„Darum ist die UBS einfach zu groß"
„Darum ist die UBS einfach zu groß"
Im Interview: Christoph Blocher
„Darum ist die UBS einfach zu groß"
Die Schweizer Politik-Legende will, dass sich die UBS vom US-Geschäft trennt. Der 85-jährige hat Sympathien im Volk und starke Gegner im Bundeshaus.
In der Schweiz tobt seit Monaten ein heftiger Kampf um die Zukunft der UBS. Wie muss die Regulierung aussehen, damit die Bank nicht wieder zum Risiko für die Steuerkasse wird? Finanzministerin Karin Keller-Sutter und das Regierungskollegium im Bundesrat setzen auf scharfe Eigenmittelvorgaben. Die Schweizer Politik-Legende und stärkste Figur der national-konservativen Schweizerischen Volkspartei fordert eine radikale Abkehr von diesem Ansatz. Er verlangt stattdessen die Abspaltung des US-Geschäfts, tritt damit auch gegen seine politischen Gesinnungsgenossen an.
Herr Blocher, Sie bringen gerade die politisch komplizierte Diskussion in der Schweiz durcheinander und verlangen, dass die UBS ihr US-Geschäft abspaltet. Was ist Ihr Ziel?
Es ist dasselbe Ziel, das ich schon immer verfolgt habe: Die Schweiz darf keine Bank haben, die so bedeutend ist, dass sie von den Steuerzahlenden im Fall eines Kollapses gerettet werden muss, bzw. nicht mehr gerettet werden kann, dann aber die ganze Schweiz ins Elend reißt.
Aber das gleiche Ziel verfolgt doch auch die vorgeschlagene Eigenmittelverschärfung. Die UBS läuft Sturm dagegen. Was ist daran falsch?
Mehr Eigenkapital macht eine Bank sicherer, aber nur wenn sie trotzdem noch konkurrenzfähig ist. Die UBS befürchtet zu Recht einen Verlust der Konkurrenzfähigkeit. Aber es gibt kein Unternehmen, das vor dem Untergang gefeit ist. Ich bin Industrieller und spreche aus eigener Erfahrung. Das Problem von Großbanken, eben wie das der UBS, ist, dass wir sie nicht untergehen lassen können, weil sie das Potenzial haben, die ganze Volkswirtschaft in den Abgrund zu reißen. Und dieses Risiko ist seit der Credit-Suisse-Krise noch größer geworden.
Inwiefern?
Erstens, weil die UBS mit der Credit-Suisse-Übernahme noch bedeutender geworden ist. Und zweitens, weil es nun eine neue, staatliche Regelung gibt, die den Banken in einer akuten Krise trotz höherem Eigenkapital auch Liquiditätshilfen garantiert.
Sprechen Sie vom Public Liqudity Backstop (PLB), den alle Länder mit relevanten Finanzplätzen eingeführt haben, um einer Systemkrise vorzubeugen?
Ja. Die Schweiz hat diesen PLB unter Hochdruck eingeführt, nachdem man gesehen hat, wie schnell die Credit-Suisse-Kunden ihr Geld abgezogen haben, als das Vertrauen in die Bank wankte. Ich verstehe den Wunsch nach einem solchen Liquiditätspuffer, aber er ist eben auch nur ein neuer staatlicher Eingriff, der eine Bank sicherer macht, aber das „To-big-to-Fail“-Problem nicht löst. Es ist faktisch eine Staatsgarantie, welche wiederum zu neuer Regulierung verleitet, die dann alle Banken trifft.
Vergangene Woche hat eine Gruppe von bürgerlichen Parlamentsabgeordneten eine entschärfte Variante des vom Bundesrat vorgelegten Regulierungsvorschlags in die Diskussion gebracht. Was halten Sie davon?
Es ist ein etwas anderer Modus der Eigenkapitalerhöhung. Aber auch dieser löst das To-big-to-Fail-Problem nicht.
Die Parlamentarier-Gruppe, zu der auch ein Finanzpolitiker aus Ihrer Partei gehört, macht sich Sorgen um die Konkurrenzfähigkeit des Finanzplatzes – zu Recht?
Ja, das ist eine berechtigte Sorge. Sie ist das Resultat der dauerhaft übertriebenen Regulierung. Eine Aufspaltung der UBS in zwei unabhängige Banken würde diese Sorgen dämpfen.
Aus der Parlamentarier-Gruppe heißt es, Ihr Vorschlag mache den Schweizer Finanzplatz zu einem Zwerg. Was entgegnen Sie?
