„Deutsche Emittenten sind bei Investoren gern gesehen“
„Deutsche Emittenten sind bei Investoren gern gesehen“
Im Interview: Ralf Darpe
„Deutsche Emittenten sind bei Investoren gern gesehen“
Wandelanleihenexperte der Société Générale sieht gute Perspektiven für den Markt 2026
2025 ist für Emissionen von Wandelanleihen ein gutes Jahr gewesen. Gerade deutsche Emittenten waren sehr aktiv. Vonovia sticht dabei hervor. Die Perspektiven für 2026 sind laut Société Générale günstig. Deutsche Adressen haben einen guten Ruf bei internationalen Investoren.
Herr Darpe, welche Perspektiven ergeben sich für den europäischen Wandelanleihenmarkt in Sachen Emissionen für das kommende Jahr?
Nach einem aktiven Jahr 2025 mit doppelt so hohem Volumen wie 2024 denken wir, dass sich dieser Trend fortsetzt. Wir rechnen für 2026 mit bis zu 15 Mrd. Euro an Emissionsvolumen in Europa. Das Zusammenspiel von gut laufenden Aktienkursen und einem im langfristen Vergleich noch recht hohem Zinsumfeld macht die Wandelanleihe attraktiv. Wir rechnen zudem mit einem belebteren M&A-Markt 2026, der die Emissionstätigkeit noch unterstützen sollte.
Welche Perspektiven hat dabei speziell das Segment der deutschen Emittenten von Wandelanleihen?
Deutschland war dieses Jahr wieder das aktivste Land in Europa mit einem Anteil von 35% des europäischen Gesamtvolumens. Die Wandelanleihe hat hierzulande einen hohen Stellenwert, und wir denken, dass dies auch im nächsten Jahr so sein wird. Deutsche Emittenten sind bei den internationalen Investoren gerne gesehen, sie gelten als gut gemanagt mit hoher Disziplin, die Bilanz in Form zu halten, und allgemein gilt Deutschland als Sweetspot. Wir haben mit Vonovia, TAG Immobilien, Fresenius, Lufthansa, Qiagen und Salzgitter in diesem Jahr auch Top-Emittenten aus Deutschland gehabt.
Und welche Anteile entfallen auf andere Länder in Europa?
Nach Deutschland folgt Frankreich mit 30%. Auf andere Länder, insbesondere Niederlande und UK, kommen 26%. Auf die südeuropäischen Länder entfallen letztlich 9%.
Wie liefen die Platzierungen in Deutschland?
Die deutschen Wandelanleihen waren bei der Platzierung alle überzeichnet, und bei vielen konnten die Konditionen im Bookbuilding noch einmal optimiert werden. Im anschließenden Sekundärmarkt handelten die Anleihen um die 100% oder leicht darüber, je nach Aktienkursperformance nach der Emission.
Welche Sekundärmarktperformance haben die Anleihen in Europa gezeigt?
Im Durchschnitt handeln die in Europe neu emittierten Anleihen des Jahres 2025 zur Zeit bei rund 106%.
Haben Wandelanleihen die Aktienindizes im Jahresvergleich geschlagen?
Der Bloomberg EMEA Convertibles Index beinhaltet die Performance aller ausstehenden Wandelanleihen, auch die der vergangenen Jahre, und zeigt einen Anstieg von fast 22% in diesem Jahr, das heißt hier konnten die meisten reinen Aktienindizes wie der Dax geschlagen werden.
Wo lag das Emissionsvolumen neuer Wandler 2025 in Europa, und mit welchem deutschen Anteil für 2026 rechnen Sie?
Das Marktvolumen in Europa lag 2025 bei 10 Mrd. Euro, ein deutliches Plus nach nur 5 Mrd. Euro im Jahr davor. Wir haben in diesem Jahr wieder viele unterschiedliche Formen von Wandelanleihen gesehen. Dies ist auch als ein gutes Zeichen für die Akzeptanz von Investoren zu sehen und lässt auf ein gutes Jahr 2026 hoffen. Für Deutschland rechnen wir wieder mit einem Anteil von rund 30 bis 40% des europäischen Gesamtmarktes.
Wie sieht es mit dem Investorensentiment aus? Die Rede ist davon, dass es bei Anlegern einen hohen Nachfrageüberhang nach Wandelanleihen gibt.
Ja, das ist richtig. Ausstehende Anleihen im Gegenwert von über 20 Mrd. Euro sind in diesem Jahr ausgelaufen, und nur ein Teil davon wurde auch gewandelt. Für 2026 kommen nochmal 10 Mrd. Euro an auslaufenden Anleihen dazu. Wie gesagt, gab es aber nur für 10 Mrd. Euro neue Emissionen in diesem Jahr. Investoren verfügen daher über hohe Cash-Bestände, was den Nachfrageüberhang erklärt. Daher denken wir, dass neue Emissionen auch zu guten Konditionen im nächsten Jahr machbar sind.
