US-Aktien

Dow Jones vor wackeligem Jahresstart

Beim Dow Jones mehren sich aus Sicht der technischen Analyse die Warnzeichen. Für den bekanntesten Index der Welt zeichnet sich ein wackeliger Start in das Jahr 2022 ab.

Dow Jones vor wackeligem Jahresstart

Von Frederik Altmann*)

Der US-Standardwerteindex Dow Jones Industrial hat 2021 immer wieder neue Rekorde erreicht. Bei manchem bleibt der Eindruck, dass die US-Börsen unaufhaltsam nach oben streben. Dabei hat der weltweit bekannteste Index bereits zur Jahresmitte seine Dynamik verloren. Wie geht es nun wohl im neuen Jahr weiter – Rekordjagd oder Korrektur? Bei der Beantwortung der Frage hilft die technische Analyse.

Unterm Strich sollten Anleger nun zwei Marken genau im Auge behalten. Mit einem Rückfall des Index unter 34000 Punkte ist zunehmende Vorsicht angebracht. In diesem Bereich sollte man Risiken reduzieren. Kann die US-Börse aber noch mal neue Euphorie entfachen und den Dow über 37000 Zähler schieben, dann stehen die Chancen für weitere, deutliche Kursgewinne gut. Im positiven wie im negativen Szenario muss aber nicht überhastet gehandelt werden. Beim Bruch dieser Marken sollten Anleger die Kursentwicklung kurzfristig genau beobachten und diskretionär entscheiden. Sonst laufen sie Gefahr, in eine klassische Bullen- oder Bärenfalle zu tappen. Oft wird ein Ausbruch nur „angetäuscht“, um dann heftig in die Gegenrichtung zu steuern. Ein Paradebeispiel gibt der Bitcoin. Trotz des Kaufsignals mit einem neuen Rekord konnte die Kryptowährung keine Aufwärtsdynamik aufnehmen. Der Bitcoin rutschte stattdessen in eine kräftige Abwärtsbewegung.

Erholungstrend gebrochen

Der Dow Jones Industrial hat tatsächlich bereits Mitte Juni seinen Erholungstrend gebrochen (gestrichelte Linie), den er im März 2020 vom Coronatief eingeleitet hatte. Das geschah fast unbemerkt. Es gab keine heftige Gegenbewegung, sondern der Index driftete lediglich in eine seitwärts gerichtete Konsolidierung ab. Solch eine Seitwärtsphase im Trend ist aus technischer Sicht oft „gesund“. Sie bietet dem Markt Gelegenheit, Kraft für eine neue Trendphase zu sammeln.

In dieser Verschnaufpause hat der Index bei rund 34000 Punkten eine solide Unterstützungszone ausgebildet. Von hier aus konnte er sich bisher immer wieder nach oben abstoßen. Im August und November wurden dann erneut Rekordstände erreicht. Die Kurse konnten dann aber keine ausreichende Kraft zeigen und rutschten wieder zurück. Negativ wirkt auch die Markttechnik. Der MACD-Index als ein Indiz für die Bewegungskraft hat bereits im Juni ein negatives Signal ausgesendet, mit dem Schnitt der Triggerlinie von oben nach unten. Dieses gilt weiter. Formationstechnisch ergibt sich aus der Bewegung im zweiten Halbjahr 2021 ein leicht ansteigender, sich öffnender Keil. Die Anforderung an ein solches Dreieck von mindestens drei Hochs und Tiefs an den Trendbegrenzungen­ ist erfüllt. Ein solcher „Ascending Broadening Wedge“ wird rein statistisch mit etwas erhöhter Wahrscheinlichkeit – in 52 von 100 Fällen – nach unten aufgelöst.

Was Kopfschmerzen bereitet bei der Betrachtung des Dow Jones, ist, dass im jüngsten Anstieg kein neues Hoch mehr markiert werden konnte (roter Kreis). Ein Alarmzeichen. Der Zug nach oben scheint zunächst abgefahren. Solch ein nur halbherziger Anstieg ist relativ oft Vorbote eines Ausbruchs in die Gegenrichtung, in diesem Fall nach unten. Das unmittelbare Gefahrenpotenzial aus der sehr flachen Formation ist zunächst begrenzt. Das Keiltief bei 33272 Punkten bietet ersten Halt.

Allerdings würde es unterhalb von 33200 Punkten richtig ungemütlich werden. Denn mit einem mehrmonatigen Zwischentief würde der Dow Jones Industrial nochmals deutliche Verkaufssignale aussenden. Diese wären kaum zu übergehen, und Anleger müssten mit kräftigen Anschlussverkäufen rechnen. Ein Test der auch psychologisch wichtigen Marke von 30000 Punkten wäre nicht mehr unwahrscheinlich. Das wäre letztlich auch nur eine nicht unübliche 20-%-Korrektur vom Hoch.

Im Gegenszenario stößt sich der Dow Jones in den nächsten Handelstagen wieder von der Unterkante des Keils nach oben ab. Kann kurzfristig solch eine neue Aufwärtsbewegung etabliert werden, hätten die Unterstützungen um die 200-Tage-Linie bei aktuell 34620 Punkten gehalten. Eine Jahresendrally könnte die Kurse wieder an ihre oberen Widerstände schieben und das Chartbild bei den US-Standardwerten wieder deutlich positiver erscheinen lassen. Sollte sogar der Bruch der Oberkante des Aufwärtskeils gelingen mit einem nachhaltigen Anstieg über das bisherige Rekordhoch bei 36565 Punkten, dann könnte der Dow Jones noch mal ganz neues Potenzial freisetzen. Gemessen an der Höhe der Formation wäre ein Anstieg der Kurse in Richtung der Marke von 40000 Punkten durchaus möglich. Die Bullen würden die aktuell unentschiedene Situation dann für sich auflösen.

Umfeld verschlechtert

Das Umfeld für die Aktienmärkte hat sich allerdings auch verschlechtert, was die Börsen belasten könnte. Die internationalen Notenbanken ziehen nach Jahren der äußerst lockeren Geldpolitik die Zügel an. Die Pandemie mit der aktuell sich ausbreitenden Omikron-Variante und die Turbulenzen am chinesischen Häusermarkt sowie steigende Inflationsraten sorgen für Unsicherheit. Das könnte nach fast 13 Jahren tendenziell steigender Kurse zumindest einmal eine längere Atempause für Aktien mit sich bringen. Die weitere Richtung ist noch nicht entschieden, erhöhte Vorsicht ist aber angebracht.

*) Frederik Altmann ist Investmentanalyst bei Alpha Wertpapierhandel.

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