Es wäre ein riesiger Zwerg. Mit einer immer noch bedeutenden UBS. Sie würde wie bisher solides Geld verdienen, aber ohne das amerikanische Geschäft, wo sie in den letzten 30 Jahren nur Geld verloren hat und dafür die Schweizer Steuerzahlenden haften ließ. Die Schweiz soll einen Finanzplatz haben, dessen Risiken das Land tragen kann. Jeder Unternehmer muss selbst die Verantwortung übernehmen, wenn er untragbare Risiken eingeht. Nur für Großbanken gilt das nicht, obschon die UBS sogar die politische Souveränität der Schweiz gefährden kann.
Wie meinen Sie das mit der Souveränität?
Glauben Sie, die Schweiz hat im März 2023 souverän entschieden, wie sie mit der Credit Suisse verfahren soll?
Sagen Sie es uns!
Unsere Finanzministerin Karin Keller-Sutter hat der Öffentlichkeit bei der Übernahme der CS durch die UBS erklärt, wie bei ihr das Telefon heiß gelaufen sei. Wie sie von amerikanischen und anderen Behörden – sogar von der amerikanischen Finanzministerin – aus dem Ausland bedrängt worden sei, die Credit Suisse unter keinen Umständen fallen zu lassen. Die Schweiz wurde also auch von höchster Stelle im Ausland bedrängt, die Rettung der Bank zu organisieren. Ein Untergang der Credit Suisse könne die Stabilität des Weltfinanzsystems gefährden, hieß es. Ich glaube zwar nicht, dass ein Credit-Suisse-Konkurs die Welt zum Einstürzen gebracht hätte. Aber der Fall zeigt trotzdem: Wir müssen unsere Großbanken nicht nur unseretwegen selbst retten, sondern auch noch wegen der anderen. Das ist zu verhindern! Darum ist die UBS einfach zu groß und es braucht eine Lösung, wie zum Beispiel ich sie vorschlage.
Was sagt eigentlich die UBS zu Ihrer Idee?
UBS-Präsident Colm Kelleher hat sicher keine Freude daran. Er ist ein klassischer Investmentbanker, der an der Wall Street Karriere gemacht hat. Kelleher will, dass die UBS ihr Amerika-Geschäft ausbaut. Er sagt, es sei jetzt zu klein. Man kann das Argument schon verstehen. Das Amerika-Geschäft kann tatsächlich sehr attraktiv sein, wenn es gut geführt wird. Aber es gibt auch immer wieder riesige Verluste.
Liegen Verluste nicht in der Natur des Bankgeschäfts?
Doch, aber die Rechnung muss über die Zeit aufgehen. Das war bei den Schweizer Banken in Amerika nie der Fall. Ich habe einmal im Gespräch mit dem früheren Credit-Suisse und UBS-Chef Oswald Grübel behauptet, die Schweizer Großbanken hätten in den USA über alle Jahre hinweg kein Geld verdient. Er hat dies bestätigt.
Aber die amerikanischen Banken verdienen in ihrem Markt einen Haufen Geld.
Das kann sein, aber es sind eben die amerikanischen Banken, die ihren Markt kennen und wissen, wie man sich darin erfolgreich bewegen muss. Sie haben ja gesehen, wie das ging mit den Archegos-Krediten von Credit Suisse: Als die Schweizer anfingen, ihre Positionen zu verkaufen, waren die Amerikaner längst draußen. Die Credit Suisse blieb auf einem 5-Milliarden-Dollar-Verlust sitzen. Das ist wirklich keine schweizerische Welt.
Sie müssen Ihre eigene Partei beziehungsweise die Parlamentsfraktion von Ihrem Vorschlag überzeugen. Können Sie das?
Ich versuche es. Es wäre nicht das erste Mal, dass mir das gelingt. 1992, als die Schweiz über den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum abstimmte, war ich mit meiner ablehnenden Haltung zuerst auch allein gegen die Mehrheit meiner Partei. Ich bin dabei, meinen Vorschlag zur UBS den Parteikollegen einzeln zu erklären.
Aber Sie haben im eigenen Kreis auch Leute wie Nationalrat Thomas Matter gegen sich. Er ist selbst Banker und in der Parlamentsfraktion zuständig für das UBS-Thema. Können Sie ihn auch überzeugen?
Wahrscheinlich kaum. Die UBS-Lobbyisten haben natürlich versucht, die Politiker einzuseifen. Dagegen sind auch unsere Leute nicht gefeit. Im Neujahr werden wir sehen, wie es rausgekommen ist.
Ihnen schwebt vor, dass die UBS ihr Amerika-Geschäft in einem klassischen Spin-off abspaltet. Sie haben das Vorbild Holcim genannt. Aber Holcim hat die Abspaltung freiwillig gemacht.
