TECHNISCHE ANALYSE

Doppeltief beim Gold ist ein Trugbild

Von Manfred Hübner *) Börsen-Zeitung, 19.6.2013 Gold und Geschmeide üben seit jeher eine besondere Faszination auf die Menschen aus. Kein Wunder also, dass Gold einen festen Platz als potenzielles Anlageobjekt auch bei Investoren des 21....

Doppeltief beim Gold ist ein Trugbild

Von Manfred Hübner *)Gold und Geschmeide üben seit jeher eine besondere Faszination auf die Menschen aus. Kein Wunder also, dass Gold einen festen Platz als potenzielles Anlageobjekt auch bei Investoren des 21. Jahrhunderts einnimmt. In Zeiten der Finanzkrise sehen nicht wenige Anleger Gold als wichtige, um nicht zu sagen als ultimative Versicherung vor Geldentwertung.Gemessen an den Geldwerten, vor deren Entwertung Gold eigentlich schützen soll, ist es jedoch in den letzten Monaten deutlich im Preis gesunken. Echte Goldliebhaber scheint dies jedoch nicht zu kümmern. Im Gegenteil. Angeblich steigt die physische Nachfrage und Käufer müssen Schlange stehen. Dem Preis freilich half es bislang nichts. Stimmung ist neutralDiese anekdotische Beobachtung kontrastiert deutlich mit den Ergebnissen, die Sentix im Rahmen seiner wöchentlichen Umfrage unter mehr als 4 000 Investoren ermittelt. Beispielsweise notiert die Stimmung gerade einmal im neutralen Bereich. Ein Contrarian-Setup für ein Investment gegen eine verängstigte “Herde” ist damit nicht gegeben.Und auch der strategische Bias, der die Grundüberzeugung und damit die Kaufbereitschaft der Anleger misst, sendet keine positive Indikation. Der Index notiert auf einem 52-Wochen-Tief und damit nur knapp über seinem Allzeittief! Die viel zitierten Schnäppchenjäger mag es geben, sie sind aber nicht repräsentativ für die Wertwahrnehmung des Marktes zu Gold.Die Hoffnungen vieler Goldbullen ruhen derzeit deshalb auf der Charttechnik. Von einem potenziellen Doppelboden ist die Rede. Bei genauerem Hinsehen entpuppt sich diese “Wahrnehmung” jedoch ebenfalls als nichts anderes, als in Charts hineingelesenes Sentiment. Denn außer der Tatsache, dass das Edelmetall binnen zwei Monaten zweimal rund 1 350 Dollar als Kursmarke erreicht hat, deutet nichts auf einen Doppelboden. Züge einer KonsolidierungVielmehr trägt die Bewegung, die sich an den crashartigen Kursverfall des Goldes Mitte April anschloss, bislang klar konsolidierende Züge. Wesentliches Merkmal dieser Konsolidierung ist, dass sie die hohe implizite Volatilität, die der Gold-Crash erzeugte, abbaut. Dieser Prozess ist inzwischen weitgehend abgeschlossen, was sich an dem Abstand der sogenannten Bollinger Bänder auf Tagesbasis ablesen lässt. Dieser Indikator misst die Schwankungsbreite und stellt sie grafisch als den Index umhüllendes Band dar. Betrug die Differenz zwischen unterem und oberem Band in der Spitze rund 400 Dollar, liegt diese aktuell nur noch bei ca. 50 Dollar. Auf niedrigem NiveauJeden Gold-Bullen müsste es erschrecken, dass alles, was Gold in dieser Marktkonsolidierung erreicht hat, gerade einmal zu einer Stabilisierung auf niedrigem Niveau geführt hat. Und dies trotz extrem weiter Bollinger Bänder, welche Raum für Gegenbewegungen gelassen hätten, und trotz zwischenzeitlich sehr schlechter Sentix-Marktstimmung.Wie gesagt, so sieht ein Doppelboden nicht aus und man muss, auch als Techniker, schon sehr von Gold geblendet sein, um diesen aktuell im Gold-Chart zu erkennen. Wahrscheinlicher ist, dass nach Abschluss der laufenden Konsolidierung auch das bisherige Jahrestief von 1 320 Dollar nach unten gebrochen wird und der Kurs des Edelmetalls weiter sinkt. Und zwar genau so lange, bis die Preiswürdigkeit von Gold nicht nur von ausgewiesenen Fans, sondern von einer kritischen Masse des Marktes erkannt wird. Test der UnterstützungAuch dem Silber geht es in diesem Umfeld nicht wirklich besser, wenngleich es hier eine massive langfristige Unterstützunglinie gibt, die bei 19,50/20,00 Dollar verläuft. Sie dürfte wohl Schlimmeres auf Sicht verhindern. Doch auch ein Test dieser Unterstützung bedeutet immerhin noch einen weiteren Kursverlust von 10 %. Investoren dürften deshalb auch hier keine Eile mit einem Einstieg haben. Silber zeigt ebenfalls wie Gold keinerlei Lebenszeichen, auch dies steht im krassen Gegensatz zur “vielversprechenden Lage”, welche uns ausgewiesene Silberexperten täglich einzureden versuchen. Der Preis als objektive Marktgröße spricht bislang noch eine andere Sprache. Öl gibt SignaleWer auf diese Sprache hört, und Techniker sollten dies tun, der vernimmt von einem anderen Rohstoff weit konstruktivere Signale. Die Rede ist vom Rohölmarkt, der kurz vor dem Abschluss von charttechnischen Bodenbildungen steht. Der strategische Bias von Sentix hat inzwischen ebenfalls deutlich nach oben gedreht und zeigt eine verbesserte Wertwahrnehmung, der gewöhnlich ein Positionsaufbau folgt. Dieser dürfte in diesem Zyklus allerdings weniger stark als üblich ausfallen, da der Markt – im Gegensatz zu früheren unteren Wendepunkten – diesmal nicht short positioniert ist. Nichtsdestotrotz sind die chart- und sentimenttechnischen Voraussetzungen beim Rohöl um Längen besser als bei Gold.—-*) Manfred Hübner ist Geschäftsführer der Sentix GmbH (www.sentix.de)