GELD ODER BRIEF

Delivery Hero tischt mit großen Worten auf

Von Ulli Gericke, Berlin Börsen-Zeitung, 6.10.2017 Wer die ganz großen Worte liebt, folgt Donald Trumps Tweets oder investiert in Delivery Hero. Dort war das erste Halbjahr 2017 ein "fantastisches", weiß CEO und Mitgründer Niklas Östberg für den...

Delivery Hero tischt mit großen Worten auf

Von Ulli Gericke, BerlinWer die ganz großen Worte liebt, folgt Donald Trumps Tweets oder investiert in Delivery Hero. Dort war das erste Halbjahr 2017 ein “fantastisches”, weiß CEO und Mitgründer Niklas Östberg für den Sechsmonatszeitraum des Essenlieferdienstes zu berichten, in dem in erheblichem Umfang in den Service investiert wurde, woraus “großartige Ergebnisse” generiert worden seien. Kein Zweifel, der Mann, der in den frühen “Nuller-Jahren” mit einem Pizza-Lieferservice in Norwegen seine ersten Start-up-Sporen verdient hatte, hat keine Scheu, große Dinge gelassen auszusprechen. Wie etwa, dass “sein” Unternehmen mit den hiesigen Marken Pizza.de, Lieferheld oder Foodora allein in den ersten sechs Monaten fast 132 Millionen Bestellungen bei gut 150 000 Partnerrestaurants abgewickelt hat – womit die erst vor sechs Jahren gegründete Firma jeweils zur weltweiten Nummer 1 geworden sei.Beim Umsatz und Bruttowarenvolumen (also dem Wert aller georderten Essen) gilt das noch nicht – auch wenn die Erlöse im Halbjahr mit 247 Mill. Euro um 66 % höher lagen als in den ersten sechs Monaten 2016. Für Östberg gilt es die beim Börsengang zur Jahresmitte versprochene Balance zu halten zwischen kräftigem Wachstum und der für 2018 angepeilten schwarzen Null – zumindest bereinigt und vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda). Ein Jahr später will Delivery Hero dann sogar schwarze Zahlen schreiben, wenigstens operativ. Mit tiefroten Zahlen …Wie groß die Differenz zwischen dem bereinigten Ebitda und dem Ergebnis/Verlust unter dem Strich ist, zeigt der vor gut Wochenfrist veröffentlichte Halbjahresabschluss: Operativ war das Minus mit 45 Mill. Euro halbwegs überschaubar. Alle anderen Belastungen eingerechnet summierte sich der Verlust unter dem Strich dann aber auf satte 221 Mill. Euro – hier ist der Weg zu den angestrebt schwarzen Zahlen noch ein schier endloser. Doch immerhin, man sei “im Plan”, lässt sich Östberg ungewohnt wortkarg bei der Erläuterung der Sechsmonatszahlen vernehmen.Die noch überschaubare Anzahl von Analysten wertete die Zahlen neutral bis positiv. Der operative Verlust sei stärker geschrumpft als gedacht – vor allem in Asien, schrieb UBS-Experte Chris Grundberg in einer ersten Einschätzung. Der nun präzisere Umsatzausblick von 530 bis 540 Mill. Euro für das Gesamtjahr liege über den Markterwartungen. Rob Joyce, Analyst bei der führend beim IPO beteiligten Investmentbank Goldman Sachs, beließ die Einstufung nach der Zahlenvorlage auf “Buy” mit einem Kursziel von 32 Euro – also unter der aktuellen Notiz. Umsatz und Ebitda seien etwas besser als erwartet ausgefallen. Beim Auftragseingang sei das Unternehmen “in line” geblieben. Auch Kepler Cheuvreux hielt die Einstufung für die “Helden” auf “Buy” mit einem Kursziel von 33,50 Euro stabil. Das Unternehmen sei auf dem Wachstumspfad und der Anlagehintergrund sei intakt, schrieb Experte Jürgen Kolb. Die Zahlen für das zweite Quartal seien sogar einen Tick besser gewesen als gedacht. Der Umsatzausblick für 2017 habe über den Erwartungen gelegen, die operative Marge darunter. Hier hatte das Management eine bereinigte Ebitda-Marge zwischen minus 15 und 17 % prognostiziert, nach – 18 % im Halbjahr.Oberste Priorität hat aber das rasche Wachstum. Beim Börsengang zur Jahresmitte wurde den Anlegern eine kurz- und mittelfristige Expansion von gut 40 % jährlich versprochen und von über 30 % “in the long term”. Bei einem Wachstum von 47 % bei den Bestellungen und 66 % beim Umsatz kann Östberg zumindest bisher diesen Posten als erfüllt abhaken.Generell gilt für Delivery Hero wie für fast alle Online-Plattformen, dass der Vorstand von Quartal zu Quartal frei entscheiden kann, wie das Ergebnis gestaltet werden soll. Verglichen mit dem Umsatz von 247 Mill. Euro waren die Marketingaufwendungen von satten 156 Mill. der größte Kostenblock im Halbjahr. Werden sie gebremst, kommt die Gewinnschwelle schnell in Sicht. Doch wer das Wachstum hoch halten will, muss auf allen Kanälen auf sich aufmerksam machen – im Netz, im Radio und TV und auf Werbetafeln. Die eigenen Marken müssen bekannt gemacht werden, auf dass potenzielle Kunden künftig eben bei der pinkfarbenen Liefertochter Foodora ordern und nicht beim britischen Konkurrenten Deliveroo mit seinen türkisfarbenen Rucksäcken, der erst vor wenigen Tagen mit einer neuen Finanzierungsrunde 385 Mill. Dollar einwarb. Damit wird der Wettbewerber mit gut 2 Mrd. Dollar bewertet. Delivery Hero, die beim IPO ihre Preisspanne von 22,00 bis 25,50 Euro voll ausreizte und deren Aktien mittlerweile auf fast 35,50 Euro kletterten, kommt inzwischen auf eine Marktkapitalisierung von knapp 5,8 Mrd. Euro. … Kandidat für den MDaxUnd eine weitere Wertsteigerung sollte möglich sein, glaubt jedenfalls Bob van Dijk, Chef der südafrikanischen Technologie- und Infrastruktur-Holding Naspers. Die hatte kurz vor dem Börsengang im Mai 387 Mill. Euro in Delivery gesteckt und dafür einen Anteil von 10 % bekommen. “Der Bereich der Lieferdienste für Essen ist nach wie vor unterentwickelt und wächst weltweit rasant. Viele Märkte spüren bereits die starke Zugkraft dieser Industrie, aber wir glauben, dass das Potenzial in wachstumsstarken Märkten noch deutlich größer ist als im Westen”, ist sich van Dijk sicher. Nicht zuletzt deshalb hat er dieser Tage die Hälfte der noch bei der Start-up-Schmiede Rocket Internet liegenden Aktien übernommen, womit Naspers nach der Zustimmung der Kartellbehörden mit künftig fast 24 % zum größten Delivery-Aktionär aufsteigt. Rocket kassiert für die veräußerten 13 % rund 660 Mill. Euro. Die Helden waren die erste Beteiligung aus dem Rocket-Reich, die einen erfolgreich Börsengang realisierten. Nicht einmal drei Monate später erfolgte die Aufnahme in den SDax. Und von der Marktkapitalisierung wäre Delivery Hero durchaus auch ein Kandidat für den MDax.!