Rezessionsangst

Helaba sieht Märkte vor Gratwanderung

Der Ukraine-Krieg und die Energiekrise prägen laut der Helaba den Marktausblick für 2023. Dennoch sieht das Finanzinstitut Kaufsignale für Aktien.

Helaba sieht Märkte vor Gratwanderung

xaw Frankfurt

Die Landesbank Hessen-Thüringen sieht die Weltwirtschaft und die Märkte vor einer schwierigen Gratwanderung. Der Ukraine-Krieg und die Energiekrise in Europa bestimmten den Ausblick für das kommende Jahr – und auch die Nachwirkungen der Corona-Pandemie dürften laut der Helaba 2023 noch eine wichtige Rolle spielen.

„Derzeit wirken zahlreiche Einflussfaktoren einander entgegen“ sagte Gertrud Traud, Chefvolkswirtin des Finanzinstituts, im Rahmen eines Marktausblicks am Dienstag. „Fiskalpolitische Stützungsmaßnahmen konterkarieren die geldpolitische Straffung, auch geopolitische Bestrebungen und Bemühungen um die Energiesicherheit in Europa stehen einander gegenüber.“

Rezession in Deutschland

Da der Ukraine-Krieg fortdauere, die Energiepreise erhöht blieben und sich weder die globalen Lieferketten noch das Verbraucherverhalten nach der Coronakrise normalisiert hätten, werde Deutschland 2023 in die Rezession rutschen. Zwar durchliefen die großen Wirtschaftsblöcke USA und Eurozone ebenso eine wirtschaftliche Kontraktion, dürften im Gesamtjahr 2023 laut Helaba aber immerhin noch leicht um 0,5% und 0,2% wachsen – dagegen werde die deutsche Wirtschaft um 0,6% schrumpfen. Auch die Verbraucherpreise in der Bundesrepublik dürften nach Ansicht der Landesbank im kommenden Jahr stärker steigen als in der gesamten Währungsgemeinschaft oder den Vereinigten Staaten.

„Die aktuelle Krise ist viel stärker Deutschland-fokussiert als vergangene Notlagen“, betonte Traud und verwies dabei auch auf den Economic Policy Uncertainty Index, der auf Basis einer Auswertung von Zeitungsartikeln ein Stimmungsbild für nationale Ökonomien sowie die Weltwirtschaft zeichnet. Das Sub-Barometer für Deutschland sei im laufenden Jahr wesentlich stärker nach oben geschnellt als der globale Index.

Allerdings seien die Bewertungen am Aktienmarkt günstig, aus technischer Sicht seien Dividendentitel überverkauft. Im Zusammenspiel mit den negativen Konjunkturerwartungen seien die wichtigsten Bedingungen für eine Bodenbildung erfüllt. Der Helaba-Best-Indikator, der die Bewertungen, die Stimmung der Marktteilnehmer und die technische Situation für den Dax abbildet, sendet bereits ein Kaufsignal. Die Helaba rechnet damit, dass der deutsche Leitindex bis Ende 2023 die Marke von 16000 Punkten ansteuert.

Vorerst werde sich die Liquiditätsverknappung an den Märkten aber fortsetzen. Das Geldmengenwachstum in den USA gehe seit Ende 2020 zurück, in Korrelation dazu gerieten spekulativ geprägte Anlageklassen wie Kryptowährungen zunehmend unter Druck. Die Cyberdevisen leiden zudem unter dem Kollaps der Handelsplattform FTX. Künftige Krisen im Digital-Assets-Segment dürften nach Trauds Ansicht indes nur dann auf das Finanzsystem übergreifen, wenn Bitcoin und Digitalwährungen über die Funktion als Spekulationsobjekte hinauswüchsen.

Auch die starke Aufwertung des Dollar hat die Talfahrt der Kryptowährungen im laufenden Jahr beschleunigt, da ihre Kurse am Spotmarkt auf den Greenback lauten. Allerdings hält die Helaba die amerikanische Währung inzwischen für „massiv überbewertet“, der Euro werde bis Ende des kommenden Jahres wieder auf 1,10 Dollar steigen.

Großer EZB-Schritt erwartet

Hintergrund dafür sei auch, dass die geldpolitischen Straffungen der Federal Reserve infolge eines nachlassenden Lohnkostenanstiegs und sich abschwächenden Inflationsdrucks mit dem Ende des laufenden Jahres „weitgehend abgeschlossen“ sein dürften. „Für Dezember rechnen wir mit einem kleineren Fed-Zinsschritt“, sagte Traud. Die Europäische Zentralbank dürfte ihren Hauptrefinanzierungssatz hingegen noch bis auf 2,75% erhöhen.

Allerdings sei die Gefahr von Fehltritten durch Notenbanken und Regierungen durchaus gegeben. Während die Helaba ihrer Basisannahme einer Gratwanderung eine Wahrscheinlichkeit von 60% beimisst und ein Positivszenario mit 10% gewichtet, bewertet sie die Gefahr eines konjunkturellen Absturzes mit 30% durchaus relativ hoch. In diesem Fall sei mit einer starken Korrektur an den Aktienmärkten und einer weiteren Aufwertung des Dollar zu rechnen.

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