Im InterviewJohannes Mayr, Eyb & Wallwitz

„Die großen Technologiewerte werden interessant bleiben“

Die Aktienmärkte befinden sich trotz eines nicht gerade einfachen Umfelds in einer Haussephase. Johannes Mayr, Chefvolkswirt des unabhängigen Vermögensverwalters Eyb & Wallwitz aus München, erläutert im Interview der Börsen-Zeitung, wo aktuell Chancen in der Kapitalanlage liegen.

„Die großen Technologiewerte werden interessant bleiben“

Im Interview: Johannes Mayr

„Die großen Technologiewerte werden interessant bleiben“

Chefvolkswirt von Eyb & Wallwitz setzt auf US-Aktien – Schwierigeres Umfeld für europäische Unternehmen

ku Frankfurt

Die Aktienmärkte befinden sich trotz eines nicht gerade einfachen Umfelds in einer Haussephase. Johannes Mayr, Chefvolkswirt des unabhängigen Vermögensverwalters Eyb & Wallwitz aus München, erläutert im Interview der Börsen-Zeitung, wo aktuell Chancen in der Kapitalanlage liegen.

Herr Mayr, wie werden sich die Aktienmärkte und ihr Umfeld im laufenden Jahr nach dem guten Jahrgang 2023 entwickeln?

Es wäre sicherlich überraschend, wenn es 2024 noch einmal so gut laufen würde wie 2023. Wir hatten im vergangenen Jahr eine Sondersituation, weil sehr viel Zinssenkungserwartungen in die Märkte kamen. Davon haben zunächst einmal die Anleihemärkte profitiert und quasi als Zweitrundeneffekt dann auch die Aktienmärkte. Schaut man sich aktuell die makroökonomischen Rahmenbedingungen an, so sieht es aber recht gut aus. Insbesondere in den USA haben wir ein auskömmliches reales Wachstum mit ungefähr dem gleichen Tempo wie im vergangenen Jahr von rund 2%. Zudem ist mit einem nur langsamen Rückgang der Inflationsrate zu rechnen, und damit mit einem nominellen Wirtschaftswachstum von rund 5%. Dies ist ein Umfeld, in dem viele Unternehmen ordentliche Gewinn- und Umsatzentwicklungen vorweisen können.

Sind Sie auch für Europa zuversichtlich?

Für Europa sind wir etwas skeptischer mit einem sehr schwachen realen Wachstum, vor allem in Deutschland. Auch dürfte die Inflation in Europa schneller zurückgehen. Dies ist ein Umfeld, in dem sich viele Unternehmen deutlich schwerer tun dürften.

Auf welche Regionen legen Sie in der Aktienanlage neben den USA derzeit Ihren Fokus? Wie beurteilen Sie die Aussichten für die Emerging Markets?

Die Emerging Markets sehen fundamental vielversprechend aus. Das Wachstumsdifferential zwischen den Schwellenländern und den entwickelten Volkswirtschaften wird in diesem Jahr maximal ausfallen. Das liegt zum einen daran, dass in den entwickelten Volkswirtschaften die Konjunktur etwas an Fahrt verliert, und zum anderen daran, dass die Emerging Markets in diesem Jahr die Früchte davon ernten, dass sie früh angefangen haben, die Zinsen anzuheben. So befinden sich die Notenbanken vieler Schwellenländer bereits im Zinssenkungszyklus. Von diesen lockereren Finanzierungskonditionen sollten diese Wirtschaftsräume profitieren.

Wie gehen Sie bei Investitionen in die Emerging Markets vor?

Nun, unsere Kernkompetenz liegt nicht in den Emerging Markets. Wir investieren aber nicht so sehr mit dem Blick auf die Attraktivität eines Landes oder einer Region. Wir schauen uns stattdessen nach interessanten Geschäftsmodellen von Unternehmen um. Wenn die Unternehmen dann in den Schwellenländern ihren Heimatsitz haben, gehen wir solche Engagements auch ein. Wir investieren auch gerne indirekt in diese Länder. So gehen wir beispielsweise nicht direkt in den chinesischen Markt, sondern investieren in Unternehmen aus den entwickelten Ländern, die in ihren Geschäftsmodellen einen starken Fokus auf China haben.

Welche Branchen sind für Sie derzeit weltweit mit Blick auf die Aktienanlage attraktiv?

