RohstoffeHandelskrieg

China sitzt bei Seltenen Erden am längeren Hebel

Die neuen chinesischen Exportkontrollen für seltene Erden und andere strategisch wichtige Rohstoffe treffen den Westen hart, China dominiert die Märkte. Im Extremfall könnte China den KI-Boom stoppen und die Rüstungsindustrie in den USA und Europa zum Erliegen bringen.

China sitzt bei Seltenen Erden am längeren Hebel

China sitzt bei Seltenen Erden am längeren Hebel

Reich der Mitte dominiert die Märkte − Handelskonflikt mit den USA kann für den Westen dramatische Folgen haben − KI-Boom in Gefahr

Die neuen chinesischen Exportkontrollen für Seltene Erden und andere strategisch wichtige Rohstoffe und Ausrüstungen treffen den Westen hart, weil China diese Märkte dominiert. Im Extremfall könnte China den KI-Boom an den Börsen stoppen und die Rüstungsindustrie in den USA und Europa zum Erliegen bringen.

Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt

Die in der vergangenen Woche von China eingeführten neuen Beschränkungen im Handel mit seltenen Erden und anderen strategisch wichtigen Rohstoffen und die harschen von US-Präsident Donald Trump angekündigten Gegenmaßnahmen sorgen für Schockwellen an den Finanzmärkten. Die Preise für diese Rohstoffe sind wegen des oft bilateralen Handels oft weniger transparent, aber hier hat es nochmals deutliche Preisanstiege außerhalb Chinas gegeben.

China hat umfangreiche Exportkontrollen eingeführt, wobei jetzt in jedem Einzelfall für diese für die Hochtechnologie- und Rüstungsindustrie essenziellen Rohstoffe eine unternehmensbezogene Lizenz erforderlich ist. Damit gibt sich China aufgrund seines Quasi-Monopols auf dem Weltmarkt praktisch ein Vetorecht, was die westliche Produktion von High-End-Halbleitern mit einer Auflösung von 14 Nanometern und darunter betrifft. Damit könnte die chinesische Regierung aber nicht nur dem Hype der Künstlichen Intelligenz an der Börse ein jähes Ende bereiten. Sie könnte auch praktisch die gesamte westliche Rüstungsindustrie lahmlegen. So erfordert ein US-Kampfjet der fünften Generation wie die F-35 rund 418 Kilogramm an kritischen Rohstoffen, ein Lenkwaffenzerstörer der Arleigh-Burke-Klasse 2.600 kg und ein Atom-U-Boot gleich 4.800 kg. Sollte China die Lizenzen nicht erteilen, könnten diese Rüstungsgüter nicht mehr produziert werden, was eigentlich für die gesamte Palette moderner Rüstungsgüter gilt. Nach einer Studie von Govini benötigen 78% aller US-Waffensysteme kritischen Mineralien (vgl. Grafik).

Panikreaktion Trumps

Diese durchaus drastischen möglichen Folgen erklären die Panikreaktion Trumps, der 100% Einfuhrzoll auf US-Importe chinesischer Güter ankündigte − was vor allem die US-Konsumenten belasten würde. Die neuen chinesischen Maßnahmen kommen indes nicht, wie Trump in seinen Kommentaren auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social suggeriert, aus heiterem Himmel. Denn erst am 29. September hatte das Bureau of Industry and Security (BIS) der US-Regierung in seiner lange erwarteten Interim Final Rule (IFR) die umfangreichste Expansion der US-Exportkontrollen seit einigen Jahren bekannt gegeben. Die schränkt sämtliche Exporte von amerikanischen Hochtechnologieprodukten nach China stark ein. Die chinesischen Schritte sind eine direkte Reaktion darauf: Teilweise werden die neuen US-Bestimmungen sogar von China schlicht kopiert. China wurde von den US-Maßnahmen überrascht, zumal Trump und der chinesische Präsident Xi eigentlich noch in diesem Monat bei einem Treffen in Südkorea ein neues Handelsabkommen unterzeichnen wollten.

Reexport genehmigungspflichtig

Nach US-Vorbild sind die neuen chinesischen Beschränkungen auch exterritorial gültig; das heißt, ausländische Käufer der chinesischen Rohstoffe müssen eine Reexport-Genehmigung der Regierung in Peking einholen, wenn sie die Produkte in andere Länder verkaufen wollen, sofern kritische Rohstoffe auch nur 0,1% des Produktwertes ausmachen.

