Fallout der US-Politik

Emerging Markets profitieren von Umschichtungen

Aktien aus den Emerging Markets profitieren davon, dass Anleger angesichts der Unberechenbarkeit des US-Präsidenten auf eine größere Risikostreuung setzen.

Emerging Markets profitieren von Umschichtungen

Emerging Markets profitieren von Umschichtungen

Anleger stocken nicht nur bei Aktien aus europäischen Ländern auf, sondern auch bei solchen aus Schwellenländern

Von Andreas Hippin, London

Der Trend zur globalen Diversifizierung führt nicht nur dazu, dass Anleger aus US-Aktien in europäische Aktien umschichten. Auch Titel aus Schwellenländern profitieren davon, dass Investoren angesichts der Unberechenbarkeit des US-Präsidenten auf eine größere Risikostreuung setzen.

Schwellenländer finden wieder Interesse bei den Anlegern. Nachdem lange Zeit eine Handvoll Aktien aus einem Land im Vordergrund standen, die Magnificent Seven aus den Vereinigten Staaten, wollen Investoren ihre Portfolios diversifizieren. Neben europäischen Aktien und Anleihen setzen sie dabei auch auf die Emerging Markets.

„Wir haben unsere Allokation an Emerging Markets etwas erhöht“, sagt etwa Boryana Perfanova, Client Investment Specialist bei der britischen Privatbank Brown Shipley. Schwellenländer schnitten gut ab, wenn der Dollar schwach sei. Das gelte insbesondere für Staaten, die Rohstoffe exportieren. Weil viele Rohstoffe in Dollar gehandelt werden, steige die Nachfrage, wenn die US-Währung nachgebe. Zudem seien die Bewertungen attraktiv.

Schwacher Dollar stützt

Für Daniele Antonucci, den Anlagechef der Quintet Group, zu der neben Brown Shipley auch Merck Fink gehört, birgt der schwache Dollar noch einen weiteren Vorteil für Schwellenländer: „Sie haben weniger importierte Inflation.“ Er reduzierte das Exposure zu Dollar und Pfund und nahm das zu Schwellenländerwährungen nach oben. Zudem stufte er Aktien aus Emerging Markets von „Neutral“ auf „Übergewichten“ hoch.

„Es gibt eine Menge Anlagechancen, die wir ergreifen können und mit denen wir von weiteren Flows in die Emerging Markets profitieren können“, sagt Perfanova. Sie rate zu einer breiten Diversifizierung über alle Schwellenländer hinweg.

Mehr als nur China

China sei interessant. Das Land der Mitte sei gut positioniert, um mit anderen Ländern als den Vereinigten Staaten zu verhandeln, sagt Perfanova. Es baue seine Beziehungen in der Asien-Pazifik-Region aus. Der neue Fünfjahresplan, der demnächst vorgelegt werde, dürfte Aufschluss darüber geben, wohin die Reise geht. Indien biete wesentliche Chancen, erscheine aber „ein bisschen teuer“. Und Vietnam dürfte aus ihrer Sicht von Verschiebungen in den weltweiten Beschaffungsketten profitieren.

Auch der Invesco-Stratege Paul Jackson hält chinesische Aktien für attraktiv. Trotz der Rally im vergangenen Jahr seien sie immer noch „ungewöhnlich günstig“. Zudem relativiert er die Auswirkungen der Zölle auf die Binnenwirtschaft der Volksrepublik.

Auswirkungen der Zölle begrenzt

„China hat 2024 Waren im Wert von 0,8% seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus den USA importiert, während die US-Einfuhren aus China 1,5% des US-BIP ausmachten“, sagt Jackson. Bei Schuldentiteln hat er neben britischen Staats- und Unternehmensanleihen Schuldentitel aus Schwellenländern übergewichtet.

Aus Sicht der Anlagestrategen von J.P. Morgan Asset Management ermöglichen indische Dividendentitel und chinesische A-Aktien eine defensive Positionierung. Nordasiatische Technologiewerte dürften von einer zunehmenden KI-Nutzung und höheren Kapitalanlageinvestitionen profitieren. Die Region werde bei Hardware und Halbleitern immer dominanter.