Welche Branchen sind tendenziell sehr geeignet für Wandelanleiheemissionen?
Für Wandelanleihen gibt es keine speziellen oder typischen Sektoren. Gerade in diesem Jahr haben wir aus sehr vielen Sektoren Wandelanleihen gesehen. Neben Tech, Healthcare, Financials und Transport waren vor allem der Immobiliensektor mit 16% und der Bausektor mit 22% ganz vorne mit dabei.
Wie hat sich denn speziell der Immobiliensektor am Markt entwickelt?
Beim Immobiliensektor kann man von einem echten Revival sprechen, das hat 2024 schon begonnen und sich in diesem Jahr fortgesetzt. Zum einen haben sich die Aktienkurse im Sektor erholt. Die Wandelanleihe ist darüber hinaus durch ihre extrem niedrigen Kupons einfach wie gemacht für diesen Sektor, der ja sehr sensitiv auf das Zinsniveau reagiert. Zudem können die Unternehmen durch Wandelanleihen ihre durchschnittlichen Finanzierungskosten senken – eine wichtige Kennzahl gerade im Immobiliensektor. Auch können Sie durch die Wandlungsprämie die Aktie potentiell sehr nah am Net Tangible Asset-Wert –NTA –, verkaufen, eine wichtige Bewertungsbenchmark im Sektor.
Was besagt diese Bewertungsbenchmark denn?
Sie bezeichnet den Nettovermögenswert der Immobilien pro Aktie, dieser wird dann mit dem Aktienkurs verglichen. Viele der Immobilienwerte handeln zur Zeit zu einem Abschlag zum NTA. Durch die Wandlungsprämie kann die Aktie oftmals nahe am NTA oder darüber verkauft werden.
Im Immobilienbereich sticht ja insbesondere Vonovia mit der größten Wandelanleihe in diesem Sektor seit 2021 hervor. Welches Signal wird damit an den Markt und Investoren gesendet?
Vonovia hat den Markt in diesem Jahr erstmalig genutzt. Es war auch ein Schritt, um diese spezielle Investorenart anzugehen, die man mit klassischen Bondemissionen oder Aktienplatzierungen nicht erreichen kann. Ich glaube in der Tat, dass sich viele große Unternehmen die Emission von Vonovia genau ansehen, denn hier haben wir mit insgesamt 1,3 Mrd. Euro in zwei Tranchen eine echte Jumbotransaktion erfolgreich platziert. Das zeigt, wie tief dieser Markt ist. Wir konnten für Vonovia eine mehrfache Überzeichnung selbst bei diesem hohen Volumen generieren. Es war die größte Wandelanleihe in Europa seit vier Jahren und die größte im europäischen Immobilienmarkt jemals. Nach Vonovia haben wir dann auch einige große Transaktionen von weiteren Investment-Grade-Emittenten gesehen, die Transaktionen deutlich über dem Standardvolumen von 500 Mill. Euro begeben haben.
Sind weitere dieser großvolumigen Transaktionen 2026 zu erwarten?
Ja, das denken wir schon. Die Größe ist ja auch nicht mehr unbedingt bei 10% der Marktkapitalisierung begrenzt. Wenn alle anderen Marktparameter wie zum Beispiel die Aktienliquidität ausreichend vorhanden sind und man die notwendige Ermächtigung der Hauptversammlung hat, dann kann man auch im Gegenwert von bis zu 20% des Eigenkapitals emittieren. Die Deutsche Beteiligungsgesellschaft hat zum Beispiel im vorigen Jahr diese Möglichkeit erstmalig genutzt.
Gibt es Branchen, die eher nicht geeignet sind für Wandelanleihen?
Es gibt keine Branchen, die nicht geeignet sind. Es gibt sicherlich Branchen, die weniger oft den Markt angehen, das liegt aber eher an Gründen, die den allgemeinen Finanzierungsbedarf betreffen. Wenn der Bedarf an Außenfinanzierung niedrig ist, weil das Unternehmen einen gewaltigen Free Cash Flow erzielt, dann werden diese Adressen hier seltener aktiv. Das gilt dann aber auch für alle Kapitalmarktfinanzierungsinstrumente und hat weniger etwas mit Wandelanleihen zu tun. Eine gewisse Volatilität in der Aktie zu haben, ist hilfreich, denn dann steigt der Wert der Call-Option, die das Unternehmen mit dem Convertible verkauft und subventioniert ihren Kupon stärker, d.h. dieser fällt dann vergleichsweise geringer aus.
Welche Branchen waren denn weniger am Markt vertreten?
Wir haben zum Beispiel weniger Emittenten im Consumer & Retail Bereich gesehen, da diese aufgrund ihres hohen Cashflows weniger Finanzierungsbedarf haben.
