Risikomanagement-Tagung von Union-Investment

Deutschland muss sich auf den europäischen Binnenmarkt fokussieren

Auf der Risikomanagement-Tagung von Union-Investment dringen die Ökonomen Feld und Südekum sowie Ex-EZB-Direktor Mersch auf eine Vertiefung des EU-Binnenmarkts als zentrale Aufgabe der Berliner Politik.

Deutschland muss sich auf den europäischen Binnenmarkt fokussieren

„Unser Vasallentum müssen wir noch eine Weile aushalten“

Ökonom Lars Feld auf der Risikomanagement-Tagung in Mainz

lz Mainz

Die neue Weltunordnung, angestoßen durch US-Präsident Donald Trump etwa durch seine neue Zollpolitik, trifft Brüssel und Berlin zu einem äußerst ungünstigen Zeitpunkt: Denn nicht nur Deutschland sondern auch Europa insgesamt plagt sich schon seit längerem wegen der demografischen Entwicklung mit einem niedrigen Potenzialwachstum herum. Zudem spielt die Region auch bei Innovationen, moderner Technik und hinsichtlich seiner Wettbewerbsfähigkeit zunehmend die zweite Geige. Und nun hat der Kontinent mit den US-Zöllen und dem Importdruck aus China schon die nächste Herausforderung zu stemmen.

Jens Südekum
Union Investment

Auf der Risikokonferenz von Union Investment in Mainz ist sich das Podium einig, dass sich die Region nun mehr auf sich selbst besinnen und den Binnenmarkt ausbauen soll. Der Ökonom Jens Südekum, Berater von Finanzminister Lars Klingbeil, hält „das Geschäftsmodell Deutschlands“ ohnehin für überholt: „So lange die beiden Gorillas in der Weltwirtschaft, China und die USA, weiter das Sagen haben, müssen wir uns auf binnenwirtschaftliche Impulse konzentrieren“. Das Problem: Trotz des Binnenmarkts bestehen in Europa nach wie vor Handelshindernisse mit einem Zolläquivalent von 40% für die Industrie und 100% für Dienstleistungen".

Yves Mersch
Union Investment

USA dominieren Technologien

Der frühere EZB-Direktor Yves Mersch erinnerte daran, dass zu viele Länder in der EU auf ihre Partikularinteressen bestünden. Das gelte auch für Deutschland, wo die Übernahme der Commerzbank durch die italienische Unicredit verhindert werde. Mersch: „Solche Attitüden müssen wir hinter uns lassen“. Eine universelle und tiefgehende Stärkung des Binnenmarkts hält auch Christian Kopf, Leiter Portfoliomanagement bei Union Investment, für den einzig sinnvollen Weg.

Lars P. Feld
Union Investment

Der Ökonom Lars Feld, in der Ampelregierung seinerzeit Berater von Finanzminister Christian Lindner, stimmt dem zu, warnt aber vor der Haltung, dass eine Abkopplung von den USA in absehbarer Zeit gelingen könnte. Europa sei auf zahlreichen Gebieten abhängig von den USA: Militär, Zahlungsverkehrssysteme, Künstliche Intelligenz und Software. Feld: „Wir müssen die Schmerzen unseres Vasallentums noch eine ganze Weile aushalten“.

Planungen beschleunigen

Ob das Infrastruktursondervermögen und der „Deutschlandfonds“ hier helfen können, zumindest das deutsche Wachstum wieder auf Kurs zu bringen? Sowohl Südekum wie auch für Feld ist klar, dass dies ohne Strukturreformen, die Planungen beschleunigen und den Fiskus entlasten nur schwer zu bewerkstelligen wäre. Bei gleichbleibend niedrigem Potenzialwachstum und geschlossener Produktionslücke gingen die staatlichen Ausgaben direkt in die Preise, ist auch Mersch überzeugt. Deshalb hält er es auch für richtig, dass die EZB zunächst das aktuelle Zinsniveau beibehält.

Feld verwies auf nötige Einsparungen im Haushalt und plädierte dafür, den „ganzen Unsinn, der nach wie vor in der Regierungspipeline ist, erst einmal zu stoppen“. Er verweist auf die Mütterrente, die Renten-Haltelinie und die Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie. Auch müssten die Länder bei der Verausgabung des Sondervermögens stärker zur Verantwortung gezogen werden. Dass Berlin damit Bäume pflanzen wolle, sei jedenfalls der falsche Weg.