derivaten ausgeführt bei einem Umsatzvolumen von 28,2 Mrd. Euro. Insgesamt entfällt ein wesentlicher Teil der gesamten Umsätze an der Stuttgarter Börse auf Derivate, d. h. Stuttgart hat sich durch die Euwax zu einem wichtigen Finanzplatz entwickelt. Angeblich keine ZukunftEin Blick zurück verdeutlicht, was die Stuttgarter mit der Euwax geschaffen haben. In den achtziger und neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts galten die sogenannten Regionalbörsen wie Stuttgart, München, Hamburg, Berlin, Hannover oder Bremen nämlich als Auslaufmodelle, denen keinerlei Zukunft beschieden wurde. Nur die Frankfurter Börse, die in der 1992 gegründeten Deutschen Börse aufging, habe langfristig Perspektiven. Am besten sollte man alle Regionalbörsen gleich dichtmachen, so war damals mehrfach zu hören. “Ich kann mich jedenfalls an mehrere in Frankfurt in Auftrag gegebene Gutachten erinnern, mit denen auf die Zentralisierung des Handels am Main hingearbeitet werden sollte”, erzählt Hans-Peter Bruker, einer der Gründer der Euwax im Interview. Und in der Tat haben auch nicht alle Regionalbörsen überlebt.Zugleich herrschten in den achtziger und neunziger Jahren, als die ersten strukturierten Produkte für Privatanleger geschaffen wurden, auch Defizite bei Markttransparenz und der Ausführung von Orders. So sollen Anleger damals beim Kauf oder Verkauf von Derivaten von Börsenmaklern schon einmal geschnibbelt oder insgesamt nicht fair behandelt worden sein.Kursmakler Bruker und andere haben in den neunziger Jahren in Stuttgart den Wettbewerb der Börsen angenommen und neue Angebote für den Privatanleger geschaffen. “Entscheidend war, dass alle Akteure an einem Strang gezogen haben”, sagt Bruker. Dass es gelang, Limitorders bei Optionsscheinen in Stuttgart viel schneller als anderswo auszuführen, wurde zum Wettbewerbsvorteil.Ein konsequenter Schritt war dann die Gründung des Euwax-Handelssegments vor gut 20 Jahren. Weil sich die Stuttgarter konsequent auf strukturierte Produkte und die Anforderungen von Privatanlegern konzentrierten, kletterten die Umsätze in Stuttgart rapide. Die Emittenten haben das rasch erkannt und entsprechend ihre Produkte an der Euwax gelistet. Die Orders flossen eben doch nicht automatisch nach Frankfurt oder dann später auf Xetra, das elektronische Handelssystem der Deutschen Börse. Zumal, nebenbei bemerkt, Xetra bei Aktien aufgrund von teuren Teilausführungen bei Privatanlegern in Verruf geraten ist, was aber wohl eher an den Konditionen von manchen Discount-Brokern als an der Deutschen Börse liegen mag. Klarer Fokus PrivatanlegerLaut den Emittenten strukturierter Wertpapiere waren die Stuttgarter mit der Euwax die Ersten, die ihr Angebot komplett an den Bedürfnissen von Privatanlegern ausgerichtet haben. Allerdings habe Frankfurt inzwischen bei vielem nachgezogen, so dass die Unterschiede nicht mehr groß seien. Die meisten Emittenten listen ihre Produkte denn auch in Stuttgart und Frankfurt. Gleichwohl hätten natürlich private Anleger einen höheren Stellenwert in Stuttgart als bei der Deutschen Börse, die natürlich zu allererst auf institutionelle Anleger ausgerichtet sei. Positiv wird auch gesehen, dass man in Stuttgart zahlreiche Informationen für die sogenannten Selbstentscheider anbietet bis hin zum Börse-Stuttgart-TV.In den vergangenen Jahren hat die Euwax eine Vielzahl von Maßnahmen unternommen, um ihr Angebot an Privatanleger weiter zu verbessern. 2004 wurde das Transaktionsentgelt für den Handel mit verbrieften Derivaten gedeckelt. Im Jahr 2016 hat Stuttgart den börslichen Soforthandel eingeführt. Und im April 2018 hat die Börse Stuttgart die Handelszeiten erweitert: Ein Großteil der verbrieften Derivate kann seitdem von 8 bis 22 Uhr gehandelt werden.Gleichwohl gibt es eine starke Konkurrenz für die Euwax. Dies ist weniger Frankfurt als vielmehr der außerbörsliche Direkthandel mit den Emittenten. Diese bieten ihre Produkte inzwischen zu meist durchaus engen Spreads und häufig auch von früh bis spät an. Marktteilnehmer gehen davon aus, dass rund 70 % der Umsätze bei strukturierten Produkten außerbörslich getätigt werden.Eine Börse hat zwar den Vorteil, dass sich innerhalb des von den Emittenten gestellten Spreads für ein Produkt, der auch an der Börse einfließt, dort noch ein noch günstigerer Preis mit engerem Spread bilden kann. Zudem wird der Handel bei Börsen überwacht. Doch gilt es stets ein Angebot für den Privatanleger zu schaffen, das überzeugt. In Stuttgart bei der Euwax wissen sie das. Interview mit Euwax-Gründer Hans-Peter Bruker auf Seite 2