Hyundai Motor mutiert zur Value-Aktie
Von Martin Fritz, TokioDas Papamobil ist neuerdings ein offener Hyundai Santa Fe. Allerdings dürfte der Wechsel von Papst Franziskus von Mercedes-Benz zu Hyundai bei dem Autobauer aus Korea gemischte Gefühle ausgelöst haben. Der Papst will bescheiden leben. Wenn er dafür auf Hyundai umsteigt, ist das eher schlecht für das Markenimage. Schließlich haben die Koreaner massiv die Qualität gesteigert, um aus ihrer Billignische in die obersten Ränge der Autoliga aufzusteigen. Jahre des Wachstums vorbeiDoch Hyundai Motor hat gerade weit größere Probleme: Die Jahre des Wachstums sind offenbar vorbei. Die Ankündigung zum Jahreswechsel, den Absatz 2015 nur um magere 1,8 % auf 5,05 Millionen Stück zu steigern, war für die Börse bereits eine Enttäuschung. Danach kam es schlimmer: In den ersten fünf Monaten dieses Jahres sind die weltweiten Verkäufe um 3,6 % geschrumpft. Im Mai verschärfte sich die Rückgangsrate auf 6,4 %. Nur in Indien und der Türkei ging es aufwärts. Damit droht der Gewinn im laufenden Quartal zum fünften Mal zu sinken. Im Vorquartal war der Ertrag um 1 % auf 1,9 Bill. Won (1,5 Mrd. Euro) gefallen. Der Umsatz sank um 3,3 % auf 20,9 Bill. Won (16,7 Mrd. Euro). KGV von knapp 5Auf jeden Fall müssen Anleger umdenken. Bisher galt Hyundai als Wachstumstitel, zumal VW-Chef Martin Winterkorn die Koreaner zum schärfsten Gegner erklärt hatte. In den zwölf Jahren vom Januar 2000 bis zum April 2012, in denen Hyundai aus dem Nichts zusammen mit Kia Motor zum fünftgrößten Autobauer der Welt heranwuchs, legte die Aktie um den Faktor 15 zu. Doch danach hat sich eine wachsende Zahl von Aktionären verabschiedet. In dieser Woche erreichte die Aktie ein Fünfjahrestief. Durch den schleichenden Ausverkauf wurden Hyundai spottbillig. In Seoul wird der Wert nun mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von knapp 5 bewertet. Das Kurs-Buch-Verhältnis von 0,48 liegt unter dem Finanzkrisentief von 0,58. Die Kurs-Umsatz-Quote von 0,41 ist mehr als drei Mal geringer als der Branchenschnitt. Dabei erzielte man selbst im schwachen ersten Quartal noch eine operative Rendite von 7,6 % und damit 1,3 Punkte mehr als VW. Dividende deutlich erhöhtNun mutiert Hyundai zum Value-Titel. Ein Signal dafür war die Anhebung der Dividende für 2014 um 53 % auf 3 000 Won je Aktie. Die Rendite stieg damit auf zuletzt 2,2 %. Viele Analysten rechnen für 2015 mit einer Interims-Dividende sowie Aktienrückkäufen als Trostpflaster für den Kursverfall. Hyundai hätte dafür viel Luft nach oben: Die Ausschüttungsquote von 6 % ist fünf Mal kleiner als bei Toyota. Zudem verfügte man Ende März über Netto-Barmittel von 14,5 Bill. Won. Nomura hält die Aktie jedenfalls für den einzigen kaufenswerten Titel im ansonsten neutral bewerteten Autosektor. Das Kursziel von 210 000 Won lässt ein Potenzial von 52 % zum Schlusspreis von 138 000 Won am Donnerstag. Dagegen bleibt UBS auf der Hut. Die Schweizer Bank nennt eine ganze Reihe von Gründen, warum sich die Autos von Hyundai so schlecht verkaufen. Mit einem Geländewagen-Anteil (SUV) von 20 % am Volumen könnten die Koreaner die starke Nachfrage nach dieser Modellklasse in den USA und China als Folge des niedrigen Benzinpreises nicht ausreichend bedienen. Der neue Tucson-SUV verkaufe sich gut, aber die koreanische Produktion werde erst im September hochgefahren. In China gewännen lokale Hersteller rasant schnell Marktanteile, da sie bei verbesserter Qualität 25 % bis 30 % günstiger seien als die Koreaner. Kaum SpielraumHyundai gehe in den USA wegen des schwachen Yen nicht aggressiv gegen japanische Rivalen vor. Gemeint ist: Die starke Landeswährung Won lässt Hyundai kaum Spielraum für Preiskämpfe. Außerdem mache Hyundai auch das nachlassende Wachstum in Russland, den früheren Staaten der Sowjetunion und Lateinamerika zu schaffen. Hier verkaufen die Koreaner 12 % des Volumens. Auch die Erträge leiden, weil der Won in diesem Jahr zum Yen, Euro, Rubel und Real zugelegt hat. Außerdem drohen im Sommer Arbeitskämpfe.Goldman Sachs setzte mit der Absenkung des Kursziels auf 133 000 Won noch eins drauf. Begründet wird dies mit der ringförmigen Beteiligungsstruktur der Hyundai-Motor-Gruppe. Dadurch würden die Stimmrechte von Minderheitsaktionären verwässert. Tatsächlich benutzt die Gründerfamilie Chung ein verwirrendes Anteilsgeflecht zur Machtausübung: Chairman Chung Mong-koo hält nur 5,2 % von Hyundai Motor. Zulieferer Hyundai Mobis besitzt 20,8 % des Autoherstellers. Hyundai Motor wiederum hält 34 % von Kia Motor, die aber 16,9 % von Mobis besitzt. Kompliziert wird diese Gemengelage dadurch, dass der Führungswechsel vom 77-jährigen Chung zu seinem einzigen Sohn Chung Eui-sun ungeklärt ist. Der 44-Jährige ist seit 2009 Vize-Chairman.Die Unzufriedenheit über die Corporate Governance erreichte im September ihren Höhepunkt, als Hyundai Motor am Verwaltungsrat vorbei ein Grundstück im Seouler Edelbezirk Gangnam für 10,7 Bill. Won (heute 8,5 Mrd. Euro) kaufte. In einem Bieterwettkampf mit Samsung zahlte Hyundai (zusammen mit Kia und Mobis) dabei den dreifachen Marktpreis. Auf der Immobilie ist nach dem Vorbild von Volkswagen eine Art Autostadt samt neuer Konzernzentrale geplant. Seit dem Kauf ist der Börsenwert von Hyundai um mehr als ein Drittel zurückgegangen. KostensenkungenUnter all diesen Umständen scheint eine schnelle Trendumkehr an der Börse nur schwer möglich. Andererseits könnten die schlechten Nachrichten weitgehend eingepreist sein. Das Management kündigte inzwischen Kostensenkungen für Korea an. Die koreanische Presse spricht von 30 %. Die Auffrischung einiger Bestseller-Modelle in diesem Jahr verspricht eine Erholung des Absatzes. Die spannende Frage ist, ob die Hyundai-Führung genug Krisenbewusstsein entwickelt. Ein Lackmustest dürften die bisher nur angedeuteten Fabrikneubauten werden. 32 Analysten sehen laut Reuters-Daten Hyundai als Kauf, 7 plädieren für Halten, niemand rät zum Reduzieren.