Rückversicherer

Hannover Rück hält auch im Sturm Kurs

Die Hannover Rück hat auch im sehr schadenträchtigen Jahr 2022 ihre Gewinnprognose aufrechterhalten. Der Rückversicherer empfiehlt sich mit einer besonnenen Risikozeichnungspolitik und einer vorausschauenden Kapitalanlagestrategie.

Hannover Rück hält auch im Sturm Kurs

Von Thomas List, Frankfurt

Hohe Profitabilität bei geringer Volatilität – so preist sich die Hannover Rück, einer der größten Rückversicherer weltweit, für Investoren auf seiner Homepage an. Betrachtet man die Kursentwicklung im Frankfurter Xetra-Handel, so kann von geringer Volatilität keine Rede sein. Vor einem Jahr notierte die Aktie bei etwa 162 Euro, erreichte Ende Januar dieses Jahres 178 Euro und fiel dann von Mitte Februar bis Anfang März auf 142 Euro ab. Seitdem hat sie sich unter Schwankungen wieder bis knapp 175 Euro hochgearbeitet. Ein besonderes Highlight war sicherlich die Aufnahme in den Dax am 21. März. Dabei glänzten die Hannoveraner mit einem Kursplus von 4 % als Dax-Spitzenreiter.

Ukrainekrieg reißt runter

Der Kurssturz im Februar/März dürfte wesentlich mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs am 24. Februar erklärbar sein. Immerhin ging es vom 25. Februar bis zum 7. März um satte 17% abwärts. Das war kein Phänomen nur bei der Hannover Rück, wie Wettbewerber zeigen, denen es genauso ging. Branchenführer Munich Re verlor in diesem Zeitraum ebenfalls 17% und der Branchenzweite Swiss Re sogar 19%. Ursächlich für den Kurssturz war die große Unsicherheit über die Haftungsrisiken. Zwar sind Kriegsrisiken in den meisten Versicherungsverträgen ausgeschlossen, aber eben nicht in allen. So können im Aviation-Bereich Kriegsdeckungen zusätzlich abgeschlossen werden. In Russland wurden etliche von westlichen Leasinggesellschaften geleaste Flugzeuge beschlagnahmt. Ob daraus ein Schaden für Erst- und Rückversicherer erwächst, ist noch vollkommen offen. Die Hannover Rück hat nach eigenen Angaben bisher für diese Risiken keine Schäden reserviert.

Zum Ukraine-Krieg hat CFO Clemens Jungsthöfel Anfang November erklärt, Kunden hätten bisher nur sehr wenige Schäden gemeldet. Daher basierten die bisher gebildeten Spätschadenrückstellungen von 331 Mill. Euro per Ende September fast ausschließlich auf eigenen Schätzungen der Gesellschaft.

Sehr viel größer sind bisher die Belastungen bei der Hannover Rück durch Naturkatastrophen. Die Netto-Großschadenbelastung (also nach Retrozession, sprich Abgabe an andere Rückversicherer) lag per Ende September bei 1,5 (i. V. 1,1) Mrd. Euro. Das sind 400 Mill. Euro mehr, als der Rückversicherer eingeplant hatte. Bei der in diesem Jahr für die Assekuranz voraussichtlich teuersten Naturkatastrophe, dem Hurrikan „Ian“, der Ende September Teile Floridas und South Carolinas verwüstete, ist die Hannover Rück allerdings vergleichsweise glimpflich davongekommen. Die Nettobelastung lag per Ende September nach Unternehmensangaben bei „nur“ 276 Mill. Euro. Bei Munich Re und Swiss Re war es mit 1,6 Mrd. Euro bzw. 1,3 Mrd. Dollar deutlich mehr. Offenbar hat man aus den gerade in Florida nicht gerade seltenen Wirbelstürmen die Konsequenz gezogen, weniger Deckungen anzubieten. Laut Finanzvorstand Jungst­hövel hat sich die Hannover Rück schon vor Jahren für Portfolioverlagerungen in andere Regionen und Gefahrenbereiche entschieden.

