Geld oder BriefHypoport

Eine Aktie für Zinssenkungs-Optimisten

Der Finanzplattformbetreiber Hypoport lebt von der Vermittlung von Wohndarlehen. Die Aktie eignet sich für Anleger, die mit sinkenden Zinsen rechnen und risikobereit sind.

Eine Aktie für Zinssenkungs-Optimisten

Geld oder Brief

Hypoport-Aktie eignet sich für Zinssenkungs-Optimisten

Nur wer stabile oder sinkende Zinsen vorhersieht sowie ein Ende der Talfahrt an den Wohnkreditmärkten, wird hier zugreifen können: Die Hypoport-Aktie ist seit Ende 2021 tief gefallen. Aktuell strebt der Kurs wieder aufwärts, erreicht aber nur ein Viertel bisheriger Spitzenwerte. Der Finanzplattformbetreiber lebt davon, dass Banken und andere Finanzadressen über die Infrastruktur des SDax-Unternehmens Wohndarlehen vermitteln. Das Geschäft steht unter Druck.

Das Herz des Unternehmens ist die Plattform Europace, die von Banken und Versicherern genutzt wird, sowie Finmas und Genopace, die in Sparkassen und Genossenschaftsbanken zum Einsatz kommen. Die Geldhäuser bieten also nicht nur eigene Darlehen an, sondern vermitteln auch Kredite der Konkurrenz, wozu sie die Systeme von Hypoport nutzen. 39,1 Mrd. Euro betrug das Transaktionsvolumen von Immobiliendarlehen in den ersten neun Monaten diesen Jahres. Neben Wohndarlehen leiten die Plattformen etwa auch Ratenkredite oder Bausparverträge weiter. Darüber hinaus vermittelt das Berliner Unternehmen auch selbst Darlehen über das Portal Dr. Klein, die Hauptrivalin der ING-Tochter Interhyp. Auch zählen die Immobilienbewertungsfirma Value und eine Versicherungsplattform zum Konzern.

Hypersensibel für Zinsniveau

Hypoport ist ein prozyklisches, zinssensibles Papier. Das mehr als 2.000 Köpfe zählende Unternehmen mit einem Börsenwert von gut 1 Mrd. Euro ist seit der Jahrtausendwende stark gewachsen und könnte auch künftig noch das Geschäft deutlich ausbauen. Die Aktie ist also ein Wachstumstitel und reagiert somit stark auf Zinsänderungen – das Zinsniveau ist schließlich maßgeblich für die Bewertung von mutmaßlichen Gewinnen, die noch in der Zukunft liegen.

Die hohe Abhängigkeit vom Zinsniveau folgt auch aus dem Geschäftsmodell: Tiefe und fallende Zinsen beleben das Geschäft mit Wohndarlehen, während steigende Sätze Gift sind. So erklärt sich der tiefe Fall der Aktie im vergangenen Jahr, als abrupt steigende Zinsen den Markt erschütterten. Sollte jetzt das Zinsniveau wieder etwas fallen, käme das Geschäft in Schwung. Tatsächlich sind die Bauzinsen, die im Markt aktuell typischerweise nahe der Marke von 4% liegen, seit Ende Oktober wieder etwas gefallen.

Wer jetzt zugreift, wird eine Träne jedoch vergießen müssen: Der wundersame Wertzuwachs seit Ende Oktober, als die Aktie von ihrem Tief von 101,90 Euro auf 151,20 Euro am Donnerstagabend zulegte, ist bereits geschehen. Glücklich kann sich also schätzen, wer dem Unternehmen vor wenigen Wochen sein Vertrauen schenkte. Aktionäre, die bereits länger dabei sind, erinnern sich freilich gut an ein Kursniveau oberhalb der Marke von 500 Euro, die das Papier im Jahr 2021 erreicht hatte. Dahin kommt die Aktie zumindest vorläufig vermutlich nicht zurück. Hypoport ist ein gefallener Engel.

Immobilienkrise lastet schwer

Die zeitweiligen Kursverluste hängen mit der Misere am Wohnkreditmarkt zusammen: Der Umsatz der Gesellschaft ist mit 267 Mill. Euro über neun Monate bis Ende September rund 27% geringer als im Vorjahr. Das schwache Wohnkreditgeschäft belastet – weniger vermitteltes Kreditvolumen, weniger Erträge. Allerdings erholte sich der Umsatz im dritten Quartal wieder leicht.

Auf Jahressicht dürfte der Umsatz um bis zu 25% im Vergleich zu 2022 sinken, wie das Unternehmen im Oktober erklärte. Nach einem Umsatz von annähernd 456 Mill. Euro im vergangenen Jahr dürfte der Wert somit bei rund 342 Mill. Euro oder etwas mehr landen. Im Geschäftsbericht für 2022, der im März publiziert worden war, hatte Hypoport für das laufende Jahr einen Umsatzrückgang von 10% vorausgesagt. Ende Juli hatte die Gesellschaft dann einen Rückgang von bis zu 15% in Aussicht gestellt. Zweimal also hat die Gesellschaft die Prognose korrigiert.

Auch der Gewinn ist mager: Auf Jahressicht erwartet Hypoport einen Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) zwischen 10 und 15 Mill. Euro – im März lag die Prognose noch etwas höher. Bis Ende September schrieb die Gesellschaft mit minus 3 Mill. Euro sogar rote Zahlen. Im Schlussquartal sollen Einmaleffekte wie nicht verbrauchte Kaufpreisverbindlichkeiten das Ergebnis stützen. Danach soll es aufwärts gehen.

Konzernchef Slabke unter Druck

Keine Frage: Die Führung um den langjährigen Konzernchef Ronald Slabke hat sich verschätzt. Zwar hat die hartnäckige Flaute im Wohnkreditneugeschäft viele Verantwortliche in Bank- und Immobilienwirtschaft überrascht. Aber zwei Ergebniswarnungen in nur einem Jahr sind für ein Unternehmensführung ein Problem. Die Gefahr einer Vertrauenskrise scheint mit den jüngsten Kursgewinnen immerhin vorerst gebannt.

Die Zinslandschaft spielt dem Unternehmen nämlich in die Hände: Die Renditen an den Anleihemärkten sind in den vergangenen Wochen über etliche Anlageklassen und Laufzeiten hinweg gefallen. Die Kapitalmärkte rechnen also eher mit wieder sinkenden Zinsen. Gute Nachrichten für die Hypoport-Aktie, die in den vergangenen Wochen weitaus stärker zulegte als die Aktienmärkte insgesamt.

Unterschiedliche Meinungen

Die Meinungen der Analysten gehen auseinander: Berenberg und Warburg skizzierten im November stark steigende Erlöse und Gewinne für die kommenden Jahre und setzen das Kursziel auf 215 Euro und 200 Euro. Pessimistischer zeigt sich Metzler mit einem Kursziel von 95 Euro. Die Analyse von Mitte November weist auf die Gefahr einer Firmenwertberichtigung für die Immobilienplattform hin und skizziert langsamer wachsende Umsätze als die Rechnungen von Berenberg und Warburg. Eine Prognose ist jedenfalls schwierig.

Angesichts der Unsicherheit passt die Aktie eher in ein offensives Portfolio, das auf ein Szenario wieder sinkender oder zumindest stabiler Zinsen ausgerichtet ist. Für risikoscheue Aktieninvestoren ist das Papier nicht geeignet.

Von Jan Schrader, Frankfurt