Corporate Bonds droht harte Korrektur
Corporate Bonds droht harte Korrektur
Corporate Bonds droht harte Korrektur
Markt gilt nach günstigen Groß-Emissionen als überhitzt – Wall Street fürchtet wachsende Kreditrisiken
Der amerikanische Markt für Unternehmensanleihen ist heiß gelaufen, auch Emittenten mit schwieriger Liquiditätsentwicklung drücken ihre Kreditkosten enorm. Doch erfahrene Wall-Street-Trader fürchten einen scharfen Abschwung im Segment, der Investoren und Schuldner kalt zu erwischen drohe.
Von Alex Wehnert, New York
Es ist ein Vorgang, der die Regeln des Corporate-Bond-Marktes auf den Kopf stellt: In einem Segment, in dem Investoren Langeweile schätzen, wird die jüngste Emission von Oracle zu einem der erfolgreichsten Deals des Jahres. Der Datenbankriese wirft Ende September Anleihen im Gegenwert von 18 Mrd. Dollar an den Markt und schießt damit den zweitgrößten Corporate-Deal 2025 ab – nach Bietungen im Volumen von 88 Mrd. Dollar gelingt es ihm, die Kreditkosten zu drücken. Die am längsten laufende Tranche, ein 40-jähriger Bond, weist gegenüber Treasuries laut dem Datendienst Bloomberg einen Spread von nur 1,37 Prozentpunkten auf.
Negativer Cash-flow
Dabei ist Oracle ein mit Growth-Narrativ ausgestatteter Tech-Wert, der bei auf der Suche nach stabilen Renditen befindliche Bondinvestoren laut Analysten eigentlich auf wenig Gegenliebe stoßen sollte. Die Investitionen, die das Unternehmen für seine Rechenzentren-Expansion zugesagt hat, dürften den Kapitalaufwand 2025 um 65% auf 35 Mrd. Dollar treiben. Die Research-Firma Gimme Credit geht davon aus, dass der freie Cash-flow im laufenden Jahr stark ins Negative abrutscht – auf minus 16 Mrd. Dollar. Bei einem Unternehmen mit einer solchen Liquiditätsentwicklung und einer Gesamtverschuldung von über 100 Mrd. Dollar würden Investoren im Regelfall deutlich höhere Risikoaufschläge verlangen.
Doch steht die Emission von Oracle exemplarisch dafür, wie stark der Boom um künstliche Intelligenz nicht nur den Aktien-, sondern auch den Corporate-Bond-Markt heiß laufen lässt. Schließlich beschert dieser dem Datenbankriesen eine prall gefüllte Auftragspipeline – auch wenn Analysten bezweifeln, dass die Texaner ihre Computing-Kapazitäten schnell genug ausbauen können, um den Bedarf auch tatsächlich zu decken. Doch erfahrene Wall-Street-Trader fürchten, dass der Markt inzwischen überhitzt ist und eine scharfe Korrektur droht.
Eingeengte Spreads
Der optionsbereinigte Spread des ICE BofA US Corporate Index gegenüber einer Treasury-Kurve ist zuletzt auf 0,75 Prozentpunkte gefallen, dies bedeutet den niedrigsten Stand seit 1998. Selbst das Äquivalent für den Hochzinsbereich fällt im laufenden Jahr mit zeitweise unter 2,7 Prozentpunkten so niedrig aus wie seit dem Vorlauf zur Finanzkrise 2008 nicht. Und einzelne Unternehmensanleihen, zum Beispiel von S&P Global mit dem Spitzenrating „AAA“ ausgestattete Papiere von Microsoft sowie Johnson & Johnson, wiesen zuletzt einen negativen Spread gegenüber Treasuries auf – Investoren stuften die Emittenten also als sicherer ein als die Vereinigten Staaten.
Einige Analysten verweisen allerdings darauf, dass die niedrigen Spreads nicht unbedingt ein Ausdruck tiefen Vertrauens in Emittenten amerikanischer Unternehmensanleihen seien – sondern eben eher ein Signal dafür, dass das Zutrauen in den Staat als Schuldner relativ zur Privatwirtschaft abnehme. Denn die amerikanische Staatsverschuldung und das Haushaltsdefizit laufen aus dem Ruder.
