Belastet von der politischen Krise
Belastet von der politischen Krise
Die seit den überraschenden Neuwahlen herrschende Unsicherheit bremst den CAC 40 – Zuvor abgestrafte Luxusbranche widersetzt sich Abwärtstrend
Stark in Frankreich exponierte Unternehmen wie Banken, Baukonzerne und Versorger leiden stärker als andere CAC 40-Werte unter einem Anstieg des politischen Risikos in Frankreich. Dabei waren sie in diesem Jahr bisher gut gefragt, da sie den Risiken der US-Zollpolitik weniger ausgesetzt sind.
wü Paris
von Gesche Wüpper, Paris
Es ist ein Abstieg, der symbolisch für die Schwierigkeiten Frankreichs steht. Mit dem Spirituosenriesen Pernod Ricard und der Automobilgruppe Stellantis sind jetzt zwei weitere Vertreter der Pariser Börse aus dem Euro Stoxx 50 geflogen, nachdem der Luxusgüterkonzern Kering dort bereits Ende Juni weichen musste. Zwar macht Pernod Ricard und Stellantis vor allem die amerikanische Zollpolitik zu schaffen. Doch auch an ihnen geht die Krise nicht spurlos vorbei, die Frankreich seit den vorgezogenen Parlamentswahlen im letzten Jahr durchlebt.
Der CAC 40 hat deshalb innerhalb der letzten zwölf Monate gerade mal 4,6% zugelegt, während der Euro Stoxx 50 im selben Zeitraum 11,9% und der Dax sogar 25,7% gestiegen sind. Gebremst wurde der Pariser Leitindex, der erneut mit Verlusten in die neue Woche gestartet ist, aber auch von der Luxusgüterbranche, die nach den Halbjahresergebnissen stark abgestraft wurde. Sie macht nach Angaben von Pictet-Investmentstratege Christopher Dembik rund 30% des CAC 40 aus.
Schlechte Stimmung
Vor Beginn der Fashion Week Paris Montag wird der Fokus der Anleger an diesem Dienstag erstmal auf dem HCOB-Einkaufsmanagerindex Industrie und Dienstleistungen liegen. Die Stimmung des verarbeitenden Gewerbes dürfte so niedrig wie nicht zuvor innerhalb der letzten elf Monate sein, meint Investmentstratege John Plassard von Cité Gestion Private Bank. „Die französische Wirtschaft bleibt durch das unsichere politische Klima und die begrenzten haushaltspolitischen Spielraum beeinträchtigt.“
Die Ankündigung von Ex-Premierminister François Bayrou am 25. August, die Vertrauensfrage stellen zu wollen, hatte den französischen Aktienmarkt erneut auf Talfahrt geschickt, sodass der CAC 40 innerhalb von zwei Handelstagen mehr als 3% nachgab. Werte mit starker heimischer Exportornierung hätten sofort eine Kurskorrektur erfahren, erklärt Laurent Clavel, Global Head of Multi-Asset bei Axa Investment Managers (IM). Dank der Fed-Entscheidung, die Leitzinsen zu senken, konnten französische Papiere letzte Woche die Verluste jedoch zumindest teilweise wieder ausgleichen.
Baukonzerne unter Druck
Neben Banken und Versicherungen haben Baukonzerne und Versorger zuletzt am stärksten unter dem Anstieg des Risikos einer neuen politischen Krise in ihrer Heimat gelitten. Dabei gehören sie zu den 23 CAC-40-Werten, die seit Beginn des Jahres Kursgewinne verbucht haben. Bei Investoren waren sie gefragt, da sie gegenüber der amerikanischen Handelspolitik weniger exponiert sind. Inzwischen scheinen für Anleger jedoch die Folgen der US-Strafzölle weniger bedrohlich zu sein als die politischen Risiken in Frankreich.

Die in den Monaten zuvor an der Börse von Paris unter Druck geratenen Luxusgüterkonzerne LVMH, Hermès und Kering konnten sich auch deshalb dem allgemeinen Abwärtstrend nach Bayrous Ankündigung widersetzen. Denn sie sind relativ wenig in ihrem Heimatmarkt exponiert und inzwischen wieder attraktiver bewertet als früher. Entsprechend legte LVMH innerhalb des letzten Monats 2,6% auf 509,60 Euro zu und Hermès 1,1% auf 2.127,00 Euro, sodass die weltweite Nummer Eins der Luxugüterbranche ihren kleineren Rivalen mit einer Börsenkapitalisierung von fasst 255 Mrd. Euro wieder überflügeln konnte.
Hoffnung bei Kering
Kering wiederum hat in den letzten vier Wochen einen Kurssprung von fast 20% auf 265,25 Euro verbucht. Allerdings hat die Gucci-Mutter an der Börse innerhalb von drei Jahren über 46% an Wert verloren, LVMH dagegen „nur“ 20%, während Hermès mehr als 70% gestiegen ist. Der von der Familie Pinault über ihre Holding Artémis kontrollierte Konzern profitiert jetzt von den Hoffnungen, die viele Investoren in den letzte Woche angetretenen Konzernchef Luca de Meo setzen. Bernstein, RBC und Citigroup stufen Kering mit „marketperform“ oder „neutral“ ein.
Finanzielle Atemluft
Die Selbsthilfe-Erholungsstory der Gucci-Mutter, der auch Marken wie Saint Laurent, Bottega Veneta, Balenciaga und Maui Jim gehören, dürfte ähnlich schwankungsanfällig verlaufen wie bei anderen Luxusgüterkonzernen in den letzten zehn Jahren, meint Bernstein-Analyst Luca Solca. Sie müsse noch greifbare Fortschritte nachweisen, nachdem sich die Aktie wieder deutlich von den jüngsten Tiefs erholt habe. Kering hatte sich wenige Tage vor dem offiziellen Antritt de Meos finanziell Luft verschafft und die Komplettübernahme des italienischen Modehauses Valentino verschoben. Der Ende letzten Jahres mit 10,5 Mrd. Euro verschuldete Konzern hat mit dem von Katar gestützten Valentino-Eigentümer Mayhoola vereinbart, die Eigentümerstruktur bis mindestens 2028 nicht zu verändern. Er hatte vor zwei Jahren für 1,7 Mrd. Euro eine Beteiligung in Höhe von 30% an Valentino gekauft.
Neues Tandem für Gucci
Der neue Konzernchef de Meo hat sich das Ziel gesetzt, Schulden und Kosten zu senken. Als erstes hat er jetzt Francesca Bellettini, seit 2023 stellvertretende Vorstandschefin von Kering, als Chefin von Gucci ernannt. Das sei ermutigend, findet Piral Dadhania von RBC mit Verweis auf die Erfolgsbilanz Bellettinis bei Yves Saint Laurent. Gucci ist die mit Abstand wichtigste Marke Kerings, die jedoch zuletzt mit zweistelligen Umsatzrückgängen kämpfen musste, nachdem sie vor Covid stark gewachsen war. Sie hofft auch dank ihres neuen Chefdesigners Demna auf neuen Schwung. Er stellt diesen Dienstag auf der Fashion Week in Mailand seine erste Kollektion vor.