Klar, im Fall von UBS wäre es nicht freiwillig. Aber ich sehe die Abspaltung als eine Voraussetzung dafür, dass eine Großbank nicht mehr die ganze Volkswirtschaft bedrohen kann.
Wir würden Sie den gesetzlichen Zwang denn begründen? Wollen Sie den Schweizer Banken generell verbieten, in Amerika Geschäfte zu machen?
Nicht generell, aber mit einer eigenen Tochtergesellschaft schon. Ich habe das nötige Gesetz jetzt nicht ausformuliert. Aber dem Sinne nach müsste es heißen, dass eine Too-big-too-Fail-Bank in der Schweiz keine Bank in Amerika im Eigentum haben darf.
Sie wollten schon 2009, dass die Schweizer Großbanken ihre amerikanischen Investmentbanken abspalten. Warum ist es nicht dazu gekommen?
Viele Leute haben einfach Angst, offen gegen Großbanken anzutreten. Ich weiß noch gut, wie mich Nicolas G. Hayek, damals Chef und Hauptaktionär der Swatch Group an einem Mittwoch im Spätsommer 2009 anrief, um bei mir für die Einführung eines Trennbankensystems zu werben. Ich sagte ihm: Toll, damit rennen Sie bei mir offene Türen ein. Er war erfreut und sagte, er werde etwa acht bis zehn Unternehmer mobilisieren, um mit diesen den nötigen politischen Druck zu erzeugen. Er hatte viele Kontakte und gewisse saßen auch in seinem Verwaltungsrat. Alle hätten sie seine Meinung geteilt, aber wollten oder konnten nicht hinstellen. Mitte September 2009 standen Hayek, Christian Levrat, Präsident der Sozialdemokratischen Partei und ich zu dritt auf einer Pressekonferenz, um unser gemeinsames Anliegen zu vertreten. Wir standen auf verlorenem Posten.
Was ist für Sie die wichtigste Folge der damaligen Finanzkrise?
Das Vertrauen in die Schweizer Banken, wie es vorher bestanden hatte, gibt es nicht mehr. Die Kreditwürdigkeit vieler großer Schuldner ist massiv gesunken in den vergangenen 20 Jahren. Das gilt insbesondere auch für viele hoch verschuldete Staaten. Die Gläubiger denken viel schneller als früher an die Möglichkeit von Zahlungsausfällen. Das allein erhöht die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Ereignisse. Wir sind also wieder bei den Risiken von Großbanken.
Der Patriot
Christoph Blocher prägt die politische Landschaft der Schweiz seit bald 40 Jahren. Bis in die frühen 1990er Jahre kämpfte er quasi im Alleingang gegen den Beitritt des Landes zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Erst kurz vor der Abstimmung vom 6. Dezember 1992 konnte er eine Mehrheit seiner Partei, die national-konservative Schweizerische Volkspartei (SVP), auf seine Seite ziehen und die für die Zukunft der Schweiz wichtige Volksabstimmung gewinnen. In der Folge stieg die SVP mit Blocher als Aushängeschild zur wählerstärksten Partei des Landes auf und verdrängte insbesondere die historisch stark im Zürcher Banken- und Finanzzentrum verankerte wirtschaftsliberale FDP. Blocher verschaffte sich als erfolgreicher Unternehmer und Mehrheitseigentümer der börsennotierten Spezialchemiefirma Ems den finanziellen Spielraum, seine politischen Ideen kompromisslos voranzubringen. Hilfreich für Blochers Aufstieg in den Kreis der reichsten Schweizerinnen und Schweizer waren aber auch die oft kontroversen Finanzgeschäfte, die er mit dem Schweizer Selfmade-Banker und Financier Martin Ebner bis zur Jahrtausendwende betrieben hatte. Blocher eckte mit seiner streitbaren Persönlichkeit im Establishement an. 1993 wurde er von den Aktionärinnen und Aktionären der Schweizerischen Bankgesellschaft (heute UBS) als Verwaltungsrat abgewählt, was ein ungewöhnlicher Vorgang war. Nach vier Jahren als Justizminister im Bundesrat ereilte ihn 2007 dasselbe Schicksal noch einmal. Seiner Popularität taten diese Niederlage aber keinen Abbruch. Der promovierte Jurist und Sohn eines reformierten Pfarrers geniesst in seiner Rolle als Patriot großen Zuspruch in breiten Kreisen der Bevölkerung. Blocher hat mit seiner Frau Silvia vier Kinder, die über den Familienbetrieb alle eine unternehmerische Laufbahn eingeschlagen haben. dz
Das Interview führte Daniel Zulauf.
