GesprächAnja Hochberg, Zürcher Kantonalbank

„Wir sehen aktuell keine Entwicklung einer Blase“

Anja Hochberg, die Leiterin Multi Asset der Zürcher Kantonalbank, hat weiter Aktien übergewichtet. Sie setzt auf die Branchen Digital Economy und Healthcare.

„Wir sehen aktuell keine Entwicklung einer Blase“

Im Gespräch: Anja Hochberg

„Wir sehen aktuell keine Entwicklung einer Blase“

Die Leiterin Multi Asset der Zürcher Kantonalbank hat IT- und Healthcare-Aktien übergewichtet – Schwellenländer günstig bewertet – Verkäufe bei Gold

Von Werner Rüppel, Frankfurt

Die Leiterin Multi Asset der Zürcher Kantonalbank erläutert, warum sie keine Blase sieht und weiter Aktien übergewichtet. Sie setzt auf die Branchen Digital Economy und Healthcare. Schwellenländer sollten bei Aktien und Anleihen übergewichtet werden. Gold ist ein wichtiger Stabilitätsanker.

Als Head Multi-Asset Solutions steuert Anja Hochberg bei der Zürcher Kantonalbank unter der Marke Swisscanto Assets über 40 Mrd. Schweizer Franken. Ab Anfang des kommenden Jahres wird sich für wesentlich mehr Gelder verantwortlich sein. Denn dann wird sie Chief Investment Officer (CIO) des Schweizer Instituts. Doch wie schätzt die promovierte Ökonomin und renommierte Strategin die Situation an den Märkten ein?

„Wir haben nach wie vor eine positive Einschätzung zu den Märkten, versuchen diese aber abzufedern mit absichernden Elementen im Portfolio“, erklärt Hochberg im Gespräch mit der Börsen-Zeitung in Frankfurt.„Wir sind Aktien übergewichtet. Denn wir sehen aktuell keine Entwicklung einer Blase. Doch versuchen wir schon, die hohen Bewertungen insbesondere in den USA mit den unterstützenden fundamentalen Daten abzuwägen.“

Gewinne entwickeln sich gut

Dafür, dass Aktien nach wie vor attraktiv sind, führt die Expertin eine Reihe von Gründen auf. „Die Berichtssaison zeigt, dass die Gewinnentwicklung gut ist, und wir haben eine unterstützende Geldpolitik“, sagt Hochberg. „Auch sind unsere Stimmungsindikatoren nicht im euphorischen Bereich. Zudem ist die Saisonalität, wenn wir die nächsten zwei, drei Wochen gut überstehen, noch ein Zusatzargument dafür, dass man sich nicht zu früh aus Aktien zurückziehen sollte.“ Sicherlich werde es das ein oder andere Unternehmen geben, dass an die Erwartungshaltung nicht anknüpfen könne.

Investoren sollten daher keine Wetten auf einzelne Aktien eingehen. „Anleger sollten breit diversifiziert sein“, rät die Strategin. „Wir setzen mit den Branchen IT und Digital Economy sowie dem eher defensiven Healthcare-Sektor zwei wichtige Schwerpunkte im Portfolio.“ IT sei praktisch der aggressivere Teil im Portfolio, während Healthcare das eher ausgleichende Element sei. Der Healthcare-Sektor habe ja unter den Zollankündigungen gelitten und sei nicht hoch bewertet.

Zahlen sind realistisch

Bei Technologie gehe es um Digital Economy insgesamt, und nicht allein um vielleicht Investments in den ein oder anderen Chiphersteller. Das Thema müsse viel breiter gesehen werden. „Wir haben einmal überschlagen, ob die Nutzerzahlen für künstliche Intelligenz und die Zahlen, die in Aussicht gestellt werden, realistisch sind“, erläutert Hochberg. „Das ist der Fall. Der Durchdringungsgrad von KI in der Volkswirtschaft und auch im privaten Leben wird schneller zunehmen als wir das bei anderen Technologien gesehen haben.“ Das sei ja bei allen Innovationen so, dass sich der Implementierungszeitraum verkürze.

Wichtig sei es, nicht nur dort zu investieren, wo KI entwickelt werde, sondern auch dort, wo KI in der Anwendung auch wirklich Produktivitätseffekte habe. Dies könne zum Beispiel auch in der Pharmabranche sein. Also überall, da wo es durch die Auswertung von Daten über eine KI Produktivitätsfortschritte habe.

Eine Parallele mit dem Jahr 2000, als die Dotcom-Blase zu platzen begann, hält die Strategin für zu kurz gegriffen. Damals hätten viele Unternehmen keinen Gewinn gemacht. Mittlerweile erwirtschafteten die IT-Unternehmen ja hohe Gewinne und Cash in zweistelliger Milliardenhöhe. Dies mache einen sehr großen Unterschied. Darüber hinaus habe im Jahr 2000 eine überbordende Euphorie geherrscht. Dies sei heute nicht der Fall.

