"Aktienzyklus weit fortgeschritten"
Auch wenn der Konjunktur- und ebenso der Aktienmarktzyklus weit fortgeschritten ist, haben Dividendentitel durchaus noch etwas Potenzial nach oben, glaubt Julius Bär. Die Bank hält das aktuelle Umfeld für den Dollar günstig und erwartet, dass der Yen nachgeben wird.ck Frankfurt – Julius Bär ist für die Aussichten der Aktienmärkte im zweiten Halbjahr verhalten optimistisch. Die politischen Risiken hätten sich letztlich als überraschend gering erwiesen, erklärte David Kohl, Chefvolkswirt Deutschland der Bank, am Mittwoch in einem Pressegespräch. So hätten sich die mit Trump verbundenen Befürchtungen für den Welthandel nicht bewahrheitet; der Welthandel sei im ersten Halbjahr sogar gestiegen.”Das mit der Politik ist aber noch nicht vorbei”, so Kohl unter Hinweis auf die spätestens im Mai 2018 anstehenden Wahlen in Italien. Das Populismus-Risiko sei insbesondere in Ländern mit hoher Einkommensungleichheit hoch, und in dieser Hinsicht steche neben den USA und Großbritannien Italien hervor. Die politischen Risiken würden in diesem Jahr jedoch durch die positive Konjunkturdynamik überschattet, und die strahle positiv auf die Kapitalmärkte ab. EZB hält Füße stillAbgeebbt sei allerdings die Fantasie, dass es durch Trump zu einem weiteren Schub für die Konjunktur kommen wird. Diesbezüglich sei ebenso wie in Sachen Protektionismus bislang nichts passiert. An den Märkten werde mittlerweile das Gegenteil gespielt, was ebenso übertrieben sei wie die vorangegangene Reflationsfantasie. Der Übergang von Deflation zu Inflation sei ein langfristiger Prozess, der unabhängig davon passiere, wer im Weißen Haus sitze. Grund der Reflation ist Kohl zufolge der immer enger werdende Arbeitsmarkt und der sich daraus ergebende Lohnauftrieb in den USA, den es so in Europa und Japan nicht gebe. Dies und die Euro-Stärke würden dafür sorgen, dass die EZB weiterhin die Füße stillhalten werde. Im kommenden Jahr werde es bezüglich der Rückführung und Beendigung der Anleihekäufe weiterhin verbale Ankündigungen in Trippelschritten geben. “Abschwung 2018 oder 2019″Ein Risiko sei, dass der US-Konjunkturzyklus weit fortgeschritten sei. Er sei bereits der drittlängste Zyklus der Nachkriegsgeschichte. Das bedeute aber nicht automatisch, dass innerhalb der nächsten sechs Monate ein Abschwung beginnen werde. Kohl ist der Auffassung, dass die Fed mit ihren Leitzinsen richtig handelt. Der Konjunkturzyklus könne noch etwas länger laufen, weil die Gesamtdynamik geringer sei als in den langen Zyklen der 60er und 90er Jahre. “Den Abschwung taxieren wir auf die Jahre 2018 oder 2019, wenn wir ein bisschen mehr von der Notenbank gesehen haben.Das Ausmaß der im kommenden Jahr anstehenden Leitzinsanhebungen der Fed werde vom Markt unterschätzt. Das sei ein gutes Umfeld für den Dollar, allerdings gegen andere Währungen als den Euro. “Wir sehen den Dollar und den Euro stark gegen Währungen wie den Yen.” Ferner gebe es Wachstumsrisiken in China und Risiken aufgrund des Auslaufens der positiven Konjunkturüberraschungen. China und eine wahrscheinliche Dollar-Knappheit bedeuteten Gegenwind für Schwellenländeranlagen.”Der US-Aktienmarktzyklus ist weit fortgeschritten”, sagte Lutz Welge, Leiter der Vermögensverwaltung bei dem Schweizer Institut. Der aktuelle Börsenaufschwung sei mit 431 Wochen der längste der Nachkriegsgeschichte; die durchschnittliche Länge liege bei 170 Wochen, so Welge, der auf Rückschlagsrisiken verwies. Der Durchschnitt unterjähriger Korrekturen im Dax liege bei 18 %, und extreme unterjährige Korrekturen von bis zu 50 % seien keine Seltenheit. Allerdings seien früheren extremen Korrekturen höhere Zinsen vorangegangen, wovon jetzt nichts zu sehen sei. Zudem sei in den zurückliegenden Bullenmärkten das letzte Jahr stets das stärkste gewesen. “Der Zyklus kann bis 2018 weitergehen, und dann muss man etwas vorsichtiger sein.”Besonders in Deutschland bzw. Europa sei die Dividendenrendite weiterhin deutlich höher als die Staatsanleiherenditen. Trotz diverser Krisen seien die Dividenden seit 1970 um durchschnittlich 6 % p. a. gestiegen. Gleichzeitig befänden sich die Zinsen weiterhin in der Nähe ihres Rekordtiefs. Zwar wisse jeder, dass die Renditen nicht mehr sinken könnten. Zinswenden dauerten aber lange, insbesondere nach einem derart langen Rückgang. Europa zieht an USA vorbeiDie Bewertung des Dax sei nach wie vor günstig, die von US-Aktien höher, aber noch nicht im kritischen Bereich. Die Unternehmensgewinne profitierten von der robusten Gewinnentwicklung und wiedergewonnenen Spielräumen, die Absatzpreise zu erhöhen. Die Gewinnschätzungen sänken nicht mehr, sondern stiegen, vor allem in Europa. Bei der Entwicklung des Gewinnwachstums je Aktie ziehe Europa an den Vereinigten Staaten vorbei.Welge hob unter den Branchen unter anderem Technologieaktien positiv hervor. Diese Branche habe seit Jahresbeginn outperformt. Die aktuelle Korrektur sei auf normale Gewinnmitnahmen zurückzuführen und nicht auf operative Gründe, so dass sich eine Gelegenheit für Zukäufe ergebe. Ferner hätten Bankenaktien nach ihrer langen Underperformance Aufholpotenzial. Für die Branche sprächen unter anderem eine stärkere Kreditvergabe, steigende Kundenaktivitäten und höhere Anlagevolumina.