GastbeitragAnlagethema im Brennpunkt (313)

Bank of Japan: Endet die Zentralbankverwaltungswirtschaft?

Statt eines strikten Renditelevels strebt die Bank of Japan seit Anfang November 2023 einen Referenzwert an. Diesen dürfte sie vorerst mit gezielten Ankäufen von Bonds flankieren und moderat verteidigen.

Bank of Japan: Endet die Zentralbankverwaltungswirtschaft?

Expansive Bank of Japan leitet Kehrtwende ein

Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt (313)

Weltweit haben Zentralbanken in der vergangenen Dekade zu voluminösen Anleihekaufprogrammen gegriffen (Quantitative Easing). Die Finanzierungszinsen von Unternehmen, Haushalten und Staaten wurden so im mittleren und längeren Laufzeitenbereich gesenkt. Da die Leitzinsen die Nulllinie erreicht hatten, wurde das Ankaufen von Anleihen das Hauptsteuerungsinstrument der Zentralbanken.

Im Universum der größten Zentralbanken ging die Bank of Japan (BoJ) noch einen Schritt weiter und gab der Rendite zehnjähriger japanischer Staatsanleihen (JGBs) – im Rahmen ihrer Yield-Curve-Control (YCC) – ein festes Limit (damals in Höhe von 0%). Dieses Limit wurde quasi der neue Leitzins. Nachdem die Notenbank die obere Begrenzung zehnjähriger JGBs in der Zwischenzeit auf 0,5% heraufgesetzt hatte, hob sie das Limit im Juli dieses Jahres abermals an; auf 1,0%. Gleichzeitig beließen die Währungshüter den Leitzins in negativem Terrain. Während die Geldpolitik außerhalb Japans in den großen Industrienationen infolge der Inflationsschocks der vergangenen Jahre restriktiv gestaltet wurde, blieb die geldpolitische Ausrichtung in Japan also ultraexpansiv. Bis zum 31. Oktober 2023. Unseres Erachtens leitete die BoJ an diesem Tag das unweigerliche Ende der YCC ein. Aber der Reihe nach.

Auch die BoJ hat ein Mandat, welches Preisstabilität vorsieht. Nach Deflationsdekaden in Japan und mithin des geldpolitischen Verzweifelns hat sich bereits im Jahr 2022 eine Trendwende bei der Teuerungsrate angedeutet. Letztlich hat die Inflationsentwicklung in Japan auch von den Spillover-Effekten der globalen Konsumentenpreisentwicklung und dem schwachen Yen „profitiert“. In den vergangenen zwei Jahren sind die marktbasierten Inflationserwartungen deutlich Richtung 2%-Inflationsziel der Notenbank konvergiert. Umfragebasierte Inflationserwartungen gehen sogar über das Inflationsziel hinaus. Vor diesem Hintergrund hat beispielsweise erst jüngst das Arbeitsministerium in Japan eine Anhebung des Mindestlohns um 4,3% beschlossen; der stärkste Anstieg seit 1991. Der Geldpolitik wiederum ermöglicht diese Entwicklung, ihre ultraexpansive Ausrichtung tendenziell zurückzufahren. Investoren sollten jedoch berücksichtigen, dass die Geldpolitik Hauruck-Aktionen grundsätzlich meidet. So begann das Anfang November 2023 eingeleitete geldpolitische Manöver der Abkehr von der YCC sehr behutsam. Statt eines strikten Renditelevels strebt die BoJ seitdem einen Referenzwert an. Diesen dürfte sie vorerst mit gezielten Ankäufen von Bonds flankieren und moderat verteidigen. Das formale Ende der YCC erwarten wir für das erste Quartal 2024. Bereits jetzt fokussiert sich der Markt ferner auf das kommende Ende der zweiten Säule der ultraexpansiven Geldpolitik der BoJ: den seit Februar 2016 bei −0,1% verharrenden kurzfristigen Leitzins. Unseres Erachtens dürften die Währungshüter den Leitzins spätestens zu Beginn des zweiten Quartals aus dem negativen Terrain hieven; bis äußerst 1,25% bis Ende 2024.   

Die begonnene Abkehr von der YCC sowie das anstehende Ende der Negativzinsen in Japan dürften die Rendite von JGBs im zehnjährigen Bereich auf bis zu 1,5% steigen lassen. Der Anstieg wäre also eher moderat, nicht zuletzt, weil die BoJ ihren „Exit“ äußerst graduell vonstatten gehen lassen dürfte.

Während die geldpolitische Welt ex Japan die Zinsen im kommenden Jahr senken sollte, dürfte die BoJ im ersten Halbjahr 2024 in Maßen restriktiv werden. Hierbei sollten all diejenigen, die auf einen konstanten Zins- bzw. Renditeunterschied zwischen vornehmlich den USA und Japan gesetzt haben, in Sachen Yen-Exposure Vorsicht walten lassen. Denn: der US-Zinsvorteil sollte in den kommenden Quartalen schrumpfen!

Die US-Renditen – bei aller wellenförmiger Bewegung – sind längst im Rückwärtsgang angekommen. Die kommenden Zinssenkungsfantasien mit Blick auf die Fed senken die Erwartungen an das mittelfristige Leitzinsniveau, und die Konjunktursorgen samt zurückgehenden Inflationserwartungen senken die Laufzeitenprämie. Beides drückt mithin auf die Rendite zehnjähriger US-Treasuries.

Der Yen, der schon seit Ende 2020 auf Basis der Kaufkraftparität deutlich unterbewertet ist, dürfte vor diesem Hintergrund in den kommenden Monaten gegenüber dem Dollar aufwerten. Eine Rolle werden dabei auch die japanischen Investoren spielen, die bislang die größte ausländische Kohorte darstellen, die US-Treasuries halten. Zu der sinkenden Renditedifferenz gesellen sich die hohen Währungsabsicherungskosten, die bereits ihre Spuren hinterlassen. Unseres Erachtens steht eine Repatriierung von Investments nach Japan vor der Tür.

Daniel Winkler

Multi Asset Strategist bei Lampe AM