Gleichwohl sollten sich Investoren möglichst breit aufstellen. „Regional betrachtet haben wir ein Übergewicht in den Schwellenländern. In Asien sind IT-Werte wesentlich niedriger bewertet als in den USA“, sagt Hochberg. „Für Europa sind wir im Moment eher vorsichtig. Die Euphorie für europäische und deutsche Aktien ist zuletzt abgeebbt. Nicht zuletzt stellt auch der starke Euro ein Belastungsfaktor dar.“ Als grobe Faustregel könne man sagen, dass 10% Aufwertung beim Euro etwa 3% Gewinnwachstum kosten. Mittelfristig seinen die Erwartungen für Europa aktuell übertrieben. Nicht zuletzt sei eine ausgeprägte Schwäche der deutschen Wirtschaft auszumachen, was sich aber natürlich nicht eins zu eins auf den Dax übertrage, weil dieser viel internationaler ausgerichtet sei.

„Wir empfehlen auch, strategisch in einem Portfolio einen Anteil an Gold zu halten“, erklärt die Portfoliomanagerin. „Wenn man keine Rohstoffe im Portfolio haben möchte, raten wir zu etwa 5% Gold.“ Wer aber strategisch 2,5% Rohstoffe im Portfolio habe, der sollte nach Einschätzung des Schweizer Instituts noch 2,5% Gold halten.

5.000 Dollar je Unze möglich

„Nach dem starken Kursanstieg haben wir in der vergangenen Woche Gold verkauft. Wir haben hier Gewinne realisiert, sind aber strategisch noch investiert“, sagt Hochberg. „Gold ist zu schnell gestiegen und war überkauft. Strategisch macht Gold aber weiterhin Sinn. Viele Zentralbanken in den Schwellenländern bauen ihre Dollarbestände ab und ihre strategischen Währungsreserven in Gold aus.“ Diese De-Dollarisierung sei in vollem Gange. „Mittelfristig halten wir durchaus einen Goldpreis von 5.000 Dollar je Feinunze für möglich.“

Zu einem ausgewogenen Portfolio gehörten auch Festverzinsliche. „Am Anleihemarkt sind wir insgesamt untergewichtet. Doch sind wir vor allem bei Staatsanleihen übergewichtet, insbesondere auch bei Staatsanleihen aus den Schwellenländern. Zudem sind wir für Wandelanleihen positiv gestimmt“, erläutert Hochberg. Gerade die Staatsanleihen aus den Schwellenländern böten hohe reale Renditen.

Bessere Entschädigung bei Aktien

Hingegen ist die Portfoliomanagerin gegenüber Unternehmensanleihen angesichts enger Spreads reserviert. In denen seien mögliche Kreditausfälle, mit denen durchaus zu rechnen sei, noch nicht entsprechend abgebildet. „Bei Multi-Asset habe ich ja die Wahl. Nehme ich das Risiko bei Unternehmensanleihen oder auf der Aktienseite“, sagt Hochberg. „Und da glauben wir, dass auf der Aktienseite aktuell besser für das Risiko entschädigt wird.“

Der Dollar sei noch nicht günstig und werde weiterhin zur Schwäche neigen. „Beim Dollar sehen wir zweistelliges Abwertungspotenzial gegenüber dem Schweizer Franken“, erklärt die Portfoliomanagerin „Wir haben im vergangenen Jahr auch ein Teil unserer globalen Aktienquote gegenüber einem Verfall des Dollars abgesichert.“ Beim Euro sei eine Inflationsdifferenz von etwa einem Prozentpunkt im Jahr gegenüber dem Schweizer Franken zu sehen, welche die strategische Aufwertung des Frankens unterstütze.

„Bei der Fed erwarten wir noch vier Zinssenkungen in den kommenden zwölf Monaten“, sagt Hochberg. „Die EZB hat keinen wirklichen Handlungsbedarf, das ist eher eine Option, dass sie die Zinsen noch einmal senkt. Hingegen besteht in der Schweiz gegebenenfalls das Risiko von Negativzinsen.“

Wichtig sei es, ein Portfolio strategisch entsprechend stabil aufzustellen. „Nach wie vor drohen geopolitische Risiken“, erklärt Hochberg. „Dies spricht dafür, Gold als Stabilitätsanker im Portfolio zu halten. Auch der Schweizer Franken wirkt als Stabilitätsanker. Viele unserer deutschen Kunden bevorzugen Portfolios auf Franken-Basis.“