GELD ODER BRIEF

An Nidec scheiden sich die Geister

Von Martin Fritz, Tokio Börsen-Zeitung, 5.5.2017 Die japanische Nidec Corporation ist ein Hersteller von Präzisionsmotoren für elektronische Geräte (75 % Marktanteil bei Festplatten) sowie elektronischen und optischen Komponenten. Unter Führung von...

An Nidec scheiden sich die Geister

Von Martin Fritz, TokioDie japanische Nidec Corporation ist ein Hersteller von Präzisionsmotoren für elektronische Geräte (75 % Marktanteil bei Festplatten) sowie elektronischen und optischen Komponenten. Unter Führung von Gründer Shigenobu Nagamori expandiert die Gruppe jedoch in die Bereiche Maschinenbau und Industrieprodukte. Die Aktie des 54 Jahre alten Unternehmens ist im Topix 100 mit den 100 schwersten Werten an der Tokioter Börse enthalten. Im Visier von Muddy WatersAn dem Papier scheiden sich die Geister. Im Japan-Ranking für Corporate Governance des Finanzdienstleisters Institutional Investor steht Nidec im Elektronik- und Komponenten-Bereich seit 2013 an der Spitze. Im Vorjahr war Nidec eins von drei Unternehmen in Japan mit der Bestnote in allen Kategorien. Dagegen wurde Nidec von dem Leerverkäufer Muddy Waters Capital im Dezember “hoch aggressive Bilanzlegung” vorgeworfen. Umsatz- und Gewinnziele würden regelmäßig verfehlt, heißt es in einem 53-seitigen Bericht von Muddy Waters. Die Aktie werde daher mehr als die Hälfte ihres Wertes verlieren. Bisher hat sich diese Prognose nicht erfüllt. Aktuell steht das Papier ungefähr auf dem Niveau vom zurückliegenden Dezember. Offenbar als Antwort auf den Angriff des Leerverkäufers kündigte Nidec zum Jahreswechsel den Rückkauf von bis zu 1,7 % eigener Aktien für 50 Mrd. Yen (410 Mill. Euro) an. Das scheint den Markt beruhigt zu haben, obwohl Nidec bis heute keine einzige Aktie zurückkaufte. Dies wurde Ende Januar mit nicht näher spezifizierten formalen Beschränkungen und dem hohen Aktienpreis begründet. Hoch bewertetTatsächlich sind die Nidec-Anteile beim aktuellen Preis von 10 260 Yen mit einem laufenden Kurs-Gewinn-Verhältnis von 27 und einem Kurs-Buch-Verhältnis von 2,5 relativ zu Nikkei 225 und Topix ziemlich teuer. Auch die Dividendenrendite von knapp 0,9 % liefert kein Kaufargument. Dennoch sind viele Analysten optimistisch gestimmt. Akinori Kanemoto von Credit Suisse konstatiert ein Aufwärtspotenzial von knapp 50 %. Manabu Akizuki von Nomura gab ein Kursziel von 12 300 Yen aus, ein Fünftel mehr als zuletzt. Laut Reuters-Daten halten sechs Analysten Nidec für einen Kauf, 14 stufen die Titel mit “Outperform” ein, zwei plädieren für “Hold”, einer rät zum Verkauf.Für Dissens bei der Bewertung sorgen Unternehmenschef Nagamori und seine spezielle Philosophie. Er gründete Nidec 1973 in einer Hütte neben dem Bauernhaus seiner Eltern in Kyoto. Seine Erfolgsformel lautet: “Tue es jetzt, tue es ohne Zögern, und tue es bis zur Vollendung.” Sein Unternehmen wuchs anders als sonst in Japan üblich in erster Linie durch Zukäufe von vielen kleinen Firmen. Bisher wurden insgesamt 54 Unternehmen übernommen, rund die Hälfte davon im Ausland. Vor allem dadurch konnte Nagamori den Umsatz der Gruppe von 100 Mrd. Yen in 1998 innerhalb von 16 