Eine BRICS-Währung ist keine gute Idee

Der Anstieg des Dollar im vergangenen Jahr hat in den Schwellenländern vielfältige Hoffnungen ge­weckt, ihre Abhängigkeit vom Dollar und ihre Anfälligkeit für die Entwicklung der US-Zinsen zu verringern. Der Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank im...

Eine BRICS-Währung ist keine gute Idee

Von Paul McNamara*)

Der Anstieg des Dollar im vergangenen Jahr hat in den Schwellenländern vielfältige Hoffnungen ge­weckt, ihre Abhängigkeit vom Dollar und ihre Anfälligkeit für die Entwicklung der US-Zinsen zu verringern. Der Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank im Jahr 2022 hat deutlich gemacht, wie eng die internationalen monetären Bedingungen mit denen in den USA verknüpft sind. Gleichzeitig hat die robuste, von Sanktionen geleitete Reaktion der USA auf die russische Invasion in der Ukraine zu einer Debatte darüber geführt, wie ein vom Westen unabhängiges Finanzsystem aufgebaut werden kann. In den BRICS-Ländern Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika gibt es immer mehr Stimmen, die die Vorherrschaft des Dollar in Frage stellen wollen.

Der russische Staatschef Wladimir Putin erklärte im vergangenen Juni, dass die BRICS-Länder an der Entwicklung einer neuen Reservewährung auf der Grundlage eines Währungskorbs für ihre Mitgliedsländer arbeiteten. Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte im Januar, das Thema werde auf dem BRICS-Gipfel Ende August in Südafrika erörtert.

Die Erklärung Russlands lässt sich wahrscheinlich am besten als Geste der russischen Unterwürfigkeit gegenüber China und als Wunsch, die USA zu untergraben, interpretieren. Aber auch der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva hat die Möglichkeit einer gemeinsamen Währung für die BRICS-Länder im Laufe der Zeit vage befürwortet, da sein Land Vorbereitungen für ein ähnliches Projekt mit dem Nachbarland Argentinien getroffen hat. Einige haben vorgeschlagen, die BRICS könnten etwas Ähnliches wie die Sonderziehungsrechte des IWF entwickeln, eine Reservewährung, die auf einem Korb führender Währungen basiert. Aber die Sonderziehungsrechte sind mit einem zugrundeliegenden Währungskorb von etwa 40% Dollar und 30% Euro weitaus diversifizierter, als es ein BRICS-Äquivalent sein könnte.

Das Problem ist, dass BRICS kein besonders nützlicher wirtschaftlicher Begriff ist. Er verbindet eine wirtschaftliche Supermacht in China mit einer potenziellen in Indien mit drei im Wesentlichen stagnierenden rohstoffexportierenden Ländern. Die Volkswirtschaften sind weit davon entfernt, einen auch nur annähernd sinnvollen optimalen Währungsraum zu bilden, und unterscheiden sich in Bezug auf Handel, Wachstum und finanzielle Offenheit dramatisch. Während die Wirtschaftsleistung Russlands im vergangenen Jahr eindeutig die schwächste der fünf BRICS-Länder war, haben Brasilien und Südafrika ohne starke Rohstoffpreise, die niedrige Zinssätze und steigende Inlandskredite stützen, nur schwer gedeihen können.

Die relativen Leistungsdaten unterscheiden sich deutlich. Das reale Bruttoinlandsprodukt pro Kopf zu konstanten Preisen stieg zwischen 2008 und 2021 in China um 138%, in Indien um 85%, in Russland um 13% und in Brasilien um 4%. Südafrika verzeichnete im gleichen Zeitraum einen Rückgang um 5%.

Doch selbst diese Unterschiede sind nicht das Hauptproblem bei der Behandlung der BRICS als kohärenter Block. Im Originalpapier von Goldman Sachs aus dem Jahr 2001, das den Begriff BRICS prägte, entfiel die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts des ursprünglichen Vier-Länder-Blocks zu Marktpreisen auf China (Südafrika wurde 2010 hinzugefügt). Die jüngsten IWF-Daten beziffern Chinas Anteil auf 73% (72%, wenn man Südafrika hinzurechnet). Seit 2003 ist der Anteil der BRICS an der Weltproduktion zu Marktpreisen von 8,4 auf 25,5% gestiegen. Von diesem Anstieg um 17,1 Prozentpunkte entfallen 14 Prozentpunkte auf China. Die Dominanz Chinas wird noch dadurch unterstrichen, dass es ein wichtiger Handelspartner für die Rohstoffexporteure ist, deren Industriezyklen eindeutig dem Auf und Ab des chinesischen Kreditzyklus folgen. Und nach dem Angriff auf die Ukraine hat Chinas finanzieller Einfluss auf das isolierte Russland ebenfalls weiter zugenommen.

Interessenkonflikte

Es liegt auf der Hand, dass die strategischen Interessen Chinas nicht besonders mit denen der anderen Länder übereinstimmen. Eine der Prioritäten Chinas besteht darin, einen Ort zu finden, an dem es seine Auslandsüberschüsse außerhalb der Reichweite des US Office of Foreign Assets Control parken kann, und andere Wertaufbewahrungsmittel als US-Schatzpapiere zu finden. Zwar kann keines der anderen vier BRICS-Mitglieder liquide Mittel bereitstellen, doch können sie Investitionsmöglichkeiten bieten, insbesondere im Bereich der Rohstoffe. Wie bei der Belt and Road Initiative ziehen es die chinesischen Behörden vor, in solchen Angelegenheiten die Kontrolle zu haben.

Russland und die Energieexporteure der Golfstaaten ziehen es vor, fernab der USA Staatsfonds für „schlechte Zeiten“ aufzubauen. Die Alternative zu den USA ist jedoch nicht eine diversifizierte Gruppe wachsender Länder, sondern im Wesentlichen ein Land – China – mit einem enormen Durst nach Energie und anderen Rohstoffen. Eine gemeinsame BRICS-Währung stellt also nicht nur eine praktische Herausforderung dar. Wenn die nichtchinesischen Mitglieder der BRICS-Gruppe eine gemeinsame Währung anstreben, um die Vorherrschaft der USA im Devisenhandel herauszufordern, könnten sie ihre Abhängigkeit von Peking nur noch weiter verstärken.

*) Paul McNamara ist Investment Director bei GAM Investments.

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