Die Kleinen lieber als die Großen
Der Schweizer Aktienmarkt hat nun auch gemessen am Blue-Chip-Index SMI ein Rekordhoch erreicht – Dividenden sind in dem Index nicht eingerechnet. Besser lief es aber im Segment der Small- und Mid Caps. Sie gelten auch für das laufende Jahr als Favoriten.Von Daniel Zulauf, ZürichEndlich hat nun auch der Swiss-Market-Index (SMI) sein über zehn Jahre altes Allzeithoch übertroffen. Das Kursbarometer der 20 wertvollsten Unternehmen am Schweizer Aktienmarkt erreichte den Rekord Mitte Januar mit erheblicher Verspätung auf viele andere internationale Indizes.Aber jede Statistik ist bekanntlich mit Vorsicht zu genießen. Der SMI ist nur ein Preisindex. Die abgebildete Performance der zugrundeliegenden Aktien bezieht sich allein auf die Kursveränderungen, während die von den Unternehmen bezahlten Dividenden nicht in die Performance-Berechnung einfließen. Der Swiss-Performance-Index (SPI), der den Gesamtmarkt mit allen 205 Titeln abbildet, hat sein Allzeithoch schon vor mehr als vier Jahren überschritten, denn der SPI ist ein Total-Return-Index, der die Dividenden in die Performance einbezieht. Teure Large CapsDer verspätete Rekordlauf des SMI bedeutet also nicht, dass Aktien in der Schweiz billiger wären als in anderen Ländern. Teuer erschienen Dividendenpapiere überall, zumal im historischen Vergleich: Anastassios Frangulidis, Investmentstratege der Genfer Privatbank Pictet, setzt die aktuellen Aktienpreise ins Verhältnis zu den von ihm und seinen Analysten prognostizierten Unternehmensgewinnen im laufenden Jahr. Daraus ergibt sich ein durchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für den Gesamtmarkt von etwa 21. Amerikanische Aktien sind in dieser Betrachtungsweise nur unwesentlich teurer als Schweizer Titel. Im historischen Durchschnitt bewegen sich die KGVs in den beiden Märkten um den Faktor 17, sagt Frangulidis. So gesehen sind beide Märkte aktuell mehr als 20 % überbewertet.Im Wissen um die hohen Bewertungen ließen die Investoren im vergangenen Jahr die immer gleichen Favoriten links liegen, um im Segment der sogenannten Nebenwerte umso tiefer zu graben. So kam es denn auch, dass der Index für Schweizer Nebenwerte (SPI Extra) 2017 um über 30 % zulegte, während der SMI gerade die Hälfte davon erreichte.Aus dem Muster lässt sich die steigende Risikobereitschaft der Anlegergemeinde herauslesen. So unterliegen Small-Cap-Aktien typischerweise größeren Kursschwankungen als die Dividendenwerte von Großunternehmen. Ein Grund dafür ist, dass kleinere Gesellschaften mit ihrer oft industriellen Prägung den Konjunkturzyklen stärker ausgesetzt sind als typische Multis. Mit dem Halbleiterhersteller AMS und dem Solarindustriezulieferer Meyer Burger gewannen 2017 denn auch die Aktien von zwei Firmen den Schönheitswettbewerb, die als ausgesprochen schwankungsanfällig gelten. Zykliker laufen gutVon den 70 Nebenwerten im SPI Extra, die 2017 mehr als 30 % an Wert zulegen konnten, repräsentieren zwei Drittel klassische Industriezweige, die erfahrungsgemäß überdurchschnittlich empfindlich auf konjunkturelle Veränderungen reagieren. Umgekehrt blieben Werte mit defensiven Qualitäten wie die beiden im Apothekengeschäft tätigen Börsenneulinge Zur Rose und Galenica deutlich hinter dem Feld zurück.Mit einer baldigen Eintrübung der Konjunktur rechnet in der Schweiz kaum jemand. Mit Blick auf das sich beschleunigende Wachstum in den USA und in Europa wird drei Jahre nach dem letzten Frankenschock auch im Alpenland eine deutliche Tempoverschärfung erwartet. Besonders hilfreich für die Industrie ist der schwächere Franken. Viele Auguren erwarten, dass der Euro bis Ende des Jahres wieder mehr als 1,20 sfr kosten wird. Für Christoph Schenk, Anlagechef der Zürcher Kantonalbank (ZKB), sind Wechselkursvorteile der Schweizer Unternehmen erst teilweise in den Aktienpreisen enthalten. Aktien bleiben für die Bank deshalb auch im neuen Jahr noch erste Wahl. Auch die aktuelle Präferenz für Small-Cap-Anlagen dürfte sich im Urteil der Investmentstrategen fortsetzen. Ein guter Grund dafür ist auch das Zinsniveau, das in der Schweiz niedriger ist als in jedem anderen Land der Welt. So gibt es den erwiesenen Zusammenhang, dass niedrige Zinsen höhere Aktienpreise ergeben müssen – nicht nur, weil die negativ rentierenden Anleihen der Eidgenossenschaft keine echte Alternative für die Anleger sind.Ein zweiter Grund für den Zusammenhang ist auch der Umstand, dass Investoren Aktien in einem Niedrigzinsumfeld zu Recht als sicherere Anlagen wahrnehmen. Schließlich wirken sich niedrige Fremdkapitalkosten in einem Unternehmen risikomindernd aus. Für diesen Zugewinn an Sicherheit akzeptieren die Investoren typischerweise auch niedrigere Renditen bzw. sie nehmen höhere Bewertungen in Kauf. Mehr AktienrückkäufeDie Schweizer Large Caps dürften deshalb auch im neuen Aktienjahr zweite Wahl bleiben. In den vergangen Jahren haben die Unternehmen ihre Kurse nicht zuletzt mit hohen Dividendenausschüttungen und jüngst vermehrt mit Aktienrückkaufprogrammen in Schwung gehalten. Allein in den vergangenen fünf Jahren haben die im Swiss-Leader-Index (SLI) zusammengefassten 30 größten Gesellschaften an der Schweizer Börse die Dividendensumme von 33 Mrd. sfr (2012) auf 39 Mrd. sfr (2016) erhöht.Die Aktienrückkäufe zwecks Kapitalherabsetzung erreichten teilweise ebenfalls zweistellige Milliardenbeträge. Während die Ausschüttungen und Aktienrückkäufe in den vergangen fünf Jahren also um gegen 30 % bzw. 6 % pro Jahr gestiegen sind, haben sich die Gewinne vieler großer Unternehmen nur unterproportional entwickelt. Die gute Konjunktur ist kein Versprechen, dass die Gewinne die Lücke bald schließen werden. Denn Roche, Novartis und Nestlé, die drei mit Abstand größten Dividendenzahler der Schweizer Wirtschaft, folgen ihren eigenen Zyklen. Die drei Multis haben derzeit auch besondere Herausforderungen zu meistern, die noch kaum zuverlässige Erfolgsprognosen zulassen.