Schweizer Aktienmarkt

Die Hidden Champions zeigen ihr großes Potenzial

Mit einer positiven Performance von gut 6% seit Jahresbeginn hinkt der Schweizer Aktienmarkt den besten Börsen Europas gerade weit hinterher. Weil Schwergewichte wie Nestlé und Roche den Markt bremsen, wächst das Interesse der Investoren an Titeln kleinerer Unternehmen.

Die Hidden Champions zeigen ihr großes Potenzial

Schweizer Aktienmarkt

Die Hidden Champions zeigen ihr großes Potenzial

In der Schweiz spielen zahlreiche mittelgroße und kleinere Unternehmen in der Weltliga mit – Deren Aktien werden gerade neu entdeckt.

Von Dani Zulauf, Zürich

Die Lage ist besser als die Stimmung. Das Bonmot passt wie die Faust aufs Auge zur aktuellen Situation am Schweizer Aktienmarkt. Im Land des Frankens, das auch bei vielen Aktienanlegern als sicherer Hafen gilt, fehlte es in den vergangenen Monaten nicht an schlechten Nachrichten. Exakt zum 1. August, dem schweizerischen Nationalfeiertag, erschreckte Donald Trump die Eidgenossen mit seinem (vorerst) letzten Wort zum Thema Zölle: Satte 39% schlagen die Amerikaner nun beim Import auf alle Waren „Made in Switzerland“ - die Medikamente bleiben vorerst noch ausgeklammert. Kein anderes europäisches Land bezahlt für seine Exportgüter einen derart hohen Satz Eintrittspreis in Amerika. Die EU kommt mit ihren 15% vergleichsweise günstig davon.

Weit hinter Griechenland

Derweil lastet auf den Basler Pharmamultis Roche und Novartis (wie auch auf anderen großen Medikamentenherstellern) Trumps Drohung, die Einfuhren der Arzneien in sein Land mit einem Zoll von 250% zu belasten, wenn die Konzerne die Preise für den US-Markt nicht drastisch senken. An bessere Zeiten mögen sich auch die Nestlé-Aktionäre erinnern, deren Unternehmen in dem für Markenhersteller ohnehin nicht einfachen Marktumfeld mit eklatanten und erst noch hausgemachten Führungsproblemen zu kämpfen hat. Trotz vieler schlechter Nachrichten von teilweise besorgniserregendem Gehalt hat der Swiss-Market-Index der 20 wertvollsten Unternehmen an der Schweizer Börse seit Jahresbeginn gut 6% zugelegt. Damit liegt er im Vergleich mit den derzeit besten Aktienmärkten Europas drei (Deutschland), vier (Italien), fünf (Spanien) und gar sieben (Griechenland) Längen im Rückstand. Aber für Investoren, die in US-Dollar rechnen, waren Schweizer Aktien heuer dennoch keine schlechte Wahl. So hat sich die amerikanische Valuta im Vergleich zum Franken seit Jahresbeginn um mehr als 12% abgewertet, gerade so viel wie der MSCI Weltaktienindex in Dollar zugelegt hat.

Und die Perspektiven für Anlagen in helvetische Beteiligungspapiere sehen – ceteris paribus – gar nicht schlecht aus. Die Bewertung des Schweizer Aktienmarktes bewegt sich im Mittel noch etwa bei einem 17-fachen Jahresgewinn oder rund 10% unterhalb des MSCI Weltaktienmarktes. Üblicherweise ist der Schweizer Markt mindestens gleich teuer wie der Weltaktienmarkt, oft auch deutlich teurer. Diese Anomalie hat natürlich viel mit der ungewöhnlich hohen Bewertung der „glorreichen Sieben“ zu tun, die im MSCI-Weltindex ein Gewicht von rund 20% auf sich vereinen und alle anderen Märkte relativ gesehen billig erscheinen lassen.

