Finanzmärkte stehen Aufschwung Chinas gleichgültig gegenüber
Märkte gegenüber Chinas Aufschwung gleichgültig
Seit der Wende der Regierung in der Covid-Politik Ende 2022 hat sich Chinas Wirtschaft stetig erholt. Nun liegen auch entsprechende Zahlen vor: Das BIP des Landes wuchs im Jahresvergleich um 4,5% bzw. 9,1% auf saisonbereinigter annualisierter Basis. Treiber war, wie in anderen Ländern nach der Pandemie auch, die Binnennachfrage. Die Einzelhandelsumsätze stiegen im ersten Quartal um 5,8% im Jahresvergleich, und der PMI für den Dienstleistungssektor beschleunigte sich im März auf 57,8. Auch andere Indikatoren wie Verkehrsdaten, die Zahl der Flüge und der Warenumschlag in den Häfen deuten auf eine anhaltende kräftige Erholung hin, die über dem vom Konsens für 2023 erwarteten Wachstum von 5,5% liegen könnte. Dies sind gute Nachrichten für die Weltwirtschaft, da die Wiederbeschleunigung der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt die anhaltende Verlangsamung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften teilweise ausgleichen wird.
Auch der Immobiliensektor, der in den letzten anderthalb Jahren zur Achillesferse Chinas geworden war, erholt sich. Obwohl der Sektor stärker reguliert und staatlich kontrolliert ist als in den meisten Ländern, was zu relativ stabilen Preisen führte, waren die Immobilienpreise in den 70 größten Städten im Durchschnitt siebzehn Monate in Folge langsam gesunken – wenn auch der kumulierte Rückgang nur 3,3% betrug. Die begannen sich im Februar und März zu erholen, als die Zahl der Immobilientransaktionen anstieg, das Kreditwachstum zunahm und das Vertrauen der Verbraucher in die staatlichen Bauträger zurückkehrte. Die Öffentlichkeit ist jedoch nach wie vor skeptisch gegenüber privaten Bauträgern, bei denen das Risiko, dass die Immobilienobjekte nicht rechtzeitig fertiggestellt werden, viel höher eingeschätzt wird.
Risikoscheu
Trotz dieser positiven Anzeichen spiegeln die Kurse chinesischer Finanzanlagen die verbesserten Aussichten bislang nicht wider. Nach einer anfänglichen kräftigen Erholung zwischen November und Dezember fielen chinesische Aktien seit Februar und notieren nun ungefähr wieder auf dem Niveau von Ende November. Seit Jahresbeginn haben sich chinesische Aktien schlechter entwickelt als europäische Aktien, US-Aktien und sogar Emerging Markets-Aktien (ohne China). Chinas Offshore-Immobilienanleihen haben eine ähnliche Entwicklung durchgemacht. Nach einer sehr starken Erholung zwischen November und Januar haben diese Hartwährungsanleihen in den letzten drei Monaten einen Teil ihrer Gewinne eingebüßt, obwohl sich der Sektor langsam aber sicher erholt. Die finanziellen Probleme des Sektors sind zwar nicht gelöst und es stehen noch viele Umstrukturierungen an. Trotzdem überrascht es, dass die Anleihen relativ gut gestützter staatlicher Bauträger drastisch fallen, während sie weiterhin ihre Schulden bedienen. Mitverantwortlich für die Zurückhaltung dürfte eine Risikoscheu angesichts einer sich verlangsamenden Weltwirtschaft und eines erhöhten Rezessionsrisikos in den entwickelten Volkswirtschaften sein. Solche Entwicklungen gehen in der Regel mit Ausverkäufen an den Märkten einher, insbesondere am risikoreichen Ende des Spektrums, wie Aktien und hochverzinsliche Anleihen und globale Anleger versuchen dieses Szenario zu vermeiden. Dies erklärt jedoch nicht, warum sich chinesische Vermögenswerte in den letzten drei Monaten schlechter entwickelt haben als andere risikoreiche Vermögenswerte, obwohl die Bewertungen günstig sind und es deutliche Anzeichen dafür gibt, dass die Wirtschaftszyklen eindeutig zu Gunsten Chinas divergieren.
Das geopolitische Risiko mag eine zusätzliche Rolle spielen. Aber die anhaltenden geopolitischen Trends und Risiken haben sich in den letzten sechs Monaten nicht signifikant geändert und die Anleger waren und sind sich ihrer sehr bewusst. Daher kann die Geopolitik nicht den Unterschied in der Performance zwischen der Phase der Wiedereröffnung (November bis Januar) und den letzten drei Monaten erklären. In Anbetracht dieses Rätsels sind wir der Meinung, dass geduldige Anleger, die die aktuellen Wirtschaftstrends sorgfältig beobachten und entsprechend handeln, letztendlich gut belohnt werden sollten.