Kryptowährungen

Augen auf beim Bitcoin-Kauf

Das Chartbild des Bitcoin stellt sich derzeit neutral dar. Anleger sollten Chart-Signale abwarten, ehe sie Neuengagements eingehen oder alte auflösen.

Augen auf beim Bitcoin-Kauf

Von Frederik Altmann*)

Am Bitcoin scheiden sich die Geister. Während der eine Marktexperte der meistbeachteten Kryptowährung immer höhere Kursziele weit ins Sechsstellige hinein zutraut, gibt es auf der anderen Seite nicht wenige, die den Wert eher Richtung 0 Dollar sehen. In diesem Spannungsfeld schwankt der Bitcoin heftig. Erstaunlicherweise kommt die Kryptowährung 2021 per saldo kaum vom Fleck. Das zeigt der Blick auf die seitwärts gerichtete 200-Tage-Linie als langfristiger Trendindikator. Fakt ist, der Bitcoin hatte im Oktober seine Rekordjagd noch mal aufgenommen und ist um etwa 70% nach oben gesprintet bis auf ein Hoch bei 66980 Dollar. Auf Jahressicht summierte sich das Plus so­gar auf etwa 500%. Aktuell hat sich die Währung aber festgefahren und legt bei Kursen über 60000 Dollar eine Atempause ein. Dabei lohnt sich ein Blick auf die Technik, um zu sehen, wo wichtige Marken liegen, an denen Anleger aktiv werden, und wohin die Reise dann geht.

Dass der Bitcoin nach dem steilen Anstieg erst mal konsolidiert, ist normal. Diese Phase kann sich als Pause im Aufwärtstrend entpuppen, wie beispielsweise im Januar dieses Jahres, oder aber auch eine nachhaltige Korrekturbewegung nach sich ziehen, wie im Mai.

Der MACD (unterer Chart) deutet markttechnisch auf eine bevorstehende Korrektur hin. Der Indikator hat kurz nach dem Rekordhoch des Bitcoin seine Signallinie von oben nach unten durchschnitten und damit ein Verkaufssignal gegeben. Der MACD bildet die Bewegung unterschiedlich langer gleitender Durchschnitte (des durchschnittlichen Kurses über einen Zeitraum) zueinander ab. Ein kurzer Durchschnitt reagiert sensibler auf eine Beschleunigung im Kursverlauf als ein langer, so dass der Abstand zwischen den Linien bei steigender Kursdynamik zunimmt (Divergenz). Kühlt sich das Geschehen dagegen ab, nähern sich auch die Linien wieder einander an (Konvergenz).

Beim Bitcoin hat die Kursdynamik abgenommen. Der positive Im­puls durch das neue Rekordhoch, das in der technischen Analyse ein klassisches Kaufsignal darstellt, konnte die Währung im Oktober kaum noch beflügeln. Das Vorgängerhoch von 64900 Dollar wurde mit plus 2080 Dollar „für Bitcoin-Verhältnisse“ kaum noch überboten. Stattdessen ist die Währung in die Widerstandszone zwischen 59600 und etwa 63000 Dollar zu­rückgefallen. Hier wirken vergangene Hochpunkte aus dem Frühjahr und Sommer dieses Jahres wie ein Bremsklotz auf den Kurs (Horizontalen). Neuralgischer Punkt nach unten ist das jüngste Tief bei 57690 Dollar. Rutschen die Kurse unter diese Marke, ist mit Anschlussverkäufen beim Bitcoin zu rechnen. Gewinnmitnahmen sollten sich verstärken. Diese führen den Kurs dann wahrscheinlich auf seine erste leichte Unterstützung bei 52950 Dollar am September-Hoch. Regelmäßig wird der erste Haltepunkt aber zunächst einmal durchschlagen. Daher könnte auch ein Test der 200-Tage-Line bei 45200 Dollar anstehen. Denn die 200-Tage-Linie als Hinweis auf den langfristigen Trend wirkt oft wie ein Magnet auf die Kurse, die regelmäßig um diesen Wert schwanken. Haben sich die Preise ungewöhnlich weit in die eine oder andere Richtung entfernt, bewegen sie sich im Anschluss oft wieder auf die Linie zurück. Das zeigt nicht zuletzt der Bitcoin-Verlauf im Sommer. Am Rekordhoch lag der Kurs fast 50% über seinem langfristigen Schnitt. Das signalisiert Korrekturbedarf bei der Kryptowährung.

Ob der Bitcoin dagegen zu einer neuerlichen Rekordjagd ansetzen kann, entscheidet sich aus technischer Sicht am bisherigen Hoch bei 66980 Dollar. Kann er diese Marke hinter sich lassen, wäre das ein neues klares Kaufsignal als Vorbote deutlich höherer Kurse. Die derzeitige Atempause der Kryptowährung hätte dann geholfen, neue Kraft für einen weiteren Sprint zu sammeln.

Die aktuelle Konsolidierung stünde als „Flagge“ im fortgesetzten Aufwärtstrend. Eine gegen den Verlauf geneigte Seitwärtsphase steht oft in der Mitte einer Kursbewegung. Im Bitcoin ist ein solches Verhalten zum jüngsten Jahreswechsel zu beobachten. Der be­schleunigte Anstieg seit September war von einer Konsolidierungsphase im Januar unterbrochen worden, bevor im Februar ein neuer steiler Anstieg folgte. Dieser verdoppelte die initiale Bewegung bis auf das Zwischenhoch bei 58500 Dollar. Auf die aktuelle Chartlage übertragen eröffnete solch ein „measured move“ dem Bitcoin beim Sprung über das alte Hoch ein rechnerisches Anschlusspotenzial bis gut 85000 Dollar. Ein weiteres Argument für Bitcoin-Bullen bietet die Saisonalität. In den vergangenen elf Jahren hat der Bitcoin in acht Fällen einen klar positiven Jahresausklang verzeichnet. Der Preis konnte in diesen Jahren im November und Dezember im Schnitt prozentual klar zweistellig zulegen.

Chart-Signale abwarten

Allgemein erarbeitet die technische Analyse Wahrscheinlichkeitsaussagen. Die Frage ist, wie reagieren Kurse typischerweise in be­stimmten Situationen. Beim Bitcoin heißt das, wenn der Preis ein neues Rekordhoch erreicht, ist mit An­schlusskäufen in Richtung 85000 Dollar zu rechnen. Wenn dagegen die Unterstützung bei 57690 Dollar fällt, wird sich die Kryptowährung wahrscheinlich in Richtung 200-Tage-Linie bei 45200 Dollar bewegen. Im aktuell neutralen Chartbild sollte sich somit Geduld lohnen, bevor Anleger Neuengagements eingehen oder alte auflösen.

*) Frederik Altmann ist Invest­mentanalyst bei Alpha Wertpa­pier­handel.