GELD ODER BRIEF

General Electric ist eine Wette auf den neuen CEO

Von Stefan Paravicini, New York Börsen-Zeitung, 17.11.2017 Management und Aktionäre des US-Industrieausrüsters General Electric werden heute Abend besonders froh sein, dass die Börsenwoche zu einem Ende kommt. Denn hinter dem stolzen...

General Electric ist eine Wette auf den neuen CEO

Von Stefan Paravicini, New YorkManagement und Aktionäre des US-Industrieausrüsters General Electric werden heute Abend besonders froh sein, dass die Börsenwoche zu einem Ende kommt. Denn hinter dem stolzen Traditionskonzern liegt eine rabenschwarze Woche in einem ohnehin düsteren Jahr. Eigentlich hatten Investoren gehofft, dass der neue CEO John Flannery zum Wochenauftakt eine Aufbruchstimmung verbreiten würde. Doch der mit Spannung erwartete Investorentag, bei dem Flannery die Pläne für die Zukunft des Siemens-Rivalen vorstellte, sorgte bei vielen Marktbeobachtern für ein “Gefühl der Hoffnungslosigkeit”, wie es Stephen Tusa von J.P. Morgan formulierte. Dividende halbiertFlannery halbierte nicht nur die Dividende von GE, die seit dem Jahre 1899 erst zum dritten Mal einen Einschnitt bei der Ausschüttung an ihre Aktionäre vornahm (vgl. BZ vom 14. November). Der Anfang August an die Konzernspitze aufgerückte GE-Veteran präsentierte für das kommende Jahr auch einen deutlich trüberen Ausblick als ohnehin erwartet und blieb jede Hoffnung auf einen nahenden Befreiungsschlag schuldig. Eine Zerschlagung des Siemens-Rivalen, den manche Analysten gefordert hatten, steht offenbar nicht zur Debatte. Stattdessen will Flannery an der schwächelnden Energiesparte als größtem Segment festhalten und sich außerdem auf das Geschäft mit der Luftfahrtindustrie und die Sparte Gesundheit konzentrieren, wo vermehrt Investitionen im Bereich Life Sciences geplant sind.Die traditionsreichen Geschäftsfelder Transport und Beleuchtung stehen zur Disposition, was die Spatzen allerdings bereits seit Wochen von den Dächern pfeifen. Auch über einen Verkauf des Mehrheitsanteils am Öl- und Gasfeldausrüster Baker Hughes, bei dem GE erst vor wenigen Monaten ihre entsprechenden Aktivitäten eingebracht hat und rund zwei Drittel hält, wird nachgedacht. Außerdem will Flannery insgesamt 3 Mrd. Dollar sparen, wozu auch die Verkleinerung des Boards einen kleinen Beitrag leisten soll. Gekürzt werden unter anderem die Investitionen in das Digitalgeschäft, das bei Vorgänger Jeffrey Immelt hoch im Kurs stand. Boeing zieht vorbeiAn der Börse wurden die am Montag vorgestellten Pläne zunächst mit einem Minus von über 8 % beantwortet, worauf am Dienstag ein weiterer Kursrutsch um knapp 6 % folgte. Es war der größte Rückschlag an zwei aufeinanderfolgenden Handelstagen seit März 2009, als GE mit den Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise zu kämpfen hatte. Mit einem Kursverlust von mehr als 40 % seit Jahresbeginn büßte der 125 Jahre alte Konzern nach Angaben der Analysten von Strategas in dieser Woche zum ersten Mal seit 1989 die Poleposition unter börsennotierten US-Industriekonzernen ein. Neu auf Platz 1 stand jedenfalls zeitweise der Flugzeugbauer Boeing, dessen Aktie im laufenden Jahr mehr als zwei Drittel zugelegt hat. Am Donnerstagvormittag hatte GE mit einer Marktkapitalisierung von gut 158 Mrd. Dollar wieder leicht die Nase vorn. Boeing bringt etwas mehr als 157 Mrd. Dollar auf die Waage. Kleine Summe aller TeileInvestoren, die jetzt überlegen, ob die Aktie der Industrieikone zu etwas mehr als 18 Dollar ein aussichtsreicher Kauf ist – niedriger stand der Kurs zuletzt vor fünf Jahren -, sollten dennoch Vorsicht walten lassen. Die Preisziele von 17 befragten Analysten für die Aktie reichen zwar bis 36 Dollar, und auch das Erreichen des Medians von 22 Dollar würde eine Wertsteigerung von mehr als einem Fünftel bringen. Die Experten von J.P. Morgan haben ihr Preisziel dagegen gerade auf 17 Dollar gesenkt und raten nicht als einzige zum Verkauf der Aktie, während vier Adressen sich derzeit für einen Kauf aussprechen. Auch eine Aufspaltung des Konglomerates birgt nach Einschätzung der Analysten von Cowen kein Aufwärtspotenzial. Im Gegenteil. Sollte sich GE in den kommenden Monaten doch noch dafür entscheiden, den Konzern Stück für Stück auseinanderzunehmen, beziffern die Marktbeobachter der Investmentboutique die Summe der Teile auf 11 bis 15 Dollar je Aktie, was im Vergleich zum derzeitigen Kursniveau einem Abschlag von 25 bis 45 % entsprechen würde. Zerschlagung vom TischDie Zerschlagung ist nach dem Investorentag vom Montag fürs Erste vom Tisch, die meisten Probleme von GE sind es nicht. Denn neben den bekannten operativen Schwierigkeiten vor allem im Energiegeschäft, wo der Konzern unter anderem auf Bestellungen von Gasturbinen wartet und irgendwann auch mit der Wartung üppige Margen verdienen will, drücken das Unternehmen Pensionslasten in Höhe von mehr als 30 Mrd. Dollar. Die Analysten der Deutschen Bank halten deshalb auch eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit von GE für möglich, womit die nächste Negativschlagzeile über den Ticker laufen würde. Ein Abschied aus dem Dow Jones Industrial Average, dem General Electric derzeit als einziges Gründungsmitglied des Auswahlindex angehört, liegt nach Einschätzung von Marktbeobachtern ebenfalls in Reichweite, was dem Papier erneut einen Dämpfer versetzen würde.Ein Investment in GE zum jetzigen Zeitpunkt ist eine Wette auf CEO John Flannery, der schon an der Spitze der Gesundheitssparte in den vergangenen Jahren ein kleines Wunder vollbracht hat. Dass er in dieser Woche wenig Positives berichten konnte, ist auch seinem Vorgänger geschuldet. Ob der neue Chef nach mehr als 30 Jahren bei GE aber in der Lage ist, den nötigen Wandel in der geforderten Geschwindigkeit einzuleiten, muss Flannery erst beweisen. Die vergangene Woche hat gezeigt, dass er das Vertrauen der Investoren noch gewinnen muss. Barron’s empfiehlt statt der Aktie derzeit einen Januar-Put zu 17 Dollar je Aktie, der derzeit für 70 Cent zu haben ist. Sollte GE nach enttäuschenden Zahlen für das Schlussquartal auf 15 Dollar rutschen, wäre er 2 Dollar wert.