Es gibt unterschiedliche Strukturen am Markt: Standard, Exchangeables, Multi-Tranche oder Transaktionen von Unternehmen ohne Rating. Zeichnen sich hier Trends ab?
Ja, das war sehr auffällig dieses Jahr. Wir haben wieder mehr sogenannte Non-Dilutive Convertibles gesehen, ca. 40% des europäischen Marktes in diesem Jahr wurde in dieser Form emittiert.
Worum handelt es sich dabei?
Das Unternehmen begibt eine Wandelanleihe, die nur in bar zurückgezahlt wird, also mit einem hundertprozentigem Cash Settlement. Dadurch entsteht natürlich eine offene Position, wenn der Aktienkurs steigt. Als Hedge kauft das Unternehmen Call-Optionen von Banken, die der Call-Option der Wandelanleihe gleicht. Bei perfekten Märkten wäre das Unternehmen dann bei den gleichen Kosten wie bei einem Straight Bond. Da die Option in der Wandelanleihe aber oftmals höher bewertet wird als der Hedge kostet, entsteht ein Kostenvorteil für den Emittenten. Unternehmen wie Ferrovial, Vinci, Iberdrola und andere haben sich so mit attraktiven Finanzierungsmitteln eingedeckt, ohne potentiell Aktien auszugeben. Diese Form ist günstiger als ein normaler Bond, kann aber die Gesamtkosten einer klassischen Wandelanleihe bei weitem nicht schlagen, weil das Unternehmen ja immer noch die Hedgekosten hat, die beim klassischen Wandler wegfallen.
Welche Strukturen gab es noch?
Darüber hinaus haben wir einige kombinierte Aktien- und Wandelanleiheemissionen gehabt. Wir haben zum Beispiel TAG Immobilien bei einer derartigen Transaktion begleitet. Hier wurde eine schnell platzierte Kapitalerhöhung zusammen und zeitgleich mit einer Wandelanleihe an den Markt gebracht. Beide Transaktionsarten vertragen sich gut, so können die der Wandelanleihe zugrunde liegenden Hedgeaktivitäten in die Aktienplatzierung der Kapitalerhöhung elegant integriert werden. Fresenius hat ähnliches erreicht mit einer Platzierung und einer Umtauschanleihe in FMC-Aktien. Man geht hier sehr effizient gleichzeitig zwei unterschiedliche Investorenarten an.
Wie sieht es bei Anleihen mit mehreren Tranchen aus?
Eine Multitranche-Transaktion macht Sinn, wenn man im Rückzahlungskalender des Unternehmens feststellt, dass es effizienter ist, zwei Tranchen mit unterschiedlichen Laufzeiten anzubieten. Damit glättet das Unternehmen die Refinanzierungsanforderungen über einen bestimmten Zeitraum. Die Vermarktung ist zwar etwas aufwändiger, hat aber – wie bei Vonovia gesehen – wunderbar geklappt.
Und wie sieht es für Unternehmen ohne Rating am Markt aus?
Der Trend zu Emissionen aus dem Lager der Emittenten ohne Rating ist auch sehr deutlich geworden. Ein Rating ist bei einer Wandelanleihe keine Voraussetzung und einige Unternehmen gerade aus dem Tech-Bereich sind diesen Markt in diesem Jahr angegangen. Der Investor benötigt gegebenenfalls etwas mehr Zeit, um die Kreditqualität einzuschätzen.
Werden Wandelanleihen von Firmen auch vermehrt im Rahmen des Verbindlichkeitenmanagements eingesetzt?
Wir stellen in der Tat fest, dass zum einen normale Bonds durch günstigere Wandler ersetzt werden. Andererseits managen viele Emittenten von Wandelanleihen ihre ausstehenden Wandler aktiv, d.h. diese werden gegebenenfalls vor Laufzeitende ganz oder teilweise zurückgekauft und durch eine neue Anleihe ersetzen. Gerade bei Anleihen, bei denen der Aktienkurs weit unter Wandlungspreis notiert und und die damit eher einen Bondcharakter haben, sind Investoren schnell bereit, diese für eine neue Wandelanleihe zu tauschen, die wieder ein ausgewogenes Profil aufweist. Der Emittent kann oft deutliche Einsparungen beim Kupon erzielen, die Laufzeit durch die neue Emission verlängern und auch gegebenenfalls Verwässerung durch die Wandlung vermeiden oder verzögern. Das ist auch das Attraktive an diesem Markt: Die Unternehmen können nicht nur die Wandelanleihe selbst durch viele Stellschrauben an ihre Bedürfnisse anpassen, sondern haben auch nach der Emission diverse Möglichkeiten, ihr Verbindlichkeitsmanagement aktiv zu gestalten.
Das Interview führte Kai Johannsen.
