Ende der Flaute in Sichtweite

Analysten erwarten Erholung der Aktien von Windturbinenherstellern - Auktionsmodell bereitet Probleme

Ende der Flaute in Sichtweite

Windkraft gehört wie Solarenergie zu den Trägern der Energiewende. Doch das einstige Zugpferd lahmt. Die Aktien der großen Windturbinenhersteller verbuchten im zurückliegenden Jahr teils herbe Verluste. Ein positiver Start in das neue Jahr gibt aber Anlass zur Hoffnung. Am Horizont zeichnet sich eine “Wiederbelebung” der Branche ab, sagen auch Analysten.Von Carina Iris Kautz, FrankfurtTrotz Rückschlägen wie insbesondere dem von Präsident Donald Trump erklärten Austritt der Vereinigten Staaten aus dem Pariser Klimaabkommen zählt der Klimaschutz zu den großen Trendthemen. Mit Macht werden Klimaschutzmaßnahmen vorangetrieben, Investoren erhöhen stetig den Druck auf Unternehmen und Finanzdienstleister, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Auf den ersten Blick sehen damit die Aussichten von Herstellern von Saubere-Energien-Produkten hervorragend aus. KursdebakelEin Blick auf die Aktienkurse der europäischen Windturbinenhersteller bietet jedoch einen ganz anderen Eindruck. Die Aktien von Vertretern der Branche sind im zurückliegenden Jahr mehrfach nach Gewinnwarnungen heftig eingebrochen. Neben der dänischen Vestas hat vor allem die deutsche Nordex ein rabenschwarzes Jahr hinter sich. So war die Aktie des Rostocker Unternehmens mit einem Jahresminus von 56,5 % größter Verlierer im TecDax. Innerhalb von zwei Jahren hat sich der Kurs von mehr als 30 Euro um mehr als zwei Drittel reduziert. Dabei hatte es lange recht gut ausgesehen für Nordex. Im Dezember 2015 hatte die Aktie nach einer starken Aufwärtsbewegung noch ein Zwischenhoch von 33,90 Euro erreicht, was allerdings deutlich unter dem Rekordhoch von 111,10 Euro vom Juli 2001 lag. Seit Ende 2015 ging es steil bergab: Bei 7,06 Euro erreichte die Aktie im November 2017 den tiefsten Wert seit 2012. Zwei aus Frankreich eingetrudelte Großaufträge sowie einer aus Schweden halfen dem Kurs im zurückliegenden Dezember wieder etwas auf die Sprünge, woraufhin sich die Aktie nun wieder der 10-Euro-Marke nähert. Allein seit Beginn des neuen Jahres verbuchte Nordex damit einen deutlichen Kursanstieg von 4,3 % auf 9,26 Euro.Bei den Aktien der Wettbewerber Vestas und Gamesa sieht es ähnlich aus: Nach Kursverlusten vor allem seit Mitte 2017 erholten sich die Werte zum Jahresende hin ein wenig. Nach einem Jahrestief von 357 dkr im November stehen Vestas aktuell bei 434 dkr. Im Jahr 2008 hatte der Titel allerdings ein Allzeithoch bei 700 dkr erreicht. Siemens Gamesa markierte im Dezember (fusionsbedingt adjustiert) mit 9,05 Euro den tiefsten Stand seit Februar 2015 und steht aktuell bei 11,67 Euro.Analyst Arash Roshan Zamir von Warburg Research macht als grundsätzliches Problem in der Branche einen massiven Preisdruck aus. Dafür sei vor allem die im Zuge des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) von 2016 beschlossene Ablösung staatlich garantierter Einspeisevergütungen durch marktbasierte Auktionsmodelle verantwortlich. “Egal, welche Region man sich herausnimmt: Überall ist ein sehr starker Preisverfall zu beobachten”, erklärt Roshan Zamir. Die Problematik bei der Umstellung auf das Auktionsmodell liegt darin, dass derjenige Bieter