Wir fokussieren uns stark auf die langfristigen Wachstumstrends, also auf Bereiche, in denen wir binnen drei bis fünf Jahren eine Überrendite erwarten. Dazu zählt insbesondere in den USA die Digitalwirtschaft, aber auch der Gesundheitssektor, der auch langfristig schneller wächst als viele andere Bereiche und der von den demografischen Trends profitiert. Innerhalb der Digitalwirtschaft gibt es dann interessante Themen wie beispielsweise die Netzsicherheit oder künstliche Intelligenz, die enorme Investitionen nach sich ziehen.

In den USA wird der Aktienmarkt ja von den großen Technologieunternehmen geradezu beherrscht. Sind diese inzwischen überbewertet?

Wir halten die großen Technologiewerte nach wie vor für interessant, sie werden auch interessant bleiben. Wir haben auch einige dieser sieben großen Konzerne im Portfolio, weil sie von den großen Entwicklungen in der digitalen Wirtschaft profitieren werden. Sie sind in der Lage, attraktive Margen und Überrenditen zu erwirtschaften, weil sie oft als klassischer Monopolist oder Oligopolist auftreten. Sie beherrschen also diese Trends und diese Märkte. Mit unserem Schumpeter-Ansatz setzen wir grundsätzlich entweder auf Unternehmen, die den Markt beherrschen und ihre Margen sichern können, oder aber auf Herausforderer, die das Potenzial haben, einen Markt aufzumischen. Dies wären typischerweise kleinere und jüngere Unternehmen, aber in Märkten wie künstliche Intelligenz treten die großen Konzerne in beiden Rollen auf – als Monopolist und als Innovator. So war ein Unternehmen wie Microsoft lange Zeit im Cloud-Geschäft führend und in der Bürosoftware dominant, greift nun aber durch den Zukauf von ChatGPT Alphabet in seinem Heimatmarkt an.

Warum sind die großen Konzerne in den neuen Bereichen führend? Sind dort besonders hohe Investitionen notwendig?

Die Konzerne sind sehr kapitalstark und verfügen über große Reserven, um in diesen Märkten aufstrebende Geschäftsmodelle aufzukaufen. Aber sie investieren auch originär in diese Wachstumstrends. Dies ist auch einer der großen Vorteile des amerikanischen Marktes insgesamt, dass es in diesem Bereich viel Investitionstätigkeit und Innovation gibt. So entfallen in den USA bereits 40% der gesamten Unternehmensinvestitionen auf den Bereich Software. In Europa sind dies nur zwischen 10 und 15%. Die europäischen Unternehmen investieren hingegen weiterhin klassisch, vor allem in Infrastruktur und Maschinen und in Gebäude. Auch deshalb ist das Wachstumspotenzial in den USA langfristig größer.

Was erwarten Sie 2024 für die Anleihemärkte mit Blick auf die Perspektive sinkender Zinsen?

Was das Umfeld der Märkte betrifft, so agieren die Notenbanken datenorientiert, sie wissen also derzeit wohl selbst noch nicht genau, wann sie mit den Zinssenkungen beginnen. Mit Blick auf die schwächere Konjunktur in Europa und die hier schneller sinkende Inflation halten wir es für durchaus realistisch, dass die EZB erstmals vor der Federal Reserve die Zinsen senken wird. Für die amerikanische Wirtschaft ist die Perspektive einer weichen Landung nach wie vor unser Basisszenario, mit einer langsamer zurückgehenden Inflation. Das ist positiv für die Anleihemärkte, wenngleich dort schon vieles eingepreist ist. Insofern ist es nicht auszuschließen, dass es dort kurzfristig zu einer Art Ernüchterung kommt. Für das Gesamtjahr haben wir global eine Erwartung für die Rendite an den Anleihemärkten von rund 4 bis 5%. Die Rendite an den Aktienmärkten sehen wir dagegen im Bereich von 8 bis 9%. Damit ist der Abstand zwischen Aktien und Anleihen deutlich geringer, als er es in den vergangenen zehn Jahren war. Bislang waren Anleihen kaum eine attraktive Anlagealternative, das hat sich aber geändert. In einem ausgewogenen Portfolio sollte man nun sowohl Aktien als auch Anleihen haben. Anleihen bieten nicht nur wieder attraktive Renditen, sie sind auch ein Stoßdämpfer im Portfolio gegen konjunkturelle Krisen, die mit Sicherheit irgendwann kommen.

Wo sehen Sie Ihre Präferenzen im Bereich der Anleihemärkte?

