„Der Dollar wird noch schwächer“
Herr Banner, welche Hauptfaktoren sehen Sie hinter der aktuellen Dollarschwäche?
Drei Faktoren schwächen die US-Währung. Das sind erstens die Zölle, die gerade weltweit von den USA implementiert werden. Zweitens belastet die fiskalische Situation der USA den Greenback. Der dritte Punkt ist die politische Unsicherheit, d.h. wie wirkt sich die Gestaltung der internationalen Politik der USA, einschließlich ihrer Außenpolitik etwa im Falle von Russland/Ukraine, auf die Finanzmärkte aber auch auf die Nachfrage von Firmen und Verbrauchern auf die USA aus.
Mit welcher Entwicklung des Dollar gegenüber dem Euro rechnen Sie in der zweiten Jahreshälfte?
Wir gehen ganz klar davon aus, dass der Dollar noch schwächer wird. Zum Jahresende sehen wir den Euro bei 1,20 Dollar, und im ersten Quartal 2026 sollten wir dann die Marke von 1,22 Dollar erreichen, wobei das auch schon früher der Fall sein kann. Auch eine stärkere Wechselkursbewegung hoch zu 1,35 oder auch gar 1,40 Dollar ist durchaus vorstellbar, etwa wenn die Arbeitsmarktzahlen in den USA Anfang August extrem schwach ausfallen, gefolgt von einer Senkung der Zinsen durch die Fed von 50 Basispunkten und weiteren denkbaren Zinsschritten. Zudem könnten Zweifel an der Unabhängigkeit der Fed oder ein direkter Einfluss der US-Regierung auf die Notenbank eine stärkere Wechselkursbewegung nach oben auslösen.
Erwarten Sie eine geldpolitische Lockerung seitens der US-Notenbank in der zweiten Jahreshälfte?
Wir gehen davon aus, dass es noch einen Zinsschritt seitens der Fed 2025 geben wird, und zwar zum Jahresende hin, also bei der Dezembersitzung. Die Wahrscheinlichkeit hierfür veranschlagen wir mit 50%. Hinsichtlich der Größenordnung erwarten wir 25 Basispunkte.
Sehen Sie weitere Zinssenkungen seitens der Europäischen Zentralbank, die ja nun im Juli erstmal in die Zinspause übergegangen ist?
Mit der erzielten Zolleinigung mit den USA ist eine Zinssenkung im September unwahrscheinlicher geworden. Obwohl wir einen Zinsschnitt im September nicht vollständig ausschließen, hat sich der Weg dorthin verengt. Wir erwarten nun, dass der letzte Zinsschnitt der EZB im Oktober erfolgen wird.
Wie hoch schätzen Unternehmen im aktuellen Umfeld das Risiko von Bondrenditesteigerungen am Dollarmarkt ein?
Man muss unterscheiden zwischen einem längerfristigen Trend der Zinsen und der aktuellen Volatilität, die schon allein intraday sehr hoch sein kann, wie wir in der jüngeren Vergangenheit gesehen haben. Schon allein zwischen der Entscheidung über Go oder No-Go bei einer Bondemission und dem dann erfolgenden Gang an den Markt und dem späteren Pricing des Bond kann es zu starken Schwankungen kommen, so dass es dann zu höheren Zinsbelastungen also Kuponzahlungen für das Unternehmen kommen kann. Aufgrund der kurzfristig hohen Volatilität sehen wir, dass die Zinskomponente fast aller im Dollar emittierten Bonds aktuell abgesichert wird.
Welche Möglichkeiten des Hedging gibt es für Unternehmen vor einer geplanten Bondemission gegen solche Rendite-, d.h. Zinssteigerungen?
Das kostengünstigste und effizienteste Instrument ist das sogenannte Treasury Lock. Das zurrt die Rendite des Treasury Bond fest, also den risikolosen Zins, der auch Grundlage für die Kuponbestimmung und damit die All-in-Funding-Costs für den Corporate Bond bestimmt. Das Instrument lässt sich sowohl über mehrere Wochen im Voraus als auch für Intraday-Schwankungen der Treasury-Rendite einsetzen.
Welche Risiken aus Unternehmenssicht können am Tag der Emission, also bei der Exekution des Deals, in erster Linie auftreten?
