Assetmanager Neuberger Berman

„Der 5G-Bedarf hat sich beschleunigt“

Der Ausbau der fünften Mobilfunkgeneration wird nach Ansicht des US-Assetmanagers Neuberger Berman mehreren Sektoren Schub verleihen. Gerade die Aktien von Halbleiterherstellern dürften profitieren.

„Der 5G-Bedarf hat sich beschleunigt“

Von Alex Wehnert, Frankfurt

Der Ausbau der fünften Mobilfunkgeneration schafft an der Börse Gelegenheiten. „Der 5G-Bedarf hat sich im Zuge der Corona-Pandemie drastisch beschleunigt. Denn während der Krise waren physische Interaktionen nur stark eingeschränkt möglich, digitale Konnektivität ist somit wichtiger geworden“, sagt Yan Taw Boon, Co-Portfoliomanager des 5G Connectivity Fund beim US-Assetmanager Neuberger Bermam, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Zwar werde sich der 5G-Trend wohl etwas verlangsamen, sobald sich die gesellschaftliche Lage normalisiert habe. Allerdings glauben die Strategen von Neuberger Berman auch daran, dass das strukturelle Wachstum der Datenökonomie langfristig zum Treiber für Aktien aus dem Sektor wird. „In der Wirtschaft der Zukunft werden vernetzte Fabriken eine Schlüsselrolle spielen. WLAN-Technologien können die dazu benötigte Verbindungsstärke einfach nicht für die benötigte Anzahl an Geräten garantieren, während Datenübertragungen via 4G nicht schnell genug sind“, betont Boon. Neben Industriemaschinen und Smartphones dürften künftig auch Krankenhäuser mittels 5G vernetzt werden. Hinzu kämen Haushaltsanwendungen wie Kühlschränke, die selbstständig Essensbestellungen generieren könnten.

Ein wachstumsstarkes Segment des 5G-Investments seien software- und internetbasierte Geschäftsmodelle, die von der Technologie profitierten. „Der neue Kommunikationsstandard ermöglicht Video-Streaming und Mobile Gaming – beide sind für sich genommen massive Boom-Branchen – auf einem höheren Niveau als zuvor“, sagt Boon. „In China kombinieren Influencer Streaming mit dem E-Commerce-Megatrend, indem sie neue Produkte und Sonderaktionen live über soziale Medien bewerben. Ohne 5G wäre das in diesem Ausmaß unmöglich.“

Washington will aufholen

Während sich die chinesischen Internetgiganten bereits an die neue Telekommunikationslandschaft an­gepasst haben, besitzen ihre US-Pendants nach Einschätzung von Neuberger Berman immer noch Aufholpotenzial. „Washington hat die Notwendigkeit, den Rückstand wettzumachen, erkannt. Deshalb betont die Biden-Administration auch die Bedeutung des Aufbaus von 5G-Infrastruktur sowie von Halbleiterfabriken. Innerhalb des avisierten Infrastrukturpakets im Volumen von mehreren Billionen Dollar sind mehrere 100 Mill. für den Breitbandausbau und die Chipproduktion designiert“, führt Boon aus. „Eine funktionierende Netzwerkinfrastruktur ist entscheidend dafür, dass andere 5G-Profitzentren wachsen können.“

Deshalb investiert Neuberger Berman nicht nur in 5G-Erstausrüster wie Ericsson und Nokia, sondern auch in die Halbleiterhersteller hinter ihnen, beispielsweise Analog Devices. Unternehmen, die wie die kalifornische Keysight oder ihr bisher nicht börsennotiertes deutsches Pendant Rohde & Schwarz Test- und Messausstattung produzieren, profitierten ebenfalls von der wachsenden 5G-Nachfrage. Schließlich müsse die neue Technologie geprüft und mit korrekten Standards und Protokollen dokumentiert werden.

Nach Boons Ansicht haben die Märkte die potenziellen Margen, die der Megatrend mit sich bringen wird, noch nicht vollständig realisiert: „Mit dem Begriff 5G assoziieren die meisten Investoren Telekommunikati­ons­anbieter wie Vodafone und die Deutsche Telekom, aber kaum jemand denkt über das nächste Glied in der Lieferkette hinaus.“ Obwohl die Bewertungen entlang der 5G-Wert­schöp­fungs­kette in den vergangenen Jahren gestiegen seien, erschienen sie im historischen Vergleich aufgrund des vergleichsweise niedrigen Fokus der Investoren noch nicht übertrieben. Sogar der Software- und Internetbereich, innerhalb dessen die Kurs-Gewinn-Verhältnisse schneller gestiegen seien, biete genügend günstige Gelegenheiten.

Allerdings verbleiben einige Risiken für den Erfolg von 5G-Investitionen, am gefährlichsten erscheint der geopolitische Konflikt zwischen den USA und China. „Die Handelskriege der Trump-Administration haben Disruptionen hinsichtlich des 5G-Ausbaus verursacht, darunter auch das Handelsembargo gegen Huawei“, kommentiert Boon. „Was zunächst nach ernsten Schwierigkeiten aussah, hat allerdings die Wichtigkeit von 5G in den Vordergrund gerückt.“ Laut Boon hat der US-Handelsstreit China dazu angespornt, die Entwicklung in diesem Bereich deutlich zu beschleunigen. Mittlerweile seien bereits 40% des Landes mit dem neuen Mobilfunkstandard abgedeckt und mehr als 70% der in der Volksrepublik verkauften Smartphones dafür ausgerüstet.

„Unter Joe Biden haben sich die Spannungen offenkundig etwas entspannt – dennoch wird die Uneinigkeit in Handelsfragen fortbestehen“, sagt Boon. Der Portfoliomanager arbeitet deshalb daran, seinen Fonds auf eine Aufspaltung des globalen 5G-Ökosystems vorzubereiten, da westliche Staaten teils harte Maßnahmen gegen Huawei ergriffen haben und China in Asien als bestimmende Macht auftrete: „Innerhalb des chinesischen Ökosystems werden taiwanesische, japanische und koreanische Unternehmen von ihrer geografischen Nähe zur Volksrepublik profitieren. Zugleich werden große US-Branchenvertreter ihre Präsenz in Westeuropa ausbauen.“ Aufgrund dieser Entwicklungen werde sich der Trend zu einer Rückverlagerung von Lieferketten in den Heimatmarkt wohl fortsetzen.

Wettrüsten in EU möglich

„Europa kann es sich zudem nicht leisten, sich auf Lieferungen aus China oder Japan zu verlassen. Infineon, STMicroelectronics und andere werden inländische Fertigungen ausbauen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben“, betont Boon. Dennoch werden es Meinungsverschiedenheiten zwischen EU-Mitgliedstaaten nach Ansicht von Neuberger Berman erschweren, eine einheitliche 5G-Strategie durchzusetzen. „Volkswirtschaften mit höherem Industrieanteil wie Deutschland werden 5G schneller übernehmen, während Spanien und andere zurückfallen könnten“, sagt Boon. So könne es sogar zu einem 5G-Wettrüsten zwischen verschiedenen EU-Mitgliedern kommen.