Wir investieren antizyklisch in Stabilitäts- und Ertragsquellen. Auf der einen Seite in Staatsanleihen und bonitätsstarke Unternehmensanleihen, die die Funktion des Risikopuffers im Portfolio gut übernehmen können. Und auf der anderen Seite, wenn es vom Konjunkturzyklus angesagt ist, investieren wir auch stärker in etwas risikoreichere Papiere wie High-Yield-Unternehmensanleihen. Aktuell ist die Attraktivität der bonitätsstarken Anleihen höher und die im High-Yield-Bereich deutlich niedriger.

Bei den Hochzinsanleihen wird das Risiko, das man sich auf die Bücher nimmt, nur sehr gering bezahlt – die Risikoprämien sind niedrig. Wir sind noch nicht so weit im Konjunkturzyklus, als dass eine Eintrübung für eine Ausweitung der Risikoprämien sorgt. Dann wird auch die Attraktivität von Hochzinsanleihen wieder zunehmen.

Wie sind Ihre regionalen Präferenzen an den Anleihemärkten?

Auf der Anleiheseite sind wir sehr stark in Europa engagiert, weil hier die konjunkturelle Entwicklung keine ganz so große Rolle spielt – auch wenn natürlich Zahlungsausfälle vermieden werden müssen. In Europa kennen wir die Unternehmen genau, wir können einschätzen, wie riskant die Engagements hier sind.

Rechnen Sie mit größeren Verschiebungen an den Devisenmärkten?

Aktuell sehen wir die großen Währungen als nicht besonders stark über- oder unterbewertet an. Wir sehen Spannweiten, die man sich auch für die nächsten Jahre vorstellen kann, beim Euro etwa in der Größenordnung von 1,10 Dollar. Mit Blick auf die ökonomischen Modelle ist der Euro etwas unterbewertet. In der ganz langen Frist sollte er wieder etwas stärker werden. Solange aber die europäische Wirtschaft relativ schwach läuft und die Zinsen strukturell niedriger sind als in den USA, werden sich dennoch keine großen Änderungen ergeben in Richtung einer Kaufkraftparität. Daher ist es aus unserer Sicht wenig sinnvoll, im Währungsbereich Wetten einzugehen. Wir versichern uns auch nicht gegen Währungsrisiken, weil das sehr teuer ist und damit unattraktiv. Da wir im Dollarraum stark in international ausgerichtete Unternehmen investieren, ist das eigentliche ökonomische Währungsrisiko in unserem Portfolio relativ gering. Daher zeigt sich beispielsweise eine Schwankung des Euro-Dollar-Kurses von 10% im Portfolio nur mit einer Wertveränderung von 1%. Das ist für uns eine Art internes Hedging.

Wie gehen Sie mit den derzeit vorherrschenden geopolitischen Konflikten in Ihren Portfolios um?

Nun, diese Krisen sind oft medial sehr stark vorherrschend, die Auswirkungen auf die Unternehmen, in die wir investieren, sind aber häufig eher gering. Die Einflüsse der Krisen auf die Kapitalmärkte werden insgesamt häufig stark überschätzt. Das galt beispielsweise für die Terroranschläge vom 11. September 2001, für den Brexit und für die Coronavirus-Pandemie. Wichtiger als die kurzfristige Reaktion auf Krisen ist es, sich zu fragen, welche  Veränderungen langfristig wirken. Das wird oft unterschätzt. Wir müssen uns mit Blick auf geopolitische Krisen daher stets fragen, ob sich dadurch für die Unternehmen, ihre Ertragsperspektiven und Geschäftsmodelle etwas ändert.

Das Interview führte Dieter Kuckelkorn.

Zur Person: Johannes Mayr ist seit April 2021 Chefvolkswirt des unabhängigen Münchener Vermögensverwalters Eyb & Wallwitz. Zuvor führte er ab 2017 die Abteilung Investment Research der BayernLB, wo er die Verantwortung für die Analyse globaler Kapitalmärkte und die Betreuung institutioneller Kunden zu den Themen Makro, Renten, Aktien, Währungen und Rohstoffen innehatte. Seit 2011 war er Senior Economist und Teamleiter Volkswirtschaft bei der BayernLB mit dem Fokus auf den Euro-Raum und die EZB.

Johannes Mayr ist Chefvolkswirt des unabhängigen Vermögensverwalters Eyb & Wallwitz aus München.