Es gab 2022 allerdings weitere schadenträchtige Naturkatastrophen, die die Hannover Rück stark belasteten: die schweren Überflutungen in Australien mit 211 Mill. Euro sowie der Wintersturm „Ylenia“ in Mitteleuropa mit 115 Mill. Euro, jeweils netto. Schließlich schlugen noch Nachreservierungen für größere Schäden aus 2021, insbesondere 130 Mill. Euro für die Dürre in Brasilien, zu Buche. Trotzdem blieb die kombinierte Schaden-Kosten-Quote mit 99,2 (97,9)% noch unter 100%, sprich die Gesellschaft hat in ihrem Versicherungsgeschäft noch Geld verdient. Mit dem erreichten Wert lag die Gesellschaft besser als der Analystenkonsens (101,9%). Der Beitrag der Schaden-Rückversicherung zum Konzernergebnis ging in den ersten neun Monaten um rund ein Viertel auf 545 Mill. Euro zurück.

Deutlich besser schnitt die allerdings erheblich kleinere Personen-Rückversicherung ab. Angesichts deutlich rückläufiger Belastungen aus der Covid-19-Pandemie hat sich der Nettogewinn auf 369 (150) Mill. Euro mehr als verdoppelt.

Auch in der Kapitalanlage bewies die Hannover Rück ein gutes Händchen, sprich eine vorausschauende Strategie. Der über Jahre aufgebaute Bestand an inflationsgebundenen Anleihen bescherte per Ende September einen positiven Ergebnisbeitrag von 301 Mill. Euro. Dazu trug der Teilverkauf des zum Jahresanfang verbliebenen Aktienbestands zu Beginn des zweiten Quartals 94 Mill. Euro zum Ergebnis bei. Damit verbesserte sich das Ergebnis aus selbst verwalteten Kapitalanlagen auf 1,2 (1,1) Mrd. Euro, entsprechend einer annualisierten Kapitalanlagerendite von 2,9%. Das Nettokapitalanlageergebnis stieg auf 1,38 (1,36) Mrd. Euro.

Insgesamt konnte die Hannover Rück trotz der hohen Großschadenbelastung ihr Ziel eines Nettokonzerngewinns am unteren Ende der Spanne von 1,4 Mrd. Euro bis 1,5 Mrd. Euro aufrechterhalten. Sie schneidet damit deutlich besser ab als eine Swiss Re (die in den ersten drei Quartalen einen Verlust von 285 Mill. Dollar einfuhr und damit ihr Ziel einer Eigenkapitalrendite von 10% nicht erreichen wird; Hannover Rück erreichte schon Ende September 11,5%) und erst recht als der französische Mitwettbewerber Scor, der bis Ende September sogar 509 Mill. Euro Miese machte.

Prämien dürften steigen

Die großen Schadenrisiken, die angesichts des sich verschärfenden Klimawandels noch zunehmen werden, dürften es allen Rückversicherern aller Voraussicht nach erlauben, deutliche Prämiensteigerungen durchzusetzen. Wer dann noch ein diszipliniertes Underwriting, also das Zeichnen von Risiken, besitzt und eine vorausschauende und risikobewusste Kapitalanlagepolitik verfolgt, wie die Hannover Rück, der hat gute Chancen, auch weiterhin erfolgreich zu sein. Es überrascht daher nicht, dass die Konsensschätzungen der Analysten für die kommenden zwei Jahre ein zweistelliges Gewinnwachstum zeigen. Das Kursziel liegt allerdings nur bei 175,51 Euro und damit auf dem aktuellen Niveau. Deutlich optimistischer zeigen sich die Analysten von Berenberg, die in ihrer Analyse vom 3. November, also unmittelbar nach Vorlage der Neun-Monats-Zahlen, ein Kursziel von 194 Euro ausgaben. Allerdings empfahlen sie nur, die Aktie zu halten, und zogen in der Branche Munich Re vor.

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