Geld oder Brief Adidas

In die Falle getappt

Das Geschäft von Adidas wächst, während Nike und Puma Umsatz verlieren. Dennoch geht es mit dem Aktienkurs in diesem Jahr abwärts. Das liegt auch an der vorsichtigen Prognose von Vorstandschef Bjørn Gulden.

In die Falle getappt

Geld oder Brief

Adidas ist in die Falle getappt

Von Joachim Herr, München

Auf den ersten Blick passt die Entwicklung des Aktienkurses von Adidas so gar nicht zu der des Geschäfts. Um rund ein Fünftel ist der Börsenwert des Sportartikelkonzerns seit Beginn dieses Jahres gesunken. Dagegen ist der Umsatz der Marke Adidas in den ersten sechs Monaten um 14% gestiegen. Die drei Streifen lassen Branchenprimus Nike und den kleineren Konkurrenten Puma weit hinter sich. Besonders Puma hat mit einer schwachen Nachfrage und sinkendem Umsatz zu kämpfen.

Allerdings ließ zuletzt auch die Dynamik von Adidas etwas nach. Hinzu kommt der schwache Dollar-Kurs für die Umrechnung: In Euro nahm der Konzernerlös im zweiten Quartal um gerade einmal 2% zu. Auch die aufgegebene Marke Yeezy, die 2024 noch zum Umsatz beitrug, schwächte mit ihrem Basiseffekt das Wachstum ab.

Nah am Margenziel

Betriebsergebnis und Profitabilität von Adidas legten verglichen mit dem ersten Quartal 2025 ebenfalls nicht mehr so kräftig zu. Ein stattlicher Zuwachs des Betriebsergebnisses um 58% im zweiten Abschnitt übertraf jedoch die Erwartungen. Und die Marge von 9,2% sowie 9,6% im ersten Halbjahr kommt dem Ziel von 10%, das Vorstandschef Bjørn Gulden gesetzt hat, schon ziemlich nahe. Ein Grund: Auf die Beschaffung der Produkte, die zu mehr als 90% in Asien hergestellt werden, wirkt sich der schwache Dollar, in dem bezahlt wird, günstig aus.

Das alles half an der Börse kaum: Sechs Handelstage nach dem Halbjahresbericht lag der Aktienkurs fast 18% tiefer. Die Analysten der Deutschen Bank erklären das mit der „Falle der konservativen Prognose“: Die Anleger schenkten dem vorsichtigen Ausblick des Vorstands wenig Glauben und legten die Messlatte höher. Adidas-Chef Gulden ist für seine zurückhaltenden Prognosen bekannt. Nun tappte er offenbar in diese Falle. Trotz der kräftigen Zuwächse vor allem auf der Ergebnisseite erhöhte der Norweger die Jahresprognose nicht. Bisher hatte er häufig das Gegenteil getan: an der Spitze von Puma und seit Anfang 2023 als CEO von Adidas. Zumindest ein Teil der Investoren rechnete auch dieses Mal damit.

Im Vergleich besser abgeschnitten

Analysten sind dennoch weiterhin überwiegend optimistisch für Adidas: 25 empfehlen laut dem Informationsdienstleister Bloomberg die Aktie zum Kauf. Sieben raten zum Halten, zwei zum Verkaufen. Die Deutsche Bank ist zuversichtlich und erhöhte ihr Kursziel von 270 auf 280 Euro. Aus der Sicht von Analyst Adam Cochrane ist es positiv zu werten, dass Adidas die Jahresprognose bestätigt hat – trotz des negativen Währungseffekts für die Umrechnung in Euro und trotz der hohen Importzölle der USA. Im Vergleich mit anderen Konsumgüterunternehmen, die in die USA verkaufen, schneide der Sportartikelkonzern besser ab.

Impulse von der Fußball-WM

Goldman Sachs hat eine neutrale Haltung zur Adidas-Aktie und ließ das Kursziel mit 210 Euro unverändert. Die Bedenken der Investoren konzentrierten sich auf die Kaufabsicht der Konsumenten in den USA. Adidas liege dabei zwar weiterhin deutlich über den Wettbewerbern, Nike habe aber aufgeholt. Zudem sei das Interesse für Terrace-Schuhe zwar stabil geblieben, habe aber seit dem Höhepunkt im April 2024 nachgelassen. Diese Erkenntnisse gewannen die Analysten von Goldman Sachs auf der „Global Retailing Conference“ der Bank, die Anfang September in New York stattfand. Terrace sind Sneaker von Adidas im Retrostil (Samba, Gazelle, Handball Spezial), die nach wie vor stark gefragt sind.

Wachstumsimpulse für Adidas erwartet Goldman Sachs von Schuhen und Bekleidung fürs Laufen und im Segment Training sowie von der Fußball-Weltmeisterschaft im nächsten Jahr. Für die WM rechnen sie mit einem Umsatz von 1 Mrd. Euro, 200 Mill. davon im vierten Quartal dieses Jahres und 800 Mill. in der ersten Hälfte 2026. Das sei mehr als in einem üblichen WM-Jahr, wie Adidas angedeutet habe. 2026 findet das Turnier in den USA, Kanada und Mexiko statt und erstmals mit einem von 32 auf 48 Mannschaften vergrößerten Teilnehmerfeld. Damit steigt voraussichtlich auch die Zahl der von Adidas ausgerüsteten Teams. Das Potenzial für Verkäufe von Trikots erhöht sich somit.

Weniger Zollbelastungen erwartet

Die Analysten vom Bankhaus Metzler raten nach den Halbjahreszahlen weiterhin zum Kauf der Adidas-Aktie, haben aber das Kursziel von 294 auf 272 Euro gesenkt. Sie begründen dies mit den Auswirkungen der US-Zölle auf das operative Ergebnis. Verglichen mit anderen Sport- und Modeunternehmen werde Adidas jedoch den höchsten Gewinnzuwachs je Aktie erzielen. In der Vergleichsgruppe sind Inditex, Asics, Nike, On, Deckers, Skechers und Lululemon.

Die stark gestiegenen Zölle der USA treffen Adidas wie die Konkurrenten, die ebenfalls den überwiegenden Anteil von Schuhen und Bekleidung in Asien herstellen lassen. Zu den wichtigsten Produktionsländern gehören Vietnam, Kambodscha, Indonesien und China. Adidas-Chef Gulden sagte im Juli, er rechne für den weiteren Jahresverlauf mit zusätzlichen Kosten der Adidas-Produkte in den USA von bis zu 200 Mill. Euro. Die Analysten von Goldman Sachs nehmen allerdings an, dass Gulden auch mit dieser Prognose sehr vorsichtig war. Dank selektiver Preiserhöhungen und Verhandlungen mit Lieferanten rechnen sie für das zweite Halbjahr mit einem Nettoeffekt der Zölle auf das Ergebnis vor Zinsen und Steuern von weniger als 100 Mill. Euro.