Betroffen sind nicht nur Seltene Erden, sondern auch Maschinen und sogar Know-how zur Verarbeitung dieser Rohstoffe, Batterien hoher Leistung sowie Rohstoffe und Maschinen zu deren Herstellung und − ebenfalls sehr wichtig − so genannte ultraharte Materialien, die zum Beispiel für die Fertigung von Halbleitern erforderlich sind. Für andere Rohstoffe wie das für moderne Waffensysteme unerlässliche Gallium oder auch Sprengstoff-Rohmaterialien gab es bereits Exportrestriktionen und sogar Exportstopps, die weiterhin gelten.

China hat Verhandlungsbereitschaft signalisiert und verlangt, dass die US-Exportrestriktionen auf Hochtechnologieprodukte komplett aufgehoben werden. Entgegen dem Hinweis Trumps, der aufgrund der angedrohten Strafzölle der chinesischen Volkswirtschaft eine Depression voraussagt, sitzt das Reich der Mitte am längeren Hebel: Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) macht 2025 rund 20 Bill. Dollar aus, die Exporte in die USA aber nur rund 500 Mrd. Dollar, also gerade 2,5% des BIP. Deren Ausfall wäre also zu verkraften, was hingegen nicht für die Versorgung der US-Verbraucher mit zahlreichen wichtigen Konsumgütern „made in China“ gilt.

90 Prozent in China verarbeitet

Von den 17 Metallen der Seltenen Erden gelten die Exportrestriktionen nunmehr für 12, wobei China laut Global Data für 70% des Bergbaus steht. Die USA steuerten im Jahr 2023 rund 12% zum Weltmarktangebot bei und Myanmar kam auf knapp 11%. Weitere Produzenten sind Australien, Thailand und Indien, die zusammen auf rund 8% des weltweiten Bergbaus kommen. Allerdings findet rund 90% der Verarbeitung dieser Rohstoffe im Reich der Mitte statt − im Westen wurde diese wegen ihrer Umweltbelastung weitgehend aufgegeben. Betroffen sind aber nicht nur die Seltenen Erden. Praktisch untersagt sind als Reaktion auf Hochtechnologie-Exportverbote von US-Präsident Joe Biden auch Ausfuhren der rüstungstechnisch wichtigen Metalle Gallium und Germanium, die zum Beispiel für Laser und Nachtsichtgeräte erforderlich sind, sowie Antimon zur Härtung weicher Metalle. China hat de facto die Exporte von Gallium und Germanium in die USA schon ab Juni 2023 komplett eingestellt. Das Land kommt bei Gallium, das für Halbleiter, Nachtsichtgeräte, Laser und auch die immer wichtiger werdenden hyperschallschnellen Raketensystemen benötigt wird, auf einen Weltmarktanteil von 98%. Aktuell sind auch die Antimon-Exporte in die USA auf Null zurückgegangen.

Aufrüstung in Frage gestellt

Insofern ist es praktisch unmöglich, die gesamte westliche Rüstungs- und Halbleiterindustrie ohne chinesische Lieferungen mit den betroffenen Rohstoffen zu versorgen, was unter anderem die Aufrüstungspläne der Nato-Länder in Frage stellt. Zwar lässt sich langfristig der Bergbau der Rohstoffe außerhalb Chinas wieder starten, beispielweise hat Australien großen Reserven. Problematisch ist aber, dass das Know-how und die Maschinen für die kostengünstige Verarbeitung nur noch in China zu haben sind. Außerdem ist das Problem der chinesischen Dominanz seit mindestens zehn Jahren bekannt. Alle Bemühungen des Westens, diese mit staatlichen Subventionen zu brechen, waren bislang erfolglos und der Anteil Chinas an diesen Rohstoffmärkten ist tendenziell gestiegen. Grundsätzlich hat China zwar Gesprächsbereitschaft signalisiert. Dennoch steht hinter der Versorgung des Westens mit den strategisch wichtigen Rohstoffen unabhängig vom Ausgang des aktuellen Konflikts ein Fragezeichen. In China fragt man sich nämlich zunehmend, ob man den USA die Rohstoffe für die Waffensysteme liefern sollte, mit denen China dann anschließend bedroht wird.