Der Dollar dürfte schwach bleiben
Seit Donald Trump am 2. April, dem „Tag der Befreiung“, der Welt den Handelskrieg erklärte, ist der Außenwert des Euro von 1,08 auf 1,14 Dollar gestiegen, seit Jahresanfang sogar von 1,03 auf 1,14, während die Rendite zehnjähriger Treasuries in den letzten zwei Monaten von 4,17% auf 4,46% zulegte, ein Kursverlust von etwa 2%. Die beiden wichtigsten Aktienindices, der S&P 500 und der Dow Jones liegen um etwa 3 und 6% unter ihren Höchstständen vom Jahresanfang; die europäischen Indices wie der Euro Stoxx 50 und der Dax befinden sich dagegen nach wie vor nahe ihrer historischen Rekordwerte. Amerikanische Anlagen sind nicht mehr so attraktiv wie einst. Es fragt sich, ob wir es mit einem neuen Trend zu tun haben oder mit einer Korrektur, wie sie immer wieder einmal vorkommt.
So schnell sind die USA bekanntlich nicht unterzukriegen. Rezessionsprognosen waren in den meisten Fällen verfrüht und reflektierten oft vor allem das Wunschdenken der Analysten – bisher konnten sich die amerikanischen Wirtschaftspolitiker meist ungestraft massive Expansionsprogramme leisten.
IWF lag fast immer falsch
Hier soll es jetzt um den Wechselkurs zwischen Euro und Dollar gehen. Wie ein Blick auf seine (sehr) langfristige Entwicklung zeigt, waren große Ausschläge seit dem Ende des Festkurssystems von Bretton Woods normal. Wer also vorhersagte, dass der Wechselkurs in den nächsten ein oder zwei Jahren mehr oder weniger stabil bleiben würde, wie es in den Prognosen des Internationalen Währungsfonds, der OECD oder der deutschen Forschungsinstitute üblich ist, lag damit fast immer falsch.

Wenn ich eine Linie durch die Höchststände und eine andere durch die Tiefststände seit 1970 lege, ergibt sich ein Trichter, dessen Mittelwert heute bei 1,42 Dollar liegt (1,84 plus 1,00, geteilt durch 2). Im Trend hat der Dollar also gegenüber D-Mark und Euro (1 Euro = 1,96 DM) an Wert verloren. Nun hat er aber schon 13 Jahre lang aufgewertet, wenn auch unter erheblichen Schwankungen. An den Devisenmärkten regierte seit 2008 der Dollar und der Euro war drauf und dran, eine Schwachwährung zu werden.
1,60 Dollar würde nicht überraschen
Zeit für eine neue Phase am Devisenmarkt? Das Ganze ist natürlich nur eine Spielerei, aber wenn der Trichter sich auch diesmal als ein zuverlässiges Band erweisen sollte, in dem sich der Wechselkurs des Euro bewegt, würde es nicht überraschen, wenn er Anfang der dreißiger Jahre erneut auf 1,60 Dollar klettern und - einige Jahre später – in der Spitze 1,85 Dollar erreichen würde.
Der wichtigste Grund für die trendmäßige Aufwertung des Euro ist die niedrigere Inflation in Deutschland und, ab 1999, im Euroraum. In den vergangenen 50 Jahren lag sie bei den Verbraucherpreisen bei 2,5%, in den USA bei 3,8%. Dass der Euro zurzeit gegenüber dem Dollar stark unterbewertet ist, lässt sich an einigen für die Wechselkurse normalerweise wichtigen Zahlen ablesen. Sie sprechen dafür, dass das Dollarangebot demnächst der Tendenz nach größer ist als die Nachfrage, während es beim Euro genau umgekehrt ist. Das spricht für einen festeren Euro:
1.) Die Leistungsbilanz des Euroraums wird weiterhin wegen der jahrelangen Dollaraufwertung und dem vergleichsweise geringen Wirtschaftswachstum einen Überschuss von etwa 3% des BIP aufweisen, während für die USA ein Defizit von ebenfalls rund 3% zu erwarten ist – von daher ergibt sich eine starke, nahezu strukturelle Nachfrage nach Euro und ein nicht minder großes Dollarangebot.
Europas Finanzpolitik geradezu restriktiv
2.) Verglichen mit der amerikanischen Finanzpolitik ist die europäische geradezu restriktiv – in den USA überschwemmt der (Zentral-) Staat den Markt mit immer mehr Schuldverschreibungen (Treasuries). Nachdem die Budgetdefizite seit Beginn der Coronakrise bis einschließlich 2025 im Mittel bei etwa 8,5% des BIP lagen, waren es im Euroraum „lediglich“ rund 4%. Trotz der massiven und teuren militärischen Aufrüstung, die jetzt in Gang gekommen ist, werden die europäischen Haushaltsdefizite auch in den nächsten Jahren viel geringer ausfallen – an den Devisenmärkten nimmt das Angebot an Staatsschulden, die auf Euro lauten, langsamer zu als das Angebot von Dollarschulden.
3.) Beide Faktoren haben den Wechselkurs des Dollars bisher nur wenig belastet. Weil die amerikanischen Kapitalmärkte sehr liquide und bisher auch von den Kursen her attraktiv waren, hatte die Nachfrage nach Dollaranlagen das Angebot jahrelang übertroffen. Der US-Kapitalmarkt und die Rolle des Dollars als Reservewährung waren die wichtigsten Determinanten der Dollarstärke.
US-Inflation beschleunigt sich
Aus mindestens zwei Gründen ändert sich das gerade: Als Folge des neuen Handelskriegs beschleunigt sich die US-Inflation rascher (weniger Wettbewerb, steigende Einfuhrpreise), während im Euroraum deflationäre Effekte überwiegen. Die EZB hat daher die Möglichkeit, die Leitzinsen weiter zu senken. Die Fed hat es damit nicht so eilig. Das schlägt sich in den Aussichten an den Bondmärkten nieder. Die europäischen sind günstiger. Zweitens sind die durchschnittlichen Kurs-Gewinn-Verhältnisse in den USA immer noch viel höher als in Europa. Eine Angleichung ist überfällig und vermutlich schon im Gange, ablesbar an den erstaunlichen Kursgewinnen europäischer Aktien in den letzten Monaten.
Spätestens seit der Wahl Trumps scheint sich der Wind an den Devisenmärkten gedreht zu haben.