Das ist ohne Frage das sogenannte Headline-Risiko. Jüngst haben wir das wieder gesehen, als es hieß, dass Fed-Chef Jerome Powell seines Amtes enthoben werden soll. Am Nachmittag hieß es dann, dass dem nicht so ist. Da sind die Bondrenditen und auch die Wechselkurse sehr stark hin- und hergesprungen. Ein anderes Beispiel war Anfang März, als Bundeskanzler Merz die enormen Investitionsausgaben des Bundes ankündigte. Da bewegten sich die Zinsen des Bundes mit bis zu 40 Basispunkten intraday stärker als zu dem Zeitpunkt, als die Wiedervereinigung beschlossen wurde, die einen starken Einfluss auf die Zinsmärkte hatte. Aussagen von wenigen Personen können sehr starke Bewegungen an den Finanzmärkten hervorrufen. Dagegen sichern sich viele Marktteilnehmer mittlerweile ab.
Welche Risiken bestehen noch?
Währungsrisiken. Ein deutsches Unternehmen könnte zum Beispiel ein US-Unternehmen kaufen. Dann wird ein Kaufvertrag unterschrieben, und das deutsche Unternehmen verpflichtet sich, in mehreren Monaten hin zum Closing des M&A Deals mehrere Milliarden Dollar als Kaufbetrag zur Verfügung zu stellen. Da haben wir wiederholt über ganz Europa hinweg Fälle gesehen, in denen die Aufsichtsräte etwa den Finanzvorständen vorgeschrieben haben, die Währungsrisiken oder Finanzierungsrisiken abzusichern. Denn eventuell müssen ja auch Bonds emittiert werden, um den Kaufpreis stemmen zu können. Das Risiko besteht darin, dass der M&A Deal dann doch nicht zustande kommt – aus welchem Grund auch immer. Aus der Auflösung des Hedges sollen dann bei dem Unternehmen keinerlei Kosten mehr verbleiben. Diese Risiken werden dann auf die Bank übertragen.
Welche Möglichkeiten gibt es, aus Arbitrageopportunitäten einen Nutzen zu ziehen, zum Beispiel im Euro/Dollar-Bereich?
Der Investment-Grade-Bond-Markt im Dollar bietet beispielsweise dauerhaft die Möglichkeit zur Emission sehr langer Laufzeiten bis hin zu 30 Jahre, die im IG-Grade-Bond-Markt im Euro seltener gesehen werden und daher oft in Dollar vorteilhaft gepreist sind. Im aktuellen Marktumfeld sehen wir jedoch, dass aufgrund der starken Zinsunterschiede zwischen Euro und Dollar das lange Ende im Euro attraktiv ist. Ein Beispiel ist die 30-jährige Anleihe von PepsiCo’s über 500 Mill. Euro jetzt Ende Juli.
Erwarten Sie in den kommenden Wochen und Monaten weiter eine rege Aktivität bei den Reverse Yankee Deals? Und welche Gründe sprechen dafür?
Im ersten Halbjahr haben wir im IG-Bondmarkt im Euro Reverse-Yankee-Emissionen von ca. 100 Mrd. Euro gesehen, die etwa 17% des Gesamtvolumens ausgemacht haben. Die Gründe dafür liegen im relativ hohen nominalen Zinsunterschied. Sie liegen in der Größenordnung von 150 bis 200 Basispunkten bei zehnjährigen Laufzeiten. Vorteilhaft ist für die US-Unternehmen des Weiteren, dass sie noch über Hedge-Kapazitäten in Europa verfügen. Wir erwarten, dass der Zinsvorteil im Euro und die Attraktivität des Euro-Bondmarkts für ausländische Unternehmen mittelfristig weiter bestehen bleibt.
Im Interview: Johannes Banner
„Der Dollar wird noch schwächer“
J.P. Morgan-Bondexperte: Unternehmen sichern immer mehr anstehende Anleiheemissionen ab – Hohe Zinsvolatilität
Aufgrund der hohen Zinsvolatilität im Dollarmarkt hedgen Unternehmen geplante Bondemissionen, hält Johannes Banner, Zins- und Währungsexperte bei J.P. Morgan im Interview der Börsen-Zeitung fest. Dabei wird die Treasury-Rendite vorab festgezurrt. Den Dollar sieht Banner in den kommenden Wochen weiter zur Schwäche neigen. Selbst 1,40 Dollar für einen Euro sind für ihn vorstellbar.
Das Interview führte Kai Johannsen.