Aber die Bewertung des Schweizer Marktes ist auch aufgrund der schwachen Performance ihres größten Einzelwertes Nestlé deutlich zurückgegangen. Die Aktien des Nahrungsmittelriesen sind im laufenden Jahr keinen Schritt weitergekommen. Eine zwischenzeitliche Erholung nach dem Tief von Anfang Jahr hat sich im Zug der heimlichen Liebesaffäre des inzwischen freigestellten CEO Laurent Freixe als Blase erwiesen. Die Roche-Valoren haben sich auf dem nunmehr schon seit zweieinhalb Jahren gedrückten Niveau 2025 immerhin leicht erholt. Doch gezogen wird das Trio der drei Schwergewichte am Schweizer Aktienmarkt allein von Novartis.  

Gewiss, hinter diesen Schwergewichten gibt es andere Unternehmen deren Marktkapitalisierung um die 100 Mrd. sfr oszilliert (UBS) oder leicht darunter liegt (Zurich). Doch es sind offensichtlich die Aktien von Unternehmen aus den tieferen Gewichtsklassen, in denen derzeit das größte Potenzial des Marktes zu schlummern scheint. Anastassios Frangulidis, Chefökonom von Pictet, denkt an die zahlreichen Schweizer „Hidden Champions“, die in ihren exakt definierten Märkten international und teilweise sogar weltweit führende Positionen besetzen und dort immer wieder eine erstaunliche Preismacht ausspielen können. Freilich sind die Small- und Mid-Cap-Perlen in den Tiefen des Aktienmarktes nicht immer leicht zu finden. Von den 70 Titeln, die den MSCI Switzerland Small-Cap-Index bilden weisen 35 eine Marktkapitalisierung von weniger als 1,2 Mrd. sfr auf.

Niedrige Bewertungen

Mit Swissquote und Accelleron verfügt allerdings auch der Small-Cap-Index über relative Schwergewichte mit guter Visibilität. Erstere ist eine Digitalbank, die seit der Übernahme der Credit Suisse durch UBS bei der Gewinnung von Neukunden in der Schweiz viel Fahrt aufgenommen hat. Accelleron rüstet die weltweite Hochseeschifffahrt mit ihren energiesparenden Turboladern und seit der Abspaltung vom ABB-Konzern vor drei Jahren ist das eine Unternehmen ganz auf Expansionskurs eingeschwenkt. Das sind nur zwei Beispiele von Unternehmen, denen Trumps Zollpolitik kaum oder nur indirekt ins Kontor schlägt. Die Bewertungen vieler mittelgroßer und kleinerer Unternehmen am Schweizer Aktienmarkt bewegen sich im laufenden Jahr zwar unverkennbar nach oben (vgl. Grafik und Tabelle). Doch in vielen Fällen lägen sie immer noch deutlich unter den Niveaus, die sie im Nachgang zur Covid-Krise erreicht hätten, sagt Frangulidis. In der Covid-Krise hatten die zahlreichen versteckten Champions der Schweizer Unternehmenswelt ihre Resilienz auf eindrückliche Weise unter Beweis gestellt.

Die Investoren scheinen nicht zu Unrecht eine Wiederholung dieses Märchens vorwegzunehmen. Einmal abgesehen davon, dass in der derzeit fragilen Weltlage alles sehr rasch ändern kann, erscheint das wachsende Vertrauen der Anleger in die kleineren Werte am Schweizer Aktienmarkt durchaus vernünftig. Viele dieser Unternehmen verkaufen ihre Produkte vorwiegend in europäischen Märkten. Vor diesem Hintergrund rechnen die meisten Ökonomen trotz des US-Zollhammers weiterhin mit Wachstumsraten für die Schweizer Wirtschaft von rund 1%.

Mit einer positiven Performance von gut 6% seit Jahresbeginn hinkt der Schweizer Aktienmarkt den besten Börsen Europas gerade weit hinterher. Weil Schwergewichte wie Nestlé und Roche den Markt bremsen, wächst das Interesse der Investoren an Titeln kleinerer Unternehmen. An Qualität herrscht dort kein Mangel.