CHINA

Bulle stolpert über BIP

Die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft kommt trotz Corona-Pandemie wieder in die Hufe und ist im Gegensatz zu westlichen Industrieländern keiner Rezession anheimgefallen. Im zweiten Quartal ist Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 3,2 %...

Bulle stolpert über BIP

Die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft kommt trotz Corona-Pandemie wieder in die Hufe und ist im Gegensatz zu westlichen Industrieländern keiner Rezession anheimgefallen. Im zweiten Quartal ist Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 3,2 % geklettert, mehr als von den Analysten erwartet. Was in normalen Zeiten einen geradezu schockierend niedrigen Wert darstellen würde, kann nun aber als Beleg für das Corona-Ideal einer raschen V-förmigen Erholung gewertet werden. Schließlich war Chinas BIP im ersten Quartal noch um 6,8 % in den Keller geschickt worden.Gute Konjunkturdaten werden an der Börse nicht immer entsprechend gewürdigt, und an den von fanatischen Kleinanlegern dominierten Handelsplätzen des chinesischen Festlandes haben Fundamentaldaten sowieso wenig mit dem von politischen Strömungen beeinflussten Aktienmarkt zu tun. Dennoch ist es ein bisschen auffällig, dass die Anleger ausgerechnet vor dem Hintergrund der Nachricht, dass Chinas Wachstum wieder auf gewohnten Kurs einschwenkt, plötzlich das große Fracksausen bekommen. Der seit Wochen von einer Euphoriewelle getragene Leitindex CSI 300 brach am Donnerstag um knapp 5 % ein, eine heftigere Korrektur hatte es in den letzten Jahren nur einmal Anfang Februar gegeben, als der Corona-Ausbruch in Wuhan die Märkte schockte.Corona-Ängste aber spielen beim chinesischen Publikum kaum noch eine größere Rolle. Dennoch kriegen die Anleger kalte Füße. Zum einen, weil sie davon ausgehen müssen, dass die Zentralbank nach der jüngsten BIP-Performance nun erst einmal keine Veranlassung für weitere Lockerungen sehen dürfte. Zum anderen, weil man feststellen muss, dass es beim schwerer anzuregenden Konsum noch hapert. Dies hat möglicherweise die Sinne dafür geschärft, dass die Bullenstimmung der letzten Wochen doch übertrieben war.Es gibt aber noch einen anderen Grund. Wie man schon zu Beginn des Handelsstreits zwischen China und den USA feststellen konnte, nagen die bilateralen Spannungen heftig am Wirtschaftsvertrauen des chinesischen Normalverbrauchers. Und der muss feststellen, dass Chinas ruppige außenpolitische Gangart in den letzten Monaten und die Machenschaften rund um die Dezimierung der Autonomie der Sonderverwaltungszone Hongkong die westliche Welt und allen voran die USA immer stärker gegen das Reich der Mitte aufbringen. Das war vor dem Hintergrund einer großen Gewinnmitnahme-Chance dann doch ein bisschen zu viel für Chinas wankelmütige Kleinanleger.