Jahren auf 1 Bill. Yen (8,2 Mrd. Euro) steigern. Als neues Umsatzziel hat der charismatische Unternehmer 2 Bill. Yen für 2020 bei einer Marge von 15 % und einer Eigenkapitalrendite von 187 ausgerufen. Die wichtigste Basis soll das Wachstum der Automobilsparte sein. Bis 2030 will er den Umsatz sogar auf 10 Bill. Yen (82 Mrd. Euro) steigern. Diese Ziele erscheinen aus heutiger Sicht sehr ambitioniert. Zudem will der 72-jährige, der sich keinen einzigen Tag Urlaub gönnt und 16 Stunden täglich arbeitet, sein Imperium bis 2030 selber führen. Er wäre dann 85. Akquisitionen in DeutschlandSeit etwa einem Jahrzehnt verringert der umtriebige Unternehmer, dem 12 % von Nidec gehören, seine Abhängigkeit von Präzisionsmotoren. Ihr Anteil am Umsatz ist von 51 % in 2005 auf 36 % in 2016 geschrumpft, während sich der Gruppenumsatz mehr als verdreifachte. Als weitere Säulen wurden Komponenten für Automobile und Haushaltsgeräte aufgebaut, auch dies durch Übernahmen, darunter Ende 2014 die Thüringer GPM, größter Hersteller von Pumpen für Schmier- und Kühlmitteln in Automobilen. Der jüngste Zukauf vergangene Woche galt der deutschen Secop, ein Hersteller von Kompressoren für Kühlschränke, für 185 Mill. Euro. Nach eigenen Angaben vermeidet Nagamori die Gefahr der Abschreibung von Goodwill in seiner Bilanz durch günstige Kaufpreise.Die Geschäftszahlen für das jüngste Geschäftsjahr (per 31. März.) können sich sehen lassen: ein operativer Gewinn von 140,3 Mrd. Yen (+19,3 %) bei einer Marge von 11,7 %; ein Nettogewinn je Aktie von 376,7 Yen (+24,3 %); eine Kapitalrendite von 13,9 % (+2 Punkte). Die vielen Akquisitionen verursachten allerdings einen negativen freien Cash-flow von 82 Mrd. Yen. Das dürfte ein Sorgenpunkt bleiben, da Nidec bis 2020 weitere Zukäufe für 500 Mrd. Yen (4,1 Mrd. Euro) ankündigt hat. Dabei will Nagamori darauf achten, dass die Gruppe mehr Module statt einzelner Teile verkaufen kann, um Mehrwert zu erzeugen. Zudem steigen im neuen Geschäftsjahr die Kapitalausgaben um 45 % auf 100 Mrd. Yen und die F&E-Ausgaben um 14 % auf 60 Mrd. Yen. Dennoch fällt die Prognose für 2017 mit einem Gewinn von 125 Mrd. Yen (+12 %) bei einem Umsatz 1,35 Bill. Yen (+13 %) zuversichtlich aus.Der Optimismus der Analysten beruht u.a. auf dem zunehmenden Einsatz von Elektromotoren in Automobilen aufgrund der wachsenden Verbreitung von stärkeren 48- Volt-Batterien, etwa für Dämpfung, Bremsen, Öl- und Wasserpumpen sowie Kompressoren. Ihre Zahl je Fahrzeug soll von 2015 bis 2020 um ein Fünftel auf 50 Stück wachsen. Das ergäbe ein jährliches Wachstum von 4 %. Der gesamte Motormarkt im Autobereich werde bis 2030 mit 6 % pro Jahr wachsen, schätzt Analyst Kanemoto von Credit Suisse. Nomura-Analyst Manabu Akizuki wiederum ist überzeugt von der Nidec-Strategie, auf den Vormarsch von bürstenlosen Gleichstrommotoren zu setzen. Zudem folgt Akizuki drei Versprechen von Nidec: Kostensenkungen zur Steigerung der Bruttomarge von 23,9 % auf 30,9 % bis 2020; die Synergien durch die Zukäufe sollen die operative Marge im Motorbereich zunächst auf 10 % und dann auf 15 % erhöhen; ein Fokus auf berührungsempfindliche Geräte mit einer Umsatzsteigerung auf 100 Mrd. Yen.