Im InterviewGeorg Nitzlader, Raiffeisen

„Die Zinsen bleiben länger oben, als der Markt glaubt“

Georg Nitzlader bezweifelt, dass die Fed bereits in diesem Jahr ihre Zinsen senkt. Der Leiter Anleihen und Senior Fondsmanager von Raiffeisen geht davon aus, dass lang laufende Anleihen nicht sehr stark performen werden.

„Die Zinsen bleiben länger oben, als der Markt glaubt“

IM INTERVIEW: GEORG NITZLADER

„Die Zinsen bleiben länger oben, als der Markt glaubt“

Fondsmanager: Das lange Ende des Anleihemarktes wird nicht sehr stark performen

Nach Meinung von Georg Nitzlader irrt sich der Markt mit der Annahme, dass die Fed bereits in diesem Jahr zu Zinssenkungen übergehen wird. Der Leiter Anleihen und Senior-Fondsmanager von Raiffeisen geht vor diesem Hintergrund davon aus, dass das lange Ende des Anleihemarktes sich nicht sehr stark entwickeln wird.

Herr Nitzlader, wie beurteilen Sie die weiteren Aussichten, was die Leitzinsen betrifft?

Wir befinden uns in einem Spannungsfeld aus Inflation auf der einen Seite und Rezession auf der anderen Seite. Hinzugekommen ist nun das Thema Finanzstabilität, zuletzt ein weiteres Mal durch Volatilität bei den US-Regionalbanken. Das Dilemma der Notenbanken ist, dass die Inflation langsam zurückkommt, die Kernrate aber stabiler ist, als es ihnen recht sein kann. Unsere Meinung ist aber, dass die Zentralbanken aufgrund der üblichen Zeitverzögerung zwischen Zinserhöhungen und ihren Wirkungen jetzt Leitzinsanhebungen beschließen, die sich als zu weitgehend herausstellen werden. Wir gehen davon aus, dass weitere Zinsschritte kommen können, aber wir uns dem Ende des Zinserhöhungszyklus nähern.

Wo sehen Sie die Terminal Rate der EZB und der Fed?

Für den Einlagesatz der EZB sehen wir sie bei 3,75%. Bei der Fed glauben wir, dass wir mit 5% weitgehend durch sind.

Teile des Marktes denken, dass die Fed in diesem Jahr schon zu ersten Leitzinssenkungen übergehen wird. Was denken Sie?

Wir glauben nicht, dass die Fed in diesem Jahr senken wird. Zwar sind 5,25% das Maximum, aber an aggressive Zinssenkungen glauben wird nicht. Da hat sich der Markt zu weit hinausgewagt. Die Zinsen bleiben länger oben, als der Markt glaubt. Die große Unbekannte ist der Bankensektor, vor allem die US-Regionalbanken, der für die Kreditvergabe – Stichwort Kreditklemme – maßgeblich ist. Die Kreditkonditionen haben sich nach Silicon Valley Bank und Credit Suisse stark verschlechtert. Zwar haben sie sich relativ schnell erholt, nachdem die Fed Liquidität zur Verfügung gestellt hat. Die First Republic Bank hat aber gezeigt, dass das Problem der Abflüsse weiterbesteht. Die Banken müssen für Einlagen deutlich mehr zahlen oder sie vergeben weniger Kredite, und die zu ungünstigeren Konditionen.

Wie wirkt sich das auf die Wirtschaft aus?

Wenn Kredit teurer wird, werden die privaten und gewerblichen Investitionen zurückgehen, was einen dämpfenden Effekt auf die Wirtschaft hat. Unserer Einschätzung nach ist eine Rezession gegen Ende des Jahres wahrscheinlich. Wir gehen von einer moderaten Rezession aus.

Werden die Zentralbanken dann die Zinsen senken?

Wenn sich die Effekte hoher Zinsen und einer geringeren Kreditvergabe bemerkbar machen, wird das die Inflation dämpfen. Damit wird sich Spielraum für die Zentralbanken ergeben, die Zinsen zu senken. Der US-Arbeitsmarkt ist noch stark, aber die Effekte der Notenbankpolitik zeigen sich bereits, beispielsweise durch die Entlassungspläne der Technologiebranche. Wir gehen davon aus, dass auch die Kerninflation zurückgehen wird.

Warum steigen die Aktienmärkte trotz dieser Aussichten?

Wir befinden uns in einem lehrbuchmäßigen Zyklus, und es ist bemerkenswert, dass die Aktien- sowie die Credit-Märkte trotz der gestiegenen Zinsen so resilient sind und sich in der Nähe ihrer Höchststände befinden. Ein Grund für die Resilienz ist, dass die Unternehmen die Inflation weiterreichen konnten, wodurch ihre Ergebnisse stabil geblieben sind.

Wie beurteilen Sie die Aussichten der Anleihemärkte?

