Die Rückkehr der Volatilität
Lange Zeit haben die Aktienbörsen weltweit nur eine Richtung gekannt: nach oben. Viele Indizes eilten von Allzeithoch zu Allzeithoch. Die Schwankungen waren dabei so niedrig, dass viele Volatilitätsindizes in lange nicht oder gar noch nie gesehene Tiefen stürzten. Der Vix, der die implizite Volatilität von Optionen auf den S & P 500 widerspiegelt, notierte so niedrig wie zuletzt im Jahr 1993. Der VStox, der Volatilitätsindex des Euro Stoxx 50 fiel auf seinen niedrigsten Wert seit der Einführung des Index im Jahr 1999. Bovespa stürzt abDoch dann stürzte der brasilianische Bovespa im Mai innerhalb von nur drei Tagen um gut 12 % ab. Der in US-Dollar gehandelte MSCI Brazil kollabierte im gleichen Zeitraum aufgrund des zusätzlichen Währungseinflusses um 21 %. Wenige Wochen später verlor der Qatar Exchange Index innerhalb von vier Tagen 11 %. In diesen Fällen lassen sich die Kursstürze mit lokalen politischen Krisen begründen. Doch der Übergriff der Schwankungen auf die etablierten Börsen ließ nicht lange auf sich warten. Für einen Rückgang um 4,5 % brauchte der Nasdaq 100 Index keinen vollen Handelstag.Gleichzeitig kletterten die impliziten Volatilitäten der betroffenen Indizes deutlich nach oben. Der Volatilitätsindex des Nasdaq 100, der im März noch bei weniger als 10 Volatilitätspunkten notierte, wurde plötzlich wieder bei 21 gehandelt und damit 5 Punkte höher als im Durchschnitt der vergangenen Jahre. Der Volatilitätsindex des MSCI Brazil sprang nach einem Jahrestief bei 22 Volatilitätspunkten bis auf 59. Zum Vergleich: der Fünfjahresdurchschnitt liegt hier bei 33 Volatilitätspunkten.Bei den Indizes, bei denen die impliziten Volatilitäten noch auf rekordtiefen Werten notieren, sprechen die Optionsmärkte eine deutliche Sprache: Die Volatilitätskurve ist zwischen kurzen Laufzeiten wie drei Monaten und mittleren Laufzeiten wie einem Jahr so steil wie seit fünf Jahren nicht mehr. Das bedeutet, dass auch bei diesen Indizes mit einem unmittelbar bevorstehenden Volatilitätsanstieg gerechnet werden muss. Auf den ersten Blick mag das für viele Investoren eine schlechte Nachricht sein. Wird doch Volatilität häufig mit Risiko gleichgesetzt. Und tatsächlich gehen Phasen steigender Volatilität aufgrund der überwiegend gegenläufigen Entwicklung zum Aktienmarkt meist mit Kursverlusten an den Aktienbörsen einher.Umso wichtiger ist es, Volatilität nicht als Risiko oder lästige Schwankung zu betrachten, sondern als eigenständige Assetklasse und Renditequelle. Die Möglichkeiten, natürliche Schwankungen in positive Performance umzuwandeln, sind vielfältig. Und je nach angewendeter Strategie kann das Ergebnis dann ein Absolute-Return-Vehikel mit renten- oder aktienähnlichem Risikoprofil sein. So können beispielsweise Optionen oder Optionsstrukturen wie Spreads auf Aktienindizes verkauft werden. Da sich ein Volatilitätsanstieg unmittelbar auf die Höhe der beim Verkauf zu erzielenden Optionsprämien auswirkt, ist das Resultat eines Volatilitätsanstiegs hier ein erhöhtes Performance-Potenzial. Das Risikoprofil der Strategie kann dann beispielsweise durch die Höhe der Basispreise, also den Sicherheitspuffer, bis zu dem die Strategie grundsätzlich gegen Verluste immun ist, sowie ggf. durch den Kauf einer gegenläufigen Option sowie durch den Grad der Exponierung an die Bedürfnisse eines jeden Investors angepasst werden. Durch ein aktives Risikomanagement und eine weltweite Diversifikation bei den Basiswerten der Optionen kann das Risiko zusätzlich reduziert werden. Erhöhte Vorsicht angebrachtHäufig wird das Sprichwort “Angst ist ein schlechter Ratgeber” als Börsenweisheit zitiert. Zumindest erhöhte Vorsicht ist nach der Rekordjagd an den Aktienbörsen angebracht. Angst ist – zumindest mit den richtigen Strategien – jedoch vermeidbar. Im Gegenteil: Mit den richtigen Strategien lässt sich Geld verdienen, wenn die nicht umsonst häufig als “Angstbarometer” bezeichneten Volatilitätsindizes ansteigen.—-Thomas Altmann, Leiter des Portfoliomanagements von QC Partners