GELD ODER BRIEF

Beiersdorf entzweit Analystengemeinde

Von Carsten Steevens, Hamburg Börsen-Zeitung, 6.12.2013 Für den Kosmetikkonzern Beiersdorf wird 2012 ein besseres Jahr gewesen sein als 2013 - zumindest gemessen an der Aktienkursentwicklung. Mit einem Zuwachs von rund 40 % stellte das Unternehmen...

Beiersdorf entzweit Analystengemeinde

Von Carsten Steevens, HamburgFür den Kosmetikkonzern Beiersdorf wird 2012 ein besseres Jahr gewesen sein als 2013 – zumindest gemessen an der Aktienkursentwicklung. Mit einem Zuwachs von rund 40 % stellte das Unternehmen im vergangenen Turnus den Dax, der mit 29 % das größte Plus seit neun Jahren erlebte, in den Schatten. In diesem Jahr marschieren der 1882 von dem Apotheker Paul C. Beiersdorf gegründete Nivea-Konzern und der deutsche Blue-Chip-Index drei Wochen vor Jahresultimo nahezu im Gleichschritt: Der Jahreszuwachs beläuft sich bei beiden derzeit auf rund ein Fünftel. ÜberraschungSeit der Übernahme des Vorstandsvorsitzes durch Stefan Heidenreich Ende April 2012 hat die Aktie des einzigen Hamburger Dax-Konzerns um zwei Fünftel zugelegt. Die Marktkapitalisierung des Unternehmens, das seit Dezember 2008 der ersten Börsenliga in Deutschland angehört, beläuft sich gegenwärtig auf rund 18,5 Mrd. Euro. Anfang November schloss Beiersdorf den Tag der Präsentation der Neunmonatszahlen an der Dax-Spitze ab: Mit einem unerwartet kräftigen Gewinnzuwachs im dritten Quartal – dem stärksten im bisherigen Jahresverlauf – sowie mit einer angehobenen Jahresprognose für Umsatz und Gewinnmarge überraschte der Konzern.Die unter Konzernchef Heidenreich verfolgte Strategie mit dem Namen “Blue Agenda”, die eine Refokussierung auf die historischen Wurzeln und die Stärken der Kernmarke, Innovationen und einen Ausbau des Schwellenmarktgeschäfts vorsieht, trägt Früchte: Neben dem Industriegeschäft der Klebeband-Tochter Tesa beschleunigte auch die dominierende Konsumentensparte das Umsatz- und Margenwachstum. Die Beiersdorf-Aktie wird heute positiver beurteilt als noch vor zwei Monaten: Die Kaufempfehlungen von Analysten erhöhten sich inzwischen von sechs auf acht. Die Verkaufsempfehlungen für das Papier des Unternehmens, das bei einem Streubesitz von 39,5 % mehrheitlich (50,5 %) der Maxingvest-Holding der Familie Herz gehört, schrumpften zugleich von acht auf sechs.Bei den insgesamt gut 30 Banken, deren Analysten Beiersdorf unter die Lupe nehmen, halten sich optimistische und pessimistische Einschätzungen jedoch nach wie vor die Waage. Nach Ermittlungen von Reuters stehen 13 optimistischen Einschätzungen derzeit zwölf pessimistische gegenüber – bei neun Halte-Empfehlungen. Das Kursziel liegt im Median bei 73 Euro: Angesichts des gegenwärtigen Aktienpreises von gut 73 Euro wird das Potenzial als begrenzt beurteilt. Bereits Anfang dieses Jahres waren die Kursperspektiven zum Teil zurückhaltend bewertet worden. Im guten Jahr 2012 seien die Investoren deutlich in Vorleistung gegangen. Beiersdorf sei im Branchenvergleich nicht günstig, wenn sie mit dem 26-Fachen des für 2013 geschätzten Gewinns je Aktie bewertet werde, hieß es. Die hohe Bewertung lasse die Aktie anfällig erscheinen für Gewinnmitnahmen und schärfere Kurskorrekturen.Nach wie vor wird die Beiersdorf-Aktie gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) als teuer angesehen. Doch Warburg-Research-Analyst Jörg Philipp Frey, der die Aktie zum Kauf empfiehlt und das Kursziel zuletzt sogar leicht auf 86 Euro anhob, verweist darauf, dass das 2014er-KGV bereinigt um die Nettoliquidität von 10 Euro je Aktie nur bei 24,3 liege und damit nur 5 % über dem des Konkurrenten L’Oréal. Beiersdorf verfüge im Vergleich mit den Wettbewerbern über Margenpotenzial, da die Ebit-Marge im Konsumentengeschäft, das mit Marken wie “Nivea” im Massenmarkt, “Eucerin” im Apothekensegment und “La Prairie” in der Premiumsparte für gut vier Fünftel des Konzernumsatzes steht, über 400 Basispunkte unter L’Oréal liege und sich mit Skaleneffekten in Schwellenmärkten und weiteren Marktanteilsgewinnen verbessern dürfte. Zudem weise Beiersdorf mit 34 % unverändert die höchste Steuerquote im Sektor auf (L’Oréal 26 %, Henkel 24 %), woraus Warburg Research Potenzial für überproportionales Wachstum beim Gewinn je Aktie ableitet.Die DZ Bank sah sich nach dem überraschenden Ergebnisausweis im November veranlasst, Beiersdorf zum “Kauf” zu empfehlen, statt wie bislang zum “Verkaufen” zu raten. Den fairen Wert der Aktie stufte Analyst Thomas Maul zugleich auf 80 Euro von zuvor 56 Euro herauf. Die jüngsten Entwicklungen ließen auf eine nachhaltig positive Trendwende in Beiersdorfs Konsumentengeschäft schließen, so die neue Einschätzung. Es bestünden gute Chancen, dass der Konzern mit einem gestärkten Markenportfolio, jüngst eingeführten Innovationen und einer gut gefüllten Produktpipeline sowohl in den reifen Märkten als auch in Schwellenmärkten wie China, wo Beiersdorf 2014 den Break-even anstrebt, weitere Marktanteile hinzugewinnen könne. Positive Impulse für Wachstum und Profitabilität werden im kommenden Jahr auch vom zyklischen Klebstoffgeschäft erwartet. TeuerDie LBBW nahm zuletzt trotz des verbesserten Konzernausblicks kaum Veränderungen bei den Gewinnschätzungen vor. Analystin Barbara Ambrus verweist auf die negativen Wechselkurseinflüsse – in den ersten neun Monaten belastete der erstarkte Euro das Umsatzwachstum laut Beiersdorf um 4,7 Prozentpunkte. Die Aktie sei im Vergleich zur Branche und zum Gesamtmarkt überdurchschnittlich bewertet, so die Einschätzung der LBBW, die unverändert zum “Halten” der Aktie rät bei einem Kursziel von 80 Euro. Zur gleichen Empfehlung (“Halten”) kommt die WGZ Bank: Auf dem aktuellen Kursniveau seien die positive operative Entwicklung und der angehobene Ausblick angesichts der hohen Bewertung (KGV 2014: 26,7, Peergroup-Median: 20,5) bereits größtenteils eskomptiert. Auf Basis der im Branchenvergleich hohen Wachstumsdynamik, der starken Fortschritte bei der Verbesserung der Profitabilität und der sehr soliden Bilanzstruktur, die auch größere Akquisitionen erlauben würde, behielt die WGZ zuletzt ihren Aufschlag von 10 % auf die Konkurrentengruppe bei: Der faire Wert der Beiersdorf-Aktie wurde auf 76 Euro von 74 Euro angehoben.Analysten von J.P. Morgan raten im Peer-Vergleich zum “Untergewichten” der Beiersdorf-Aktie, der ein vergleichsweise starker Wertzuwachs bescheinigt wird. Positiver eingestellt (“Übergewichten” bzw. “Neutral”) ist J.P. Morgan bei L’Oréal, Unilever und Reckitt.