2022 war für viele Assetklassen verlustreich, auch für Anleihen, egal ob Staats- oder Unternehmensanleihen. Das High-Yield-Segment hat sich erstaunlicherweise besser gehalten. Ein Grund dafür dürfte sein, dass das Laufzeitenprofil kürzer ist. Die Risikoaufschläge im Investment-Grade- und im High-Yield-Bereich sind 2022 gestiegen, seit dem Herbst jedoch signifikant gesunken. Aber: Die große Zinsanpassung hat 2022 stattgefunden. In diesem Jahr haben wir Renditen von knapp 2,5%, am kurzen Ende noch höhere. Wir sind nicht mehr so negativ für den Zinsmarkt und sind jetzt, was Duration betrifft, selektiv long. Wir sind aber nicht sehr ausgeprägt long, weil sich die Kerninflation noch auf einem hohen Niveau befindet. Unserer Einschätzung nach wird das lange Ende nicht sehr stark performen. Wenn wir den Einlagesatz der EZB mit 3,75% erwarten, dann sind zehnjährige Bundesanleihen mit 2,5% nicht sonderlich attraktiv. Wir glauben aber, dass die Anleihemärkte mittelfristig einen Boden gefunden haben.

Bankanleihen haben zuletzt stark im Fokus gestanden. Erwarten Sie hier weiteren Druck?

Im Investment-Grade-Bereich gibt es eine sehr ausgeprägte Divergenz zwischen dem Finanz- und dem Nichtfinanzbereich. Die Risikoaufschläge waren lange Zeit auf gleichem Niveau, laufen aber seit Mitte 2022 auseinander. Im Finanzbereich sind die Renditen 60 Basispunkte höher. Während sich der Nichtfinanzbereich recht gut gehalten hat, ist der Finanzbereich unter Druck geraten. Ein Grund ist, dass es viel mehr Emissionen im Finanz- als im Nichtfinanzbereich gegeben hat. Das hat die Risikoaufschläge der Finanzinstitute erhöht. Nachdem sie wieder zurückgegangen waren, kam es zu den Turbulenzen bei den Regionalbanken und zur Übernahme der Credit Suisse durch die UBS. Durch das größer gewordene systemische Risiko hat sich der Abstand wieder vergrößert.

Wie positionieren Sie sich?

Strategisch sind wird im Finanzbereich untergewichtet. Wir wollen in unseren Credit-Fonds nicht den breiten Markt abdecken. Er hat eine signifikante Financials-Quote von 44%, weil der Sektor eben mehr emittiert hat. Wir mischen Financials bei, weil die Renditen jetzt attraktiv sind, begrenzen das aber auf 20%. Wenn es Probleme in dem Sektor gibt, wollen wir dort nicht übergewichtet sein. In den zurückliegenden Monaten sind wir nahe an die 20% herangekommen. Der Sektor bietet attraktive Renditen, aber durchaus auch gute Fundamentals im Bankenbereich. Die Kernkapitalquote ist deutlich höher als vor zehn Jahren, die Liquidity Ratio liegt deutlich über den regulatorischen Vorgaben. Zudem hat sich die Profitabilität aufgrund der höheren Zinsen deutlich verbessert. Außerdem ist die Zahl notleidender Kredite auf moderatem Niveau geblieben. Sie wird steigen und sich auf die Bankergebnisse auswirken, dies aber von einem niedrigen Ausgangsniveau. Ratings sehen wir entspannt, insbesondere bei den großen Instituten. Wir investieren tendenziell in die Top-vier- bis Top-fünf-Banken der einzelnen Länder beziehungsweise haben einen Fokus auf die 20 bis 25 größten Institute im Euroraum. Banken sind interessant, aber wir glauben, dass der Sektor volatil bleiben wird.

Wo liegen Ihre Schwerpunkte im Non-Financials-Bereich?

Generell sind wir breit gestreut investiert. Das Segment ist gut diversifiziert, die großen Sektoren liegen bei maximal 15%. Aufgrund der Aussicht, die eine Rezession wahrscheinlich erscheinen lässt, haben wir einen Fokus auf den nichtzyklischen Bereich beziehungsweise defensive Unternehmen und hohe Qualität. Auch sind Unternehmen mit guter ESG-Bewertung in unseren Fonds hoch gewichtet. Das sind eben Unternehmen in den nichtzyklischen Bereichen Nahrungsmittel und Healthcare. Wir sind auch im Versorgerbereich investiert, dort in den regulierten Netzbetreibern, aber auch zum Beispiel im Bereich saubere Energien, beispielsweise in der norwegischen Statkraft und in der Verbund, die von einer fixen Kostenbasis bei gestiegenen Preisen profitieren und eben auch sehr gute ESG-Bewertungen haben. Die Governance-Komponente ist bei diesen Unternehmen sehr gut, aber auch das E aufgrund der Aktivitäten im Bereich saubere Energien.

Welche Laufzeiten bevorzugen Sie?

Wir bevorzugen kurze bis mittlere Laufzeiten, weil die Zinskurve relativ flach beziehungsweise invers ist. Lange Laufzeiten werden nicht belohnt. Im kurzen und mittleren Laufzeitenbereich finden wir Renditen zwischen 3% und 4%. Das ist bei Emittenten guter Qualität recht attraktiv.

Das Interview führte Christopher Kalbhenn.

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