Sorgen um fiskalische Stabilität
Das Mega-Haushaltspaket von US-Präsident Donald Trump, die im Juli unterzeichnete „Big, Beautiful Bill“, verschärft die Lage noch. Das unabhängige Congressional Budget Office (CBO) rechnet damit, dass sich das Defizit infolge erhöhter Staatsausgaben unter anderem für Militär und Grenzschutz sowie der Verlängerung von Steuersenkungen aus Trumps erster Amtszeit über das kommende Jahrzehnt um zusätzliche 3,4 Bill. Dollar ausweiten wird. Im laufenden Fiskaljahr werde sich das Haushaltsloch auf 6,2% des Bruttoinlandsprodukts belaufen. Dass es über die kommende Dekade nachhaltig unter die Marke von 6% fallen wird, sehen die CBO-Prognosen nicht vor.
Damit die Verschuldung tragbar bleibe, wäre laut der Ratingagentur Scope ein reales Wachstum von mindestens 3% per annum nötig. Die Prognose für die kommenden fünf Jahre lautet auf durchschnittlich rund 2%. Damit ruhe die Hoffnung darauf, dass der Boom um künstliche Intelligenz anhalte. Doch Goldman Sachs sieht einen „scharfen Tempoverlust“ beim Wachstum der Investitionsausgaben für die Technologie als unausweichlich.
Emissionsaktivität zieht an
Ein solcher Abschwung droht auch den von KI-Zukunftshoffnungen getriebenen Corporate-Bond-Markt durchzurütteln. Die Renditen von US-Unternehmensanleihen fallen ungeachtet der niedrigen Spreads derzeit zwar niedriger aus als vor der Finanzkrise, aber deutlich höher als zu so gut wie jedem Zeitraum des abgelaufenen Jahrzehnts, als das Segment äußerst blutarm daherkam.

Investoren rechnen allerdings damit, dass die Verzinsungen angesichts einer geldpolitischen Lockerung zurückgehen werden, und beeilen sich, zu aktuellen Niveaus zuzuschlagen. Emittenten nutzen das positive Sentiment aus: Laut der Securities Industry and Financial Markets Association (Sifma) beläuft sich das Volumen der in den ersten drei Quartalen 2025 begebenen amerikanischen Corporate Bonds auf rund 1,74 Bill. Dollar, gegenüber dem Vergleichszeitraum 2024 bedeutet dies einen Anstieg um 6%.
Warnsignale mehren sich
Im Vergleich zum Treasury-Markt bleibt das Neuangebot aber niedrig – ein Faktor, der laut Goldman Sachs ebenfalls dazu beiträgt, die Spreads zu begrenzen. Doch stehen US-Emittenten laut dem Broker Charles Schwab vor einem billionenschweren Refinanzierungsbedarf. Ein ökonomischer Abschwung infolge von Trumps Zollpolitik und eine Eintrübung des KI-Booms könnten vielen Hochzins-Emittenten laut Analysten ausgerechnet dann den Zugang zum Markt versperren, wenn sie ihn am dringendsten bräuchten.
Die Warnsignale mehren sich bereits. Der Umfang der Non-Performing Loans in den US-Bankportfolios wächst, und Insolvenzen wie jene des Autozulieferers First Brands werfen ein Schlaglicht auf die Systemrisiken der stark ausgeweiteten Aktivität bei Private Credit. An der Wall Street geht zunehmend die Furcht um, dass diese Gefahren auch auch den öffentlichen Kapitalmarkt übergreifen.
Volatilität zieht an
Der ICE BofAML Move Index, ein Indikator für die Volatilität des US-Anleihemarkts, ist zwar noch weit von den Niveaus entfernt, die er nach Trumps Zollankündigungen im April erreichte, hat seit Anfang Oktober aber wieder angezogen. Insgesamt haben die durchschnittlichen täglichen Handelsvolumina bei Corporate Bonds laut Sifma in den ersten neun Monaten 2025 um 12,5% angezogen. Unter den meistgehandelten Emittenten führend war laut der Finra, dem Selbstregulierungsorgan der US-Wertpapierhändler, zu Wochenbeginn übrigens Oracle.