Dominanz bei Halbleitern und Hardware

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der Aktie des südkoreanischen Halbleiterherstellers SK Hynix werde mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 4 gehandelt, der US-Speicherchipexperte Micron dagegen mit einem KGV von 14. Der taiwanische Chip-Auftragsfertiger TSMC komme auf ein KGV von 18, der US-Mikroprozessorproduzent AMD dagegen auf einen Wert von 25.

Süd- und Ostasien sind aber nur ein Teil der Regionen, die unter dem Begriff Emerging Markets zusammengefasst werden. Die Diversität der Assetklasse hat in den vergangenen zehn Jahren stark zugenommen. Neben den Ländern Südamerikas gehören auch die Anrainerstaaten des Persischen Golfs dazu. „Die Vereinigten Arabischen Emirate tun das, was der Rest der Welt nicht macht: Sie werden weniger protektionistisch“, sagt Varun Laijawalla, Co-Portfoliomanager Emerging Markets Equity beim Londoner Vermögensverwalter Ninety One.

Attraktive Emirate

Er zählt das Land wegen seines Handelsabkommens mit Indien zu den stärksten strukturellen Wachstumsgeschichten. Es könne das für Indien sein, was Hongkong für die Volksrepublik China sei. Aus seiner Sicht attraktive Bewertungen von Aktien aus den Emiraten ermöglichten Anlegern, auf effiziente Weise Exposure zum Wachstum des Subkontinents aufzubauen.

Dass es sich bei Emerging Markets um eine riskantere Assetklasse handelt, sei ein Mythos, argumentiert Ninety One, die aus der südafrikanischen Investec Asset Management hervorging. Wenn man sich die großen Defaults von Unternehmen in den Jahren 2024 und 2025 ansehe, hätten 97 in den USA stattgefunden, 33 in Europa, zwölf in Schwellenländern und drei in anderen entwickelten Märkten.

Grenzen verwischen

Zu den spektakulärsten Fällen gehörte der Londoner Wasserversorger Thames Water. Er konnte bereits im April vergangenen Jahres eine Zinszahlung nicht leisten. Die Zukunft der Gesellschaft ist nicht gesichert. Ratingagenturen werteten auch einen Schuldentausch des mit 15 Mrd. Dollar in der Kreide stehenden Lumen Technologies als Default.

Sieht man sich zudem die vergleichsweise glaubwürdige Geld- und Fiskalpolitik vieler Schwellenländer an, während in vielen Industrieländern die Staatsausgaben aus dem Ruder laufen, ist das Interesse an Assets aus Emerging Markets wenig überraschend. „Die entwickelten Länder sind in ein volatileres Regime eingetreten. Das verwischt die traditionelle Trennung zwischen Industrieländern und Schwellenländern“, sagt Grant Webster, Co-Head of EM Sovereign & FX bei Ninety One.

Höhere Renditen

Für Fixed-Income-Investoren spiele das eine Rolle, sagt Webster. Mit Blick auf die derzeitigen Renditen müssten Schuldentitel aus Industrieländer wesentliche Kursgewinne verzeichnen, um das Risiko-Rendite-Profil zu liefern, an das Anleger gewöhnt seien. Auf den Anleihenmärkten der Schwellenländer lieferten höhere Renditen schon einen Großteil dessen, was nötig ist, um den historischen Erwartungen zu entsprechen.

Bei Unternehmensanleihen lassen sich Investoren ihr Risiko satt vergüten. „Zu dieser Anlageklasse gibt es viele falsche Vorstellungen,“ sagt Alan Siow, Co-Head of EM Corporate Debt bei Ninety One. „Anleger erhalten eine Prämie dafür, robusten Unternehmen mit weltweiten Einnahmen Geld zu leihen, nur weil sie ihren Sitz in einem „riskanten“ Land haben.“

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.