den Zuschlag für die zu bebauende Fläche erhält, der die Stromerzeugung zu dem geringstmöglichen realistisch umsetzbaren Preis je Kilowattstunde anbietet.Aber auch die vom Gesetzgeber festgelegte Bevorzugung sogenannter Bürgerwindgesellschaften birgt Probleme: Ursprünglich dazu gedacht, dass der Markt nicht nur von einigen großen Projektierern beherrscht wird, entfallen nun überproportional viele Zuschläge auf die Bürgerwindgesellschaften. Dies geht naturgemäß zulasten professioneller Windparkbetreiber. Nicht selten bleiben Verlierer der Auktion auf bereits entstandenen Kosten etwa für die Erkundung von Bauflächen sitzen. Deutliche AuftragseinbußenDas Auktionsmodell an sich sei “durchaus positiv zu beurteilen”, sagt Analyst Holger Fechner von der Nord/LB. Allerdings entfielen infolge der Bevorzugung der Bürgerwindgesellschaften nahezu alle Zuschläge auf noch nicht genehmigte Projekte. “Entsprechend ziehen sich Genehmigung und Bau der Anlagen noch länger hin bzw. sind zum Teil auch nicht durchführbar.” Für die Hersteller bedeute das deutliche Auftragseinbußen.Roshan Zamir bezeichnet die mit dem Auktionsmodell einhergegangenen Veränderungen als “an sich notwendige Entwicklung, die aber speziell in Deutschland mit gewissen Fehlern besehen war”. Dass auf Bürgerwindparks rund 95 % der Zuschläge entfielen, “war nicht im Sinne des Gesetzgebers, hat aber die radikale Folge, dass es sehr unsicher ist, wann überhaupt gebaut werden kann”. Das Auktionsmodell habe in Deutschland “zu Verzerrungen geführt”. Die Folge sei, dass 2018 “die wenigsten Windturbinenhersteller von Wachstum ausgehen”. Die Margen gingen zurück.Der Schlüssel liege jedoch in einer Unterscheidung zwischen der kurzen und der langen Frist, so die übereinstimmende Meinung der Analysten: “Der starke Preisverfall kann langfristig durch effizientere Turbinen aufgefangen werden”, glaubt etwa Roshan Zamir. “Langfristig ist die Einführung des Auktionsmodells positiv für Wind als Technologie, weil Wind immer konkurrenzfähiger wird.” “Niedrige Einstiegspreise”Eine wichtige Voraussetzung hierfür sei die für das neue Jahr geplante Anpassung des EEG, durch die nur noch bereits genehmigte Bauvorhaben zugelassen werden sollen: “Es wird sich zeigen, ob es in der Folge zu weiteren Preisrückgängen kommt – was ich bezweifle – oder ob eine gewisse Rationalität in den Markt zurückkehrt”, kommentiert Roshan Zamir. Für 2019 erwartet er eine Erholung, die sich bereits im Laufe des aktuellen Jahres abzeichnen könnte. “Dann kann man wieder die niedrigen Einstiegspreise nutzen. Vorher würde ich abwarten.” Ähnlich das Urteil von Fechner: “Derzeit stellen sich die Hersteller auf eine Delle im Geschäftsjahr 2018 und eine Wiederbelebung im Jahr 2019 ein. Anschließend dürfte die Nachfrage wieder deutlich anziehen.” Kaufempfehlung für NordexFechner sieht in der derzeitigen Marktsituation prinzipiell eine Chance für Anleger. Vor dem Hintergrund der prognostizierten Marktbelebung ab 2019 und der weiteren Marktverbesserungen im Jahr 2020 sei auch die derzeitig von Nordex angegangene Verbesserung der Kostenstruktur ein weiterer Gewinnhebel. Zusätzliches Marktpotenzial verspreche die im September 2017 neu vorgestellte Turbine Delta4000. “Angesichts des langfristigen Potenzials raten wir aktuell zum Kauf der Aktie von Nordex”, so Fechner.