Italienische Börse

Finanzen und Rüstung treiben Italiens Börse

Wie schon in den Vorjahren entwickelt sich die Mailänder Börse auch in diesem Jahr besser als die meisten anderen Börsenplätze.

Finanzen und Rüstung treiben Italiens Börse

Börse Mailand

Finanzen und Rüstung treiben Italiens Börse

Wie schon in den Vorjahren weist die Börse Mailand starke Kurssteigerungen auf – Die Perspektiven sind günstig

Von Gerhard Bläske, Mailand
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Die Mailänder Börse war in den letzten Jahren eine Art Geheimtipp unter den Anlegern: Der Aktienindex FTSE MIB, der die 40 größten Werte abbildet, schnitt fast immer besser ab als wesentlich bekanntere und größere Indices. Das ist auch im bisherigen Jahresverlauf so. Mit einem Plus von über 25% werden London, Paris, der Dax, der Euro Stoxx 500 und der S&P-Index geschlagen. Anders als der deutsche Index beinhaltet der FTSE MIB die Dividenden nicht. Der FTSE MIB steht für eine Kapitalisierung von etwa 820 Mrd. Euro, fast 90% der Gesamtkapitalisierung des Börsenplatzes von mehr als 960 Mrd. Euro.

Politische Stabilität

Wie erklärt sich die so stabile Entwicklung in einem Umfeld von Krisen, Kriegen und US-Strafzöllen? Eine Rolle spielt sicher die ungewohnte politische Stabilität in Italien. Regierungschefin Giorgia Meloni hat eine klare Mehrheit hinter sich. Ihre Beliebtheit ist ungebrochen und vieles spricht dafür, dass sie 2027 wiedergewählt wird.

Das Land ist als größter Nutznießer des europäischen Wiederaufbauprogramms NextGeneration sowie eines gigantischen nationalen Programms zur Förderung der energetischen Sanierung von Gebäuden und diverser anderer Hilfen bis 2023 verhältnismäßig stark gewachsen. Die Steuermehreinnahmen wurden teilweise in die Rückführung der noch immer hohen Verschuldung von 135% des Bruttoinlandsprodukts investiert. Sinkende Zinsen und diverse Übernahmeschlachten im Finanzsektor beflügelten die Börsenkurse.

Finanzwerte sind Gewinner

Finanzwerte gehören zu den großen Gewinnern, allen voran die HVB-Mutter Unicredit, die nennenswerte Anteile an der Commerzbank und zeitweise der Versicherung Generali erwarb und die BPM übernehmen wollte. Sie kommt seit Jahresanfang auf ein Plus von mehr als 75% und ist mit einer Kapitalisierung von 105 Mrd. Euro der teuerste Wert im Mailänder Börsenindex. Die Intesa Sanpaolo kommt mit einem Plus von 38% auf einen Börsenwert von 95 Mrd. Euro. Beide zusammen repräsentieren annähernd ein Viertel der FTSE MIB-Kapitalisierung. Hohe Kurssteigerungen verzeichneten auch die Versicherung Unipol, die Mediobanca, BPER, die Volksbank von Sondrio, die BPM, Mediolanum und die mehrheitlich staatliche Post. Mehrere dieser Institute waren in Übernahmekämpfe verwickelt. Sie profitierten jedoch auch von ihrer sehr positiven geschäftlichen Entwicklung: Die Gewinne explodierten und die Anleger wurden mit üppigen Dividenden und Aktienrückkäufen belohnt.

Rüstungswerte gefragt

Noch positiver entwickelten sich Rüstungswerte wie Leonardo, Fincantieri oder Iveco mit der Tochter Iveco Defence Vehicles. Im Fall von Iveco hatte das auch mit den Verkaufsgerüchten zu tun, die sich vor wenigen Tagen bestätigten. Allgemein aber profitiert der Sektor von den stark steigenden Rüstungsausgaben.

Sonderkonjunktur von Ferrari

Von Sonderentwicklungen profitierten Telecom Italia (TIM) und Ferrari. TIM stabilisierte nach vielen Verlustjahren das Geschäft, verkaufte die Festnetzsparte und bekam mit der teilstaatlichen Post (Poste Italiane) einen neuen Großaktionär. Der Luxus-Sportwagenbauer Ferrari hat eine Sonderkonjunktur: Er wird nicht wie ein Autoproduzent sondern wie ein Super-Luxus-Unternehmen beurteilt, dem Krisen, Kriege und Zölle nichts anhaben können, weil die Kunden wenig preissensibel sind. Doch zuletzt wurde Ferrari Opfer des eigenen Erfolgs: Trotz sehr guter Halbjahresergebnisse brach der Kurs ein. Analysten hatten noch mehr erwartet.

Zu den Verlierern in Mailand gehören der Autoproduzent Stellantis, der tiefrote Zahlen schreibt, und die Hörgerätekette Amplifon.

Positive Perspektiven

Beobachter sehen trotz der US-Strafzölle und des schwachen Dollars keine Anzeichen für ein Abflauen der positiven Entwicklung. Die Halbjahresergebnisse waren sehr solide, insbesondere bei den Finanzwerten. Um tendenziell rückläufige Zinsüberschüsse aufzufangen, setzen viele Institute auf den Ausbau ihrer Versicherungsgeschäfte und des Wealth Managements. Außerdem reduzieren sie Kosten und treiben die Digitalisierung voran.

Auch die Perspektiven für Rüstungswerte und Versorger sind günstig. Denn die Rüstungsetats in Italien und Europa sollen stark ausgeweitet werden.

14 neue Notierungen

Angesichts eines Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) von etwa 10 sei der Markt für Einsteiger immer noch attraktiv, heißt es bei Analysten.

Allerdings verliert die Mailänder Börse große Werte über Delistings: Viele, wie etwa die Holding Exor oder CNH Industria, sind heute in den Niederlanden notiert. Andere wie der Modekonzern Tod`s zogen sich aus anderen Gründen zurück. Und wieder andere wie die Banken Creval, Carige und Ubi Banca sind übernommen worden. Aus ähnlichen Gründen werden demnächst Iveco, der Vermögensverwalter Anima oder die Volksbank von Sondrio vom Kurszettel genommen. Im bisherigen Jahresverlauf hat es 23 Delistings gegeben, meist infolge von Übernahmen. 14 Unternehmen gingen an die Börse, ausschließlich im Small-Cap-Segment, das mit einem Plus von 16% schlechter abgeschnitten hat als die Mid-Caps und der FTSE MIB.

Alternativen zur Börse

Es gibt Alternativen zur Börse. Zwar hat sich der Spread zwischen deutschen und italienischen Zehn-Jahres-Anleihen auf 82 Basispunkte reduziert – den niedrigsten Wert seit langem. Und auch die Zinsen sind gesunken. Doch mit Renditen von etwa 1,9% für einjährige, 2,6% für fünfjährige und um die 4% für zehnjährige Staatstitel sind italienische Bonds relativ attraktiv. Giorgio Bensa vom italienischen Vermögensverwalter Ersel AM setzt auf Unternehmensanleihen mit guten Ratings, vor allem Finanztitel, die bis zu 7% abwerfen können. Italien bleibt ein gutes Pflaster für Anleger – nicht nur auf dem Aktienmarkt.

Der italienische Aktienmarkt hat sich in den letzten Jahren zumeist besser entwickelt als andere Börsenplätze. Diese positive Entwicklung hält an. Nach einem guten ersten Halbjahr werden die Perspektiven weiterhin als günstig beurteilt. Treiber der Entwicklung sind und bleiben Finanz- und Rüstungswerte.