Anleihe-ETFs bieten enormes Wachstumspotenzial
Anleihe-ETFs bieten enormes Wachstumspotenzial
Anleihe-ETFs bieten enormes Wachstumspotenzial
Produkte haben aufgrund des Zinsniveaus an Attraktivität gewonnen – Leichter und einfacher Zugang zum Segment der Corporates
kjo/wrü Frankfurt
Weltweit und in Europa sind die in Anleihe-ETF angelegten Gelder in den vergangenen Jahren kräftig gewachsen. Dabei weckt das wieder erhöhte Zinsniveau die Nachfrage, vor allem bei ETFs auf Unternehmensanleihen. Aufgrund der schieren Größe des Anleihemarkts ist das Wachstumspotenzial riesig.
Manche unbedarfte Beobachter setzten die Kapitalmärkte mit Aktien gleich. Dabei sind Anleihen der größere Markt. Denn in festverzinslichen Wertpapieren ist weltweit mehr Geld angelegt als in Dividendentiteln. Hinzu kommt, dass vor allem etliche institutionelle Investoren wie Versicherungen oder Pensionskassen bevorzugt oder allein in Anleihen investieren. Nun hat der Markt für Festverzinsliche eine Menge Eigenheiten, und der Zugang zu bestimmten Papieren ist mitunter nicht einfach oder sogar gar nicht möglich.

Doch können ETFs einen kostengünstigen Zugang zu Märkten eröffnen, auch zu solchen, in die nicht immer einfach zu investieren ist. In den vergangenen Jahren hat sich die globale ETF-Industrie neben Aktien auch das Segment der Anleihen-ETFs mit zahlreichen Produkten erschlossen. Inzwischen sind bereits mehr als 3 Bill. Dollar in Fixed-Income-ETFs angelegt und die jährliche Wachstumsrate beträgt auf Sicht der vergangenen zehn Jahren 22%, stellt J.P. Morgan Asset Management (AM) fest. Bei gleichbleibenden Wachstumsraten könnte nach Schätzung des Assetmanagers das weltweit verwaltete Vermögen in Anleihen-ETFs bis 2030 auf über 6 Bill. Dollar steigen, davon rund 1,7 Bill. Dollar in aktiven Strategien, sprich aktiven ETFs.
Emissionsmotor brummt
Mit einem Wachstum von 27% im Jahr haben Anleihen ETFs bei den europäischen Ucits-Produkten noch stärker als global und in den USA zugelegt. Inzwischen sind per Ende Oktober bereits 614 Mrd. Dollar in Europa in Fixed-Income-ETFs angelegt, stellt J.P. Morgan AM fest. Und im November flossen europäischen Anleihe-ETFs nach Angaben von State Street Investment Management weitere 7,3 Mrd. Dollar zu.

Das Wachstumspotenzial für Anleihe-ETF ist jedenfalls enorm. Den noch immer sind der Großteil der in Anleihen investierten Gelder aktiv als Direktinvestments oder in herkömmlichen offenen Anleihefonds angelegt. Wandert nur ein Teil dieser Gelder in Anleihe-ETF, wird dieses Segment kräftig wachsen. Dabei brummt aktuell der Emissionsmotor so richtig. Beinahe täglich werden mehrere Anleihe-ETFs oder Cash-ETFs, die als Geldmarktersatz dienen, aufgelegt. So hat zum Beispiel die DWS gerade ihre ETF-Palette um fünf ESG-Produkte auf Staatsanleihen der Eurozone erweitert. Und Vanguard hat erstmals einen Euro-Cash-ETF begeben.
Skepsis gegenüber Staaten
Anleihe-ETFs haben bei Anlegern vor allem in diesem Jahr an Attraktivität gewonnen. Das hat verschiedene Gründe. „Der wichtigste Punkt ist aktuell natürlich das Zinsniveau. Nach über zehn Jahren sehr niedriger bis negativer Zinsen, können Anleger heute wieder mit moderaten Risiken Renditen oberhalb von 3% realisieren, wie beispielsweise mittels Euro-Investment-Grade-Unternehmensanleihen“, sagt David Wenicker, Leiter des Wealth-Geschäfts bei Blackrock in Deutschland. Insgesamt rentieren nach wie vor ca. 60% des Anleihemarktes oberhalb von 4%.
Zudem bieten ETFs laut Wenicker eine einfache und kostengünstige Möglichkeit, von den Entwicklungen an den Anleihemärkten zu profitieren. Insbesondere Unternehmensanleihemärkte sind weiterhin mittels Einzelinvestments nur aufwändig und begrenzt diversifizierbar zu erwerben. Der Grund dafür ist, dass diese Anleihen weiterhin größtenteils nur außerbörslich (OTC) gehandelt werden und oft hohe Mindest-Investment-Volumen (zumeist 100.000 Euro pro Anleihe) erfordern.
Wenicker macht in diesem Jahr bei Investoren in Anleihe-ETF drei Haupttrends aus. „Anders als in den Jahren zuvor waren Zuflüsse in Staatsanleihe-ETFs nicht der alleinige dominante Treiber, sondern wurden in diesem Jahr von ETFs für Unternehmensanleihen begleitet. Insgesamt sind mit 24,7 Mrd. Dollar sogar leicht mehr Mittel in Unternehmensanleihen geflossen als in Staatsanleihen-ETFs mit 24 Mrd. Dollar“, sagt Wenicker. Hier spiegele sich die steigende Skepsis gegenüber Staaten mit zunehmenden Verschuldungsraten wider. Außerdem könnten Unternehmensanleihen attraktive Renditen bei gleichzeitig fundamental begründeten geringen Kreditrisikoaufschlägen bieten.
Neu entdeckte Anlageklasse
Eine neu entdeckte Anlageklasse seien die Geldmarkt-ETFs. Nach Staats- und Unternehmensanleihen sei dies die Anlageklasse, die mit ca. 12 Mrd. Dollar die dritthöchsten Mittelzuflüsse auf sich vereinen konnten. „Anlegern ist es mit diesen Produkten zunehmend möglich, unabhängig von Tagesgeld- und Sparkonten, bei denen Banken die Zinsgestaltung vornehmen, ihre Gelder mit geringstem Durations- und Kreditrisiko anzulegen. Geldmarkt-ETFs orientieren sich zumeist am ESTR-Zinssatz, der höher liegen kann als der Zinssatz auf Sparkonten“, hält Wenicker fest. Vorsicht sei dennoch geboten, da bei Geldmarkt-ETF nie Einlagensicherung gelte, denn es handele sich um ein Investmentprodukt, das mittels Diversifikation oder anderer Sicherungsmechanismen Risiken steuere.
Des Weiteren sieht Wenicker einen Trend zu kürzeren Laufzeiten. „Über 70% der diesjährigen Mittelzuflüsse weisen eine Dauer von unter fünf Jahren auf. Vor allem bei in Dollar denominierten Assets zeigt sich dieser Trend deutlich. Ein Grund für die Kombination aus kürzerer Laufzeit und Dollar-Anlagen könnte die zunehmende Sorge der Anleger vor der US-Inflation sein. Dies zeigt sich auch in den Zuflüssen von 600 Mill. Dollar in Dollar-Inflationsbonds“, sagt er. Hinzu komme, dass Investoren das aktuelle Term-Premium – also der Zinsaufschlag für längere Laufzeiten – von Dollar-Anlagen als unzureichende Kompensation für die Risiken Inflation und Staatsverschuldung einschätzen würden.
„Aktive Anleihen-ETFs gehören zu den am schnellsten wachsenden Segmenten des ETF-Markts“, analysiert J.P. Morgan AM. Bis Anfang August hätten die weltweiten Mittelzuflüsse in aktive Anleihen-ETFs rund 100 Mrd. Dollar betragen, und damit ein Drittel der Zuflüsse aller Anleihe-ETFs ausgemacht. „Der Trend ist eindeutig: Anlegerinnen und Anleger suchen im Anleihebereich gezielt nach aktivem Management, und nutzen dafür zunehmend die ETF-Struktur“, erklärt Ivan Durdevic, Head of ETF-Distribution für Deutschland, Österreich, die Schweiz sowie Zentral- und Osteuropa bei J.P. Morgan AM. „Aktive ETFs verbinden die Vorteile eines professionell gemanagten Portfolios mit der Flexibilität, Transparenz und Liquidität, die Anleger an ETFs schätzen.“
Riesiger Markt
Dass gerade im Anleihensegment die Bedeutung von aktiv gemanagten ETFs rasant steige, habe mit den Besonderheiten des Rentenmarkts zu tun. Denn dieser sei mit einem Volumen von rund 141 Bill. Dollar und mehr als drei Millionen handelbaren Wertpapieren weltweit riesig. Der globale Aktienmarkt umfasse nur rund 9.000 Titel. „Die Vielfalt an Laufzeiten, Bonitäten und Emittenten im Anleihensegment schafft Chancen, aber auch Ineffizienzen. Für aktives Management ist das ein prädestiniertes Umfeld“, erklärt Durdevic.
Zudem bildeten Anleihenindizes, anders als Aktienindizes, die relativ konzentriert seien, nur einen Teil des tatsächlichen Marktes ab. Im Bloomberg US Aggregate Bond Index sind nach einer Analyse von J.P. Morgan AM beispielsweise fast die Hälfte aller handelbaren US-Anleihen gar nicht enthalten.
Vorteile aktiver Strategien
Aktive Anleihenmanager könnten die Duration steuern, auf Bonitätsveränderungen reagieren und ihre Allokationen gezielt an Marktphasen anpassen. Die Vorteile des aktiven Managements schlage sich auch in der Performance nieder: Bei Kernanleihestrategien, die sich am Global Aggregate Bond Index orientieren, konnten aktive Manager ihre passiven Pendants über drei-, fünf- und zehnjährige Zeiträume hinweg übertreffen, so die Analyse von J.P. Morgan AM.
Während sich aktive Strategien wachsender Beliebtheit erfreuten, enthielten selbst passive Anleihen-ETFs in der Praxis Elemente aktiven Managements. Denn weil es häufig zu komplex und kostspielig wäre, alle Anleihen eines Index zu halten, würden passive ETFs typischerweise auf Sampling-Methoden zurückgreifen: Sie investierten nur in eine Auswahl der Indexwerte, die dessen Performance möglichst genau widerspiegeln soll. So hielten beispielsweise die drei größten passiven Kernanleihen-ETFs im Durchschnitt nur rund 83% der Indexpositionen – die restliche Struktur werde aktiv optimiert, um die Nachbildung zu verbessern.
„Die Trennlinie zwischen aktiv und passiv ist im Anleihebereich fließender als viele denken“, kommentiert Durdevic. „Gerade in weniger liquiden Marktsegmenten sind aktive Entscheidungen unvermeidlich, entweder indem sie ganz bewusst getroffen werden oder